Für mich als theologischem Laien unübertroffen bringt Peter Knauer den Themenkomplex der Unfehlbarkeit auf den Punkt. Auszug:
Die Unfehlbarkeit des Papstes bedeutet nicht etwa, daß er nicht auch die Freiheit hätte, Aussagen zu machen, die mit dem Glauben nicht übereinstimmen, und dennoch für sie Glauben zu fordern; aber er wird dann nie in der Lage sein, sie auch als Glaubensaussagen verständlich zu machen. Solche Aussagen wären von niemandem als »aus sich« wahr erkennbar und könnten deshalb natürlich auch nicht mit Recht als unfehlbar bezeichnet und verkündet werden.
Es wäre also eine falsche Interpretation der päpstlichen Unfehlbarkeit, wollte man meinen, daß der Papst nie etwas zu definieren versuchen könne, was gar nicht in den Bereich von Glauben und Sitten gehört. Damit würde man seine psychologische Freiheit leugnen und ihn in seiner Verkündigung für unsündlich halten. Aber dies ist nicht der Sinn der vatikanischen Definition. Mit einer solchen vom Glauben abweichenden Verkündigung ist zwar kaum zu rechnen, aber die prinzipielle Möglichkeit eines solchen Amtsmißbrauchs kann auch beim Papst nicht ausgeschlossen werden. Wenn dem Papst gegenüber keine respektlose Kritik angebracht ist, so doch auch nicht kritikloser Respekt. Unfehlbar kann päpstliche Lehre nur innerhalb des Bereichs des Glaubens und seiner Anwendung auf die Sitten sein.
Unsere Deutung der päpstlichen Unfehlbarkeit geht also davon aus, daß Glaubensaussagen sich letztlich durch ihren Inhalt als verläßlich ausweisen müssen. Dies bedeutet keineswegs eine Leugnung der formalen Autorität des Lehramts, sondern begründet diese vielmehr. Denn als Glaubensaussagen kommen keine anderen Aussagen in Frage als solche, für die man konstitutiv darauf angewiesen ist, sie von der Kirche gesagt zu bekommen. Die Kirche ist definiert als das fortdauernde Geschehen der Weitergabe des Wortes Gottes. Kein Wort, auf das man von sich aus verfallen könnte, ließe sich als Glaubensaussage verstehen. Es gehört zum Wesen eines als Selbstmitteilung Gottes verstehbaren Glaubens, daß er »vom Hören kommt« (vgl Röm. 10,17) und seinen geschichtlichen Ursprung in Jesus Christus und nicht in uns selbst hat.
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