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Mittwoch, März 30, 2005

Mystizismus versus natürliche Metaphysik?

Das Kapitalismus-Magazin referiert einen Artikel von John Podhoretz, den der Autor wohl nicht ganz treffend als Mystiker bezeichnet, zum philosophischen Hintergrund des Streits um Theresa Schiavo:
"Die Rationalisten sagen, dass sie nicht leiden wird durch das langsame Aushungern, weil sie nichts mehr fühle. Diejenigen, die an die Seele glauben, sagen, dass es keinen Weg gibt, dies herauszufinden, dass die Wissenschaft Grenzen habe und dass sie ihre Grenzen erreicht, wenn sie versucht, zu definieren, was es bedeutet, menschlich zu sein."
Er zieht dann folgenden Schluss:
"Tatsächlich stehen sich diese beiden Positionen auch unversöhnlich gegenüber, denn zwischen der mystischen Sicht einer von Gott gegebenen Menschen Seele, die die Essenz eines Menschen bildet, und der säkularen Auffassung von der Bindung der menschliche Personalität an die einzigartige Form des menschlichen Bewußtseins, die durch Denken, Kreativität und Konzeptionalität geprägt wird, gibt es keine Gemeinsamkeit. Die Person Terri Schiavo hat aufgehört zu existieren, als sich ihr zerebraler Kortex aufgelöst hat."
Den hier aufgebauten Gegensatz halte ich für intellektuell unredlich, weil er eine Zwangsläufigkeit des Urteils unterstellt, die es nicht gibt (als Beispiel siehe dazu heute Gesa Lindemann in der Frankfurter Rundschau, die in diesem Schema wohl als Rationalistin gelten müsste, aber zu völlig anderen Schlüssen kommt). Und der Schluss zeigt die zynischen und an Menschenverachtung grenzenden Konsequenzen dieser Art des Denkens. Zugleich auch ein Verrat an der Idee der Menschenrechte, denn die war immer inklusiv und nicht selektiv.

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5 Comments:

At 4/09/2005 01:17:00 AM, Anonymous Anonym said...

Das Verdurstenlassen ruft nachvollziehbares emotionales Unbehagen - gerade bei medizinischen Laien - hervor. Es gäbe sicherlich bessere Methoden, um ein würdiges Ende herbeizuführen. Was genau geschehen sollte, bestimmt meiner Überzeugung nach im Idealfall die betroffene Person (im Voraus) selbst. Die persönlichen Interessen der Mitmenschen, der Gesellschaft oder eines Gottes (sofern man daran glaubt) sollte hier keinen Einfluss ausüben. Natürlich hat jede Person das Recht, Vorkehrungen im Einklang mit ihrem persönlichen Glauben zu treffen. Wie dem auch sei: Im Sinne dessen, wer die Person einmal war, sollte man sie mit der entsprechenden Würde behandeln.

Aristoteles' Vorstellung von der Seele ist in diesem Zusammenhang übrigens sehr aktuell: Sie Seele eines Organismus ist die Summe seiner Fähigkeiten, die durch seine besondere Beschaffenheit entstehen. Der Mensch ist eine eintigartige Integration von Substanz und Form, die ihm vielfältige Vermögen verleiht, z.B. das Vermögen der Nahrungsaufnahme, der Wahrnehmung, des Strebens, der Ortsbewegung und des Denkens.

"Wenn wir etwas anführen wollen, dass jeder Art von Seele gemeinsam ist, dann wird es dies sein, dass sie die erste Verwirklichung eines natürlichen organischen Körpers ist." (Aristoteles)

"Etwas hat eine Seele, wenn es ein natürlicher organischer Körper ist, der tatsächlich fähig ist zu funktionieren." (Erklärung der A. Vorstellung von J. Barnes in Aristoteles - Eine Einführung, Reclam)

Unter diesem Aspekt läßt sich auch der Fall von Frau Schivao betrachten. Da ich kein Mediziner bin, kann ich Ihnen keine Belge für ihren genauen physiologischen und psychologischen Zustand vorlegen. Aber es wird hier doch einsichtig, dass in dem Maße, in dem die gesunde Integration der organischen Funktionen nicht mehr vorhanden ist, die Seele, die Persönlichkeit mit beeinträchtigt werden.

Ich halte die Erklärung des Aristoteles für sehr wissenschftlich, überhaupt nicht abiträr, und ebensowenig für "menschenverachtend" - ganz im Gegenteil! Dies gilt meiner Ansicht nach ebensosehr für die Aussagen von Robert Tracinski.

 
At 4/09/2005 10:09:00 PM, Blogger mr94 said...

Es gäbe hier sicher eine Menge zu erwidern. Nur soviel: Für menschenverachtend halte ich es, einem Menschen aufgrund einer Behinderung (und sei sie noch so schwer) sein Person-Sein abzusprechen. Wenn ich Sie (oder Dich) richtig verstehe, dann tun Sie das nicht. Der Autor des Beitrages, auf den ich mich bezog, jedoch schon.

 
At 4/09/2005 10:21:00 PM, Blogger mr94 said...

Ich fand neulich einen ganz aufschlussreichen Beitrag des Pontificators dazu.

 
At 4/14/2005 11:10:00 PM, Anonymous Anonym said...

Der Pontifikator wiederholt praktisch die Lehre von der Seele, die ich geschildert habe, dann fügt er ihr eine christliche Bedeutung bei - und in dem Maße wird das Ganze verwaschen.

Ich bin nicht religiös, der wahre Ansatz einer Kritik von mit ist also ein sehr grundlegender; eine Argumentation über so etwas Spezifisches wie die Moral der Euthanasie etc. würde zwangsläufig zu Diskussionen über Grundsatzfragen führen, wo ich vermutlich häufig anderer Meinung sein werde als sie.

Das sollten sie wissen, damit sie meine Argumente richtig einschätzen können. Die Seite, auf die sie ihr Tackback bezogen haben, ist sehr stark von einer atheistischen Philosophie, dem Objektivismus von Ayn Rand, geprägt. Ich wollte sie mit meinem Kommentar vor allem auf die Möglichkeit aufmerksam machen, dass atheistisch, naturwissenschaftlich fundierte Sichtweisen ein sehr positives Menschenbild haben können. Trotz der Tatsache, dass sie die Existenz einer Seele an spezielle existenzielle Bedingngen knüpfen.

Aristoteles' Bild der Seele und seine Auffassungen waren großartig, soweit ich das bisher mitbekommen habe. Er war zwar kein Atheist, er hat aber jedoch das westliche, naturwissenschaftliche Denken begründet; nicht zuletzt ist sein "Gott" keine Quelle der Moral, sondern ein unpersönlicher Beweger.

 
At 4/16/2005 10:23:00 PM, Blogger mr94 said...

Ich kenne mich zu wenig aus, um die Position des Pontificators analysieren zu können. Aber wenn Sie darin aristotelische Denkfiguren erkennen können, dann würde mich das nicht wundern. Schließlich hat die Scholastik Aristoteles rezipiert und in ihr Denkgebäude eingebaut.

Mir ist klar, dass sich ein positives Menschenbild auch mit Atheismus und naturwissenschaftlichen Denkweisen vereinbaren lässt. Das war auch ein Teil der Motivation, auf diese seltsame und m.E. falsche Gegenüberstellung der "mystischen Sicht einer von Gott gegebenen Menschen Seele, die die Essenz eines Menschen bildet," mit "der säkularen Auffassung" mit meinem Beitrag zu reagieren. Es erscheint mir ziemlich frech, unter diesen Objektivismus (wie Sie ihn jetzt genannt haben) praktisch das gesamte non-theistische Denken der Gegenwart summieren zu wollen. Diese angebliche "säkulare Auffassung" gibt es meiner Ansicht nach nicht als Einheit, sondern da sind deren viele, die auch in solch kritischen Einzelfragen wie der hier am Beginn der Überlegungen stehenden zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Deshalb ist diese Dichtomie mystisch/säkular in meinen Augen einfach nur Blödsinn.

Aber kann es sein, dass wir uns in diesem Punkt einig sind?

 

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