Das Notizbuch ist umgezogen. Sie werden weitergeleitet…

Sie sollten automatisch weitergeleitet werden. Falls nicht, besuchen Sie bitte http://commentarium.de und aktualisieren Sie Ihre Lesezeichen.

Mittwoch, August 24, 2005

Offensichtliche Schwachstellen

Georg Ratzinger gibt der Wochenzeitung Junge Freiheit (deren politischer Hintergrund bei anderer Gelegenheit erhellt werden möge) ein Interview (nicht direkt verlinkbar). Auszüge:
Ratzinger: [...] In der katholischen Kirche ist selbst der einfache Priester nicht nur ein Funktionsträger, sondern Vertreter des Bischofs. Das heißt, er ist auserwählt, er ist geweiht für den Dienst Christi. Der Gedanke des Funktionalen, den moderne Kreise analog zur evangelischen Kirche auch bei uns einführen wollen, dokumentiert ihr tiefes Unverständnis der katholischen Kirche.

Wen meinen Sie konkret?

Ratzinger: Denken Sie zum Beispiel an Gruppen wie: „Kirche von unten“ oder „Wir sind Kirche“!

Sie halten das nicht für eine Erneuerung, sondern für eine Verfehlung des Katholizismus?

Ratzinger: Eine Verfehlung der geistigen Struktur unseres Glaubensgebäudes.

Ist das dann noch Kirche?


Ratzinger: Meines Erachtens nicht, denn die Vorstellungen dieser Gruppen sind so weit weg von der eigentlichen Kirchenwirklichkeit, daß man von einer Trennung in der religiösen Substanz sprechen muß.

Woher kommen diese Tendenzen?


Ratzinger: Es ist sozusagen der Tribut an die Zeit, in der wir leben. [...] Die Welt, die uns umgibt, okkupiert uns so sehr, daß das Verständnis für die Welt Gottes bei vielen verlorengegangen ist. Sogar unter den Gläubigen ist das Verständnis für die innere Wahrheit des Glaubens geschwunden. Entscheidende Grundlagen werden heute selbst von praktizierenden Christen nicht mehr verstanden, geschweige denn anerkannt. Das ist Ausdruck einer wirklich tiefen Krise. [...]

Die Krise der Kirche ist einfach zu bewältigen, wenn man den zahlreichen in den Medien zu Wort kommenden innerkirchlichen Kritikern glauben darf. Die Kirche muß sich einfach modernisieren.

Ratzinger: Das ist eine ebenso populäre wie unsinnige Forderung. Sicherlich stimmt, daß Kirchenvertreter nicht immer mutig genug sind, aber eher in Hinsicht darauf, daß man aus einer Unsicherheit heraus vielfach dazu neigt, ohne genügenden Widerstand jeden Unfug, der sich in der Kirche breitmacht, zu tolerieren.

Wer ist dafür verantwortlich?

Ratzinger: Es geht nicht darum, einen Schuldigen zu benennen. Das ist zu einfach. Es hat der Geist der modernen Zeit in der Kirche Platz gegriffen, und man muß verstehen, daß nicht jeder imstande ist, diesem zu widerstehen. Im Christentum liegt die Verantwortung bei jedem einzelnen. Aber es ist nur menschlich, daß viele dieser Verantwortung nicht gewachsen sind.

Die Kirche hat versucht, auf die Krise mit dem II.Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 zu reagieren. Warum ist das mißlungen?

Ratzinger: Das Konzil ist eine ungeheuer vielschichtige Veranstaltung gewesen. Heute gibt es viel Kritik an dem Konzil. Die Reaktion auf das II. Vatikanische Konzil steht in Übereinstimmung mit der Reaktion auf frühere Konzilien. Einerseits überzeugte Annahme und Begeisterung, andererseits scharfe Zurückweisung. Das Problem ergibt sich daraus, daß die meisten Kritiker, aber auch viele Befürworter, die Texte des Konzils nicht kennen, sondern aufgrund eines konstruierten „Konzilsgeistes“ agieren. Jeder, der nach seinem Gusto in der Kirche etwas verändern möchte, spricht davon, der „Geist des Konzils“ gebiete es ... Völlig gleichgültig, ob das auch nur im entferntesten etwas mit dem Konzil zu tun hat oder nicht. Da ist ein Mißbrauch des Konzils erheblichen Ausmaßes im Schwange, und der „Geist des Konzils“ ist in Wirklichkeit meist eher der Geist derer, die sich auf ihn berufen, als der authentische Inhalt des Konzils. Nicht zuletzt trägt das natürlich bei den konservativen Kritikern des Konzils nicht unwesentlich zu seinem schlechten Ruf bei.

Wie würden Sie die Wahrheit des Konzils beschreiben?

Ratzinger: Das Konzil steht voll auf dem Boden des Glaubens. Es hat ihn im Ganzen eindrucksvoll formuliert. Ich glaube, das Konzil ist eine Chance, die wir bis heute noch nicht recht zu nutzen gewußt haben. [...]

Wenn Sie die Debatten in den Medien, etwa auch wieder jetzt anläßlich der Beiträge zum Weltjugendtag, über und auch mit der Kirche verfolgen, dann ist nur von der Frage der „Modernisierung“ die Rede.

Ratzinger: Das Problem ist, daß die Auswahl der Debattenteilnehmer- und themen vor allem durch die Journalisten bestimmt wird. Die sind natürlich an einer Modernisierungs-Debatte wesentlich mehr interessiert als an einer Debatte über die Rückkehr zu unpopulären, aber fundamentalen Glaubenswahrheiten. Zudem ist es leider populär, nur über Äußerlichkeiten statt über Inhalte der Kirche zu sprechen - bevorzugt über solche Dinge, die das Interesse unsere modernen Gesellschaft widerspiegeln.

Sie meinen, zum Beispiel die Zölibats-Debatte als Projektion der Sexualisierung oder Ökumene als Projektion der Multikulturalisierung unserer Gesellschaft?

Ratzinger:
Eben, das enthüllt die wahren Vorlieben und verhüllt das wirklich Wichtige, nämlich die Fragen des Glaubens. Dabei haben doch alle die protestantische Kirche als warnendes Beispiel vor Augen, wo diese „Reformen“ viel weiter fortgeschritten sind und dennoch die Situation noch viel zugespitzter ist. Ich weiß nicht, was sich die „Drewermänner“ und „Küngs“ dabei denken ... Tatsache ist aber, daß keiner die inzwischen offensichtlichen Schwachstellen ihrer Ideen erkennt, denn sie sind nach wie vor die Lieblinge der Medien.

5 Comments:

At 8/24/2005 01:50:00 PM, Blogger Petra said...

Sehr klare Worte! Wollte den Artikel auch schon verlinken...

Etwas peinlich für die JF aber, dass sie offenbar weder gratia, noch Danneels schreiben können...

 
At 9/07/2005 04:48:00 PM, Blogger mr94 said...

Durchaus! Mach doch mal...

 
At 9/07/2005 05:02:00 PM, Blogger mr94 said...

Irgendwann in der ersten Hälfte der 90er habe ich mal einen Radiobeitrag über die Junge Freiheit gemacht. Oder vielmehr: über die Kritik am damals noch recht jungen Blatt.

Zu jener Zeit jedenfalls gab es eine Menge Leute, die es am liebsten in die rechtsextreme Ecke geschoben hätten. Blöderweise gab es auch damals schon prominente Interviewpartner aus einem relativ breiten politischen Spektrum, die sich davon nicht haben beeindrucken lassen.

Danach allerdings habe ich die JF aus den Augen verloren. Insofern weiß ich heute nicht, wie ich sie einordnen soll.

 
At 9/07/2005 10:22:00 PM, Anonymous Anonym said...

ich finde es auf gut wienerisch eine chuzpe, prälat ratzinger instrumentalisieren zu wollen. das was er sagt, ist doch sine dubio klug und realistisch; dass er nicht in der lage ist, jedes einzelne medium vorher auf dessen hintergrund und hintergründige absichten zu durchschauen muss man ihm nachsehen;es gibt sicher bislang keinen kurs für papstbrüder

 
At 9/08/2005 09:02:00 PM, Anonymous Anonym said...

Also ich bin zwar kein Fan der JF, aber finde es abwegig, wie immer ein Getue daraus gemacht wird, wenn jemand ihr ein Interview gibt.

Natürlich muß man, wenn man der JF ein Interview gibt (und man sollte sich davor immer informieren wem), vor allem aufpassen, was man da sagt. Da sind schon einige dran gescheitert und andere (Hochhuth) haben sich genau an der richtigen Stelle entarnt.

Aber es gibt auch andere Interviewpartner, bei denen man sich in Hut nehmen muß. Friedman zum Beispeil.

Und es gibt auch andere Organe mit festgefügter (und nicht immer ganz verfassungstreuer) Ideologie - die kommen dann meist aus Hamburg.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home