Das Notizbuch ist umgezogen. Sie werden weitergeleitet…

Sie sollten automatisch weitergeleitet werden. Falls nicht, besuchen Sie bitte http://commentarium.de und aktualisieren Sie Ihre Lesezeichen.

Montag, März 28, 2005

Dementieren wir uns selbst?

Die Welt druckt einen Vortrag, den Robert Spaemann am 6. Dezember 2004 in der Hochschule für Philosophie in München hielt. Auszug:
"Aber etwas bleibt von Nietzsche: Der Kampf gegen den banalen Nihilismus der Spaßgesellschaft, das genaue und verzweifelte Bewußtsein davon, was es bedeutet, wenn Gott nicht ist. Und was theoretisch bleibt, ist die Einsicht in den inneren und untrennbaren Zusammenhang des Glaubens an die Existenz Gottes mit dem Gedanken der Wahrheit und der Wahrheitsfähigkeit des Menschen. Diese beiden Überzeugungen bedingen sich. Wenn einmal der Gedanke, im Absurden zu leben, aufgetaucht ist, ist die bloß erkenntnistheoretische reductio ad absurdum keine Widerlegung mehr. Wir können nicht mehr auf dem sicheren Grund der Wahrheitsfähigkeit des Menschen Beweise für die Existenz Gottes führen, denn dieser Grund ist nur sicher unter der Voraussetzung der Existenz Gottes. Wir können also nur noch beides zugleich haben. Wir wissen nicht, wer wir sind, ehe wir wissen, wer Gott ist, aber wir können nicht von Gott wissen, wenn wir die Spur Gottes nicht wahrnehmen wollen, die wir selber sind, wir als Personen, als endliche, aber freie und wahrheitsfähige Wesen. Die Spur Gottes in der Welt, von der wir heute ausgehen müssen, ist der Mensch, sind wir selbst.

Aber diese Spur hat die Eigentümlichkeit, daß sie mit ihrem Entdecker identisch ist, also nicht unabhängig von ihm existiert. Wenn wir, als Opfer des Szientismus, uns selbst nicht mehr glauben, wer und was wir sind, wenn wir uns überreden lassen, wir seien nur Maschinen zur Verbreitung unserer Gene, und wenn wir unsere Vernunft nur für ein evolutionäres Anpassungsprodukt halten, das mit Wahrheit nichts zu tun hat, und wenn uns alle Selbstwidersprüchlichkeit dieser Behauptung nicht schreckt, dann können wir nicht erwarten, irgend etwas könne uns von der Existenz Gottes überzeugen. Denn, wie gesagt, diese Spur Gottes, die wir selbst sind, existiert nicht, ohne daß wir es wollen, wenn auch - Gott sei Dank - Gott vollkommen unabhängig davon existiert, ob wir ihn erkennen, von ihm wissen oder ihm danken. Nur wir selbst sind es, die sich durchstreichen können."
Robert Spaemann: Der Gottesbeweis [via fonolog]

Technorati Tags: , , ,