Vorsicht
Der Freitag hat mit dem Tod des Papstes ein journalistisches Problem: seine Leser, zusammengesetzt aus der ehemaligen Leserschaft der DDR-Wochenzeitung Sonntag, der westlinken Volkszeitung und dem VVN-Blatt Tat. Kein Publikum, das den Heimgang des Heiligen Vaters zum Anlass frommer Betrachtungen nehmen möchte.
Aber kein Problem, das nicht lösbar wäre. Und so holt das Blatt den evangelischen Theologen und Publizisten Friedrich Schorlemmer zwecks "kritischer Würdigung" an Bord. Der Studienleiter an der Evangelischen Akademie Wittenberg müht sich dann nach Kräften, seine Faszination mit ein paar gängigen protestantischen Floskeln zu kaschieren:
"Die prinzipielle Höherbewertung dieses Pontifex widerspricht meinem christlichen Menschenbild, wonach alle Menschen gleich Gewürdigte sind - auch die allgemeinen Menschenrechte gehen davon aus. Da hinein passt dieser römische Triumphalismus und Klerikalismus nicht - auch nicht die posthumen Hochämter fast aller Medien. Dem Bischof von Rom werden allein im Vatikan neun Messen gelesen. Ich schaue ins Neue Testament und kann mich nur wundern."Schorlemmer macht dabei ("Wir erleben keine Weltkatastrophe") gar nicht einmal eine schlechte Figur. Letztlich kann er indes auch nichts daran ändern, dass die intellektuelle Kraft des Protestantismus offenbar zur Neige geht. So ruft er pflichtgemäß den gängigen Kanon der Papst-Kritik auf und ergänzt ihn um die evangelischen Standardpositionen seit Luther. Nicht viel Neues also unter der Wittenberger Sonne.
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