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Montag, Mai 09, 2005

Gottes CEO

Kirche und Unternehmensberater - zwei Welten treffen aufeinander. Die Betrachtungsweise von Frederick W. Gluck, der lange für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet hat und nun in der FTD die Kirche als globalen Konzern analysiert, mag ungewohnt sein und in manchen Punkten auch zynisch klingen - aber lässt sie sich völlig von der Hand weisen? Wohl kaum.
Kein modernes Unternehmen dieser Größe hätte ohne ein starkes Finanzmanagement auf allen Organisationsebenen eine Überlebenschance. Die Kirche könnte durch eine zentralisierte Beschaffung allein in den USA Milliarden Dollar einsparen. Für diesen Bereich ist aber niemand zuständig, deshalb fallen jedes Jahr unnötige Kosten in Milliardenhöhe an. Mit über einer Million Mitarbeiter hat die katholische Kirche in den USA einen Personalbestand, der mit dem von Wal Mart vergleichbar ist. Aber die wenigsten Mitarbeiter werden professionell geführt. Es fehlen zum Beispiel auf allen Ebenen effektive Systeme zur Leistungsmessung. Zudem müssen viele Mitarbeiter nicht wettbewerbsfähige Löhne akzeptieren.

Diese Versäumnisse sind teuer, in finanzieller wie personeller Hinsicht. Die Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, die Planung und Durchführung von Reformen ist extrem schwierig oder sogar völlig unmöglich.

Keine Organisation dieser Größe könnte heute überleben ohne ein effektives Personalwesen mit einem Personalchef an der Spitze, der für alle Bereiche von der Mitarbeiterschulung bis hin zur Karriereplanung und Vergütung verantwortlich ist. Diese Verantwortungsbereiche werden in der Regel auf verschiedene Ebenen aufgeteilt, wobei die Strategieentwicklung ganz oben und die Ausführung weiter unter angesiedelt ist.

Die Kirche muss ihre Strukturen und Prozesse für ihre täglichen Aktivitäten überdenken. In einem Unternehmen dieser Größe wäre normalerweise eine Vielzahl von Führungskräften für die Überwachung und Leitung der einzelnen Geschäftsbereiche verantwortlich.

Da die Kirche zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllen muss den Glauben vermitteln und ein Unternehmen managen -, wäre wohl eine parallel angelegte Struktur angemessen. Dieses Problem sollte eingehend analysiert und mit viel Umsicht gelöst werden. Dass die Kirche in allen Bereichen wesentlich effizienter und wirtschaftlicher werden muss, kann jedenfalls nicht mehr einfach ignoriert werden.
Gerade die Finanzkreise zahlreicher deutscher Bistümer ist vor allem ein Managementproblem. Jahrzehntelange Versäumnisse kulminierten in einigen Bistümern derart, dass eine Insolvenz nur mühsam vermieden werden konnte. Meine Diözese wird, trotz etlicher Notmaßnahmen in den vergangenen Jahren, Ende 2005 ihre Rücklagen nahezu aufgebraucht haben.

Unter dem Strich bleibt auch eine Institution wie die Kirche an die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit gebunden, nicht mehr Geld auszugeben als sie einnimmt. Oder anders formuliert: Wenn sie es nicht schafft, die nötigen Ressourcen für ihren Fortbestand zu beschaffen, wird sie nicht fortbestehen. Diese Aussage trifft natürlich zuerst die Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit die konkrete Sozialgestalt, aber kann durchaus auch ganze Bistümer in ihrem Bestand bedrohen. Das wäre historisch gesehen nun wirklich keine neue Entwicklung.