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Montag, Juni 20, 2005

Jungkonservativ

Matthias Matussek schreibt die ungehaltene Wahlkampfrede eines jungen Konservativen (im Spiegel 23/2005, 0,50 EUR):
Wir müssen nun aber in die Tiefenschichten hinunter und an die Fundamente heran und dort verschüttete Wahrheiten neu fördern.

Zum Beispiel die, dass Menschen nicht gleich sind. Sie waren es nie. Und da wir eine christliche Partei sind, will ich Ihnen von der Bibel sprechen. Die Bibel ist ein Dokument der Ungleichheit. Gott liebt die einen, die anderen nicht. Gerechtigkeit? Die wird fürs Jüngste Gericht versprochen, vorher ist sie nicht zu haben. Hören Sie nicht auf unsere Parteifreunde aus den Sozialausschüssen. Heiner Geißler hat die Bibel grotesk missverstanden.

Die Bibel ist eine einzige Streitschrift gegen den interventionistischen Staat. Ja, sie beginnt mit der Vertreibung aus dem Sozialstaat, dem Paradies. Die Menschen sind auf sich gestellt. Das Manna, das Gott später einmal vom Himmel regnen lässt, bleibt eine Ausnahme, und er bereut sie prompt.

Die Bibel schützt das Privateigentum ausdrücklich bereits in den Zehn Geboten. Doch auch das Neue Testament macht Frieden mit dem System. Jesus lobt den klugen Investor, der sein Geld vermehrt, und er schilt den Angstsparer, der es vergräbt. Steuern kommen im Neuen Testament nicht als Umverteilungsinstrument vor, sondern als lästige Pflicht (,Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist'). Ökonomisch also ist die Bibel purster Thatcherismus." Zwischenruf: "Lesen Sie doch mal die Bergpredigt!"

Der Konservative lächelt dünn: "Die Nächstenliebe, die Bergpredigt? Nun, werter Herr Geißler, Nächstenliebe heißt nicht, dass man in Talkshows herumsitzt und den politischen Gegner beschimpft oder den Vatikan, sondern dass man in einer Armenküche Kartoffeln schält. Jesus hat nicht nach dem Staat gerufen, sondern sich vor seinen Jüngern hingekniet und ihnen die Füße gewaschen.

Nachtrag: Mehr von Matussek, insbesondere aus dem demographischen, familien- und wertepolitischen Teil der Rede, bei Petra.