Ade Spätmoderne
Ursula März schaut in den Spiegel, und was sie sieht, erfreut sie nicht:
"Natürlich erschrickt die Gesellschaft regelmäßig beim Blick in den Spiegel. Aber sie erschrickt nicht über die tiefgreifende anthropologische Wesensveränderung, die sich in ihrer Erscheinung abzeichnet. Sondern über ihre pragmatische Zukunft. Sie rechnet sich aus, dass es irgendwann nur noch alte Leute geben wird oder gar irgendwann keine Deutschen mehr. Aber dieser Schrecken hat keine Rückwirkung auf die gegenwärtige Mentalität. Wie sollte er auch. Eine anthropologische Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen. Und exakt um eine solche handelt es sich.
Wenn ein Viertel aller jungen Männer im Jahr 2005 keinen Fortpflanzungsimpuls, keine Fortpflanzungsnotwendigkeit verspürt, ist die panikartige Einrichtung von Ganztagsschulen, die Erhöhung von Kindergeld und was sonst noch denkbar wäre an politischen Strategien, zwar schön und gut und ehrenwert. Aber es sind Maßnahmen zur Behebung des Symptoms, die dessen Ursache nicht berühren.
Diese indes ist alles andere als geheimnisvoll. Es ist eigentlich ganz einfach zu sagen: Die westliche Kultur der Spätmoderne privilegiert Normen und Wünsche, den Wunsch nach Bewegungsfreiheit, nach Erlebnisfreiheit, nach Ungebundenheit, nach privater Unstrukturiertheit, die den Wunsch nach Kindern automatisch zurückdrängen. Machen wir uns nichts vor: Als Zukunftsphänomen finden wir die Kinderlosigkeit etwas erschreckend, aber in der Gegenwart ein Leben ohne Kinder irgendwie längst völlig normal." [via Perlentaucher]
Fehlt nur noch die Schlussfolgerung, vor der die Autorin mit Rücksicht auf das Blatt, in dem sie schreibt, zurückschrecken muss: Die westliche Kultur der Spätmoderne wird nicht überleben. Ganz einfach. Spannend ist nur die Frage: What's next?
1 Comments:
Das ist eine gute Frage. Meiner Meinung nach ist die Spätmoderne längst der Postmoderne gewichen. Wikipedia hat einen interessanten Beitrag dazu (Postmoderne). Und das Kafkaeske des heutigen Lebens dürfte jedem bekannt sein...
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