Rücknahme ins Subjektive
Das Kirchenbewusstsein ist aber auch bei Katholiken relativiert. Sie können weithin nicht mehr annehmen, dass die katholische Kirche ihnen wirklich die Bürgschaft der Wahrheit ist. Und vor allen Dingen ist die Sicht des Sakraments auf beiden Seiten sehr unscharf geworden. Mit der Leuenburger Konkordie haben die Protestanten erst vor dreißig Jahren mühsam eine Kommuniongemeinschaft gefunden, wobei die Lutheraner ihren Glauben an die Realpräsenz ins zweite Glied zurückstellen mussten. Das ist schon ein bedeutsamer Vorgang, dass man etwas, was bisher grundlegend war, ins Subjektive zurücknimmt und damit sowohl den eigenen Glauben wie die äußere Gestalt relativiert. Da ist sowohl auf der protestantischen als auch der katholischen Seite eine Grundbesinnung darüber nötig, was das Sakrament ist, wie es recht gefeiert wird, was die Bedingungen dafür sind und wie Einheit eine wirkliche Einheit und nicht eine Reduktion sein kann, die das Sakrament dann selber herabstuft.
Joseph Ratzinger (2003) im Interview mit der Tagespost
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