Thomas Meinecke
Kennen Sie im heutigen Deutschland Konservative, die Sie überzeugen?
Ich bin ja ein Anhänger des jetzt zum Papst gewählten Kardinal Ratzinger. Was er konservieren möchte, sind Dogmen, aber Dogmen sind nicht per se konservativ. Auch die Linke kennt Dogmen! Mich hat dagegen das Undogmatische immer gereizt. Es kommt also darauf an, was konserviert werden soll. Mir scheint, der Begriff befindet sich gerade in Auflösung. Die einen meinen damit so ein schwarz-grünes Gemenge aus Erhalten von Natur und Werten, und andere meinen damit wirklich etwas Reaktionäres, also auch einen Schritt hin zu zynischen Politikstrategien. Ich kann den Begriff gar nicht genau fassen, ehrlich gesagt.
Passt die Kategorie des Konservativen denn zu Ratzinger, oder spielt sich Ihre Bewunderung jenseits dessen ab?
Ich nehme zur Kenntnis, dass er als konservativ bezeichnet wird. Ich weiß aber nicht, ob es konservativ ist, wenn die katholische Kirche im Beharren auf bestimmte Rituale sich weigert, eine 'sozialdemokratische' Öffnung einzuleiten. Die Religion ist ein ganz anderes Geschäft, da greift der Gegensatz von konservativ und progressiv nicht. Ich bin jedenfalls keiner, der sagt, die Kirche müsse sich politisch engagieren. Denn dann müsste sie natürlich progressiv sein. Das Faszinosum hat eher mit dem 'Popistischen' des Katholizismus zu tun, dem Opulenten, was man auch mit Namen wie Madonna oder Martin Scorcese in Verbindung bringen kann. Wenn man aber wirklich in die Theologie einsteigt - Transsubstantiationslehre, Unbefleckte Empfängnis, der Marienkult, das Weibliche in der Eucharistie -, dann kommt man sogar zu einer interessanten Verbindung von fortschrittlicher Theorie (was für mich immer 'feministische' Theorie bedeutet) und mittelalterlichen, zeichentheoretischen Überlegungen, die in den Klöstern geleistet wurden. Die Kirche bedeutet für mich eine intellektuelle Fasziniation.
Sie stehen demnach außen und bewundern das barocke Theater der Kirche?
Das Sakrament der Ehe habe ich jedenfalls noch nicht geschändet! (lacht) Sagen wir mal so: Ich gehe nicht am Sonntag in die Kirche, aber ich finde es ganz schön, dass ich hineingehen könnte. Nachdem mir gesagt wurde, ich müsse nicht mehr ständig beichten, lasse ich mir gelegentlich sogar wieder die Hostie verabreichen.
Aus der Reihe "Sind Sie konservativ?" der Frankfurter Rundschau
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