Abrechnung
Daniel Deckers geht heute im Leitartikel der FAZ mit der aktuellen liturgischen Musik im Allgemeinen und deren Manifestation auf dem Weltjugendtag im Besonderen hart ins Gericht:
"Sogenannte neue geistliche Lieder und Verballhornungen der Taize-Gesänge verhinderten bei der abendlichen Vigil, daß durch die Musik eine konzentriert-meditative Atmosphäre entstand. Am Sonntag wurden die für gemeinsamen Gesang geeigneten Bestandteile der Messe einer von Chor und Orchester inszenierten 'Missa' vorbehalten, was einer liturgischen Entmündigung der in die Million gehenden Zahl der Pilger gleichkam.Pflichtlektüre!
Obwohl diese Tendenz der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entgegenläuft, unterscheidet sich das musikalische Geschehen auf dem Weltjugendtag keineswegs von der musikalischen Bilderstürmerei in anderen Gottesdiensten, seien es Eröffnungs- und Schlußgottesdienste auf Katholikentagen oder Erstkommunions- und Firmungsgottesdienste in den Pfarreien. Religiöse Schlager, Versatzstücke aus Musicals und Lieder, die in Anlehnung an den Pop der siebziger und achtziger Jahre entstanden sind, drängen das Repertoire des klassischen Gemeindegesangs von der Gregorianik bis zum Kirchenlied der Romantik zurück. Vor allem die 'neuen geistlichen Lieder' werden gegen eine angeblich musikalisch antiquierte und theologisch unverständliche Tradition in Stellung gebracht. Mit Texten, die sich an die Alltagssprache lehnen, gelten sie als Beweis kirchlicher Inkulturation und mit ihrer angeblich zeitgenössischen Tonsprache als Zeichen, daß sich Religion und Moderne nicht ausschließen.
Kritiker dieser Entwicklung haben gegen die gut organisierte Lobby dieser Lieder einen schweren Stand - gleich ob sie wie Benedikt XVI. den 'Geist der Liturgie' beschwören, als Theologen auf zum Teil absonderliche, mitunter jeder christlichen Prägung beraubte Gottesbilder hinweisen, als Sprachwissenschaftler von der Banalität der Texte abgestoßen sind, als Musikwissenschaftler die Trivialität vieler Kompositionen beklagen oder als einfache Gläubige miterleben, wie Gottesdienste zu Events umfunktioniert werden, in denen eine Masse sich selbst feiert."
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