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Donnerstag, August 11, 2005

Klima

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung schlägt vor, jetzt gezielt bei kinderlosen Frauen zwischen 35 und 45 Jahren für die Erfüllung von Kinderwünschen zu werben. Der Grund: Es handelt sich um die letzte Kohorte geburtenstarker Jahrgänge - ab 1970 ging die Zahl der Geburten drastisch zurück. Im FAZ-Feuilleton merkt Christian Schwägerl dazu an:
"Es hat in den vergangenen Jahren leider vieler solcher kalter Zahlen und Graphiken bedurft, um das Empfinden für einen kritischen Punkt des Ausbleibens von Kindern und der kollektiven Alterung in der politischen wie in der ökonomischen Führungsschicht zu wecken und in die Bevölkerung zu tragen. Auf den Straßen und Plätzen, ja selbst in den Schulen ist das offenbar sehr lange niemandem aufgefallen. Die Wissenschaft wurde zum Ersatz für einen Reflex, der eigentlich im Mitmenschlichen daheim sein sollte, der aber weitgehend ausgeblieben ist, weil es offenkundig Wichtigeres gab als die Frage, wo eigentlich die Kinder sind." [FAZ]
Da hat offensichtlich ein Prozess der Analyse und des Nachdenkens eingesetzt, der unter die Oberfläche schaut.
"Was Deutschland nämlich von vielen anderen Staaten unterscheidet, ist nicht so sehr der Rückgang der Geburtenzahlen als der Rückgang des Kinderwunsches, von tendenziell zwei auf tendenziell nur ein Kind. Abstrakte Kinderwünsche bestehen eher unabhängig von der Frage, ob die Öffnungszeiten des Kindergartens zu knapp bemessen sind. Auf dieser Wunschebene entscheiden ganz andere Faktoren.

Zumindest möglich erscheint es zum Beispiel, daß neben der normativen Sozialisierung der neuen Elterngeneration in einer kinderärmeren Gesellschaft auch der gesamtgesellschaftliche Pessimismus in Deutschland, die kollektive Depression, das Jammern und endzeitliche Reden vom Niedergang, ja pikanterweise auch der Alarm in demographischen Fragen zu einem düsteren Klima beitragen, das vitale Wünsche drosselt. Wer das Gefühl vermittelt bekommt, mit Kindern nur Bedienstete der nächsten Rentnergeneration in die Welt zu setzen, mit denen er einsame Stunden auf verwaisten Spielplätzen zu verbringen haben wird, den mag das eher abschrecken als der Verzicht auf Restaurantbesuche, durch den die Windeln finanziert werden müssen. Gerade die Zielgruppe der in den sechziger Jahren Geborenen war in ihrer Jugend Weltuntergangsszenarien grün gepolter Lehrer ausgesetzt. Damals hieß es, man dürfe in diese Welt keine Kinder setzen. Heute heißt es, man solle Kinder bekommen, weil die demographisch-ökonomische Lage so düster sei. Ob das überzeugender ist?"
Lesenswert. Im Gegensatz dazu beleuchtet Susanne Gaschke in der Zeit wieder einmal die nicht nur, aber auch selbstgestellten Fallen der heutigen Akademikerinnengeneration mit allen fatalen Konsequenzen.