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Donnerstag, März 31, 2005

Theresa Schiavo ist tot

Requiescat in pacem.

Quelle: Spiegel Online

Krankheit als Schauspiel

Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier im Feuilleton der FAZ über das öffentliche Leiden des Papstes:
"Nie hat man einen Mächtigen, einen Herrscher so klein, so niedrig, so hilflos, so krank, so erbarmungswürdig gesehen. Vor aller Augen. Aber auch noch nie so sich aufbäumend in seiner Kleinheit, so groß in seiner Ohnmacht, so beredt in seiner Stummheit."
Das Christentum hat, wie der Perlentaucher berichtet, auch Einfluss auf seine Berufsauffassung:
"Wer daran glaubt, wird zum Beispiel Regisseure, die Gott spielen, aber an Menschenkindern nicht interessiert sind, nicht ganz für voll nehmen."

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Donnerstag der Osteroktav

Er sagte zu ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen,
und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.
Ihr seid Zeugen dafür.
Lk 24,46-48

Emmaus

Der Deutschlandfunk berichtet in der heutigen Ausgabe von Europa heute über die Communauté de Forbach in Lothringen, die zur internationalen Emmaus-Organisation gehört. Die Gemeinschaft versetzt dort obdachlose Männer in die Lage, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen: Sie gibt ihnen Arbeit, Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld - und damit ihre Selbstachtung zurück.

Der Gründer von Emmaus ist der französische Priester Abbé Pierre.

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Mittwoch, März 30, 2005

Mystizismus versus natürliche Metaphysik?

Das Kapitalismus-Magazin referiert einen Artikel von John Podhoretz, den der Autor wohl nicht ganz treffend als Mystiker bezeichnet, zum philosophischen Hintergrund des Streits um Theresa Schiavo:
"Die Rationalisten sagen, dass sie nicht leiden wird durch das langsame Aushungern, weil sie nichts mehr fühle. Diejenigen, die an die Seele glauben, sagen, dass es keinen Weg gibt, dies herauszufinden, dass die Wissenschaft Grenzen habe und dass sie ihre Grenzen erreicht, wenn sie versucht, zu definieren, was es bedeutet, menschlich zu sein."
Er zieht dann folgenden Schluss:
"Tatsächlich stehen sich diese beiden Positionen auch unversöhnlich gegenüber, denn zwischen der mystischen Sicht einer von Gott gegebenen Menschen Seele, die die Essenz eines Menschen bildet, und der säkularen Auffassung von der Bindung der menschliche Personalität an die einzigartige Form des menschlichen Bewußtseins, die durch Denken, Kreativität und Konzeptionalität geprägt wird, gibt es keine Gemeinsamkeit. Die Person Terri Schiavo hat aufgehört zu existieren, als sich ihr zerebraler Kortex aufgelöst hat."
Den hier aufgebauten Gegensatz halte ich für intellektuell unredlich, weil er eine Zwangsläufigkeit des Urteils unterstellt, die es nicht gibt (als Beispiel siehe dazu heute Gesa Lindemann in der Frankfurter Rundschau, die in diesem Schema wohl als Rationalistin gelten müsste, aber zu völlig anderen Schlüssen kommt). Und der Schluss zeigt die zynischen und an Menschenverachtung grenzenden Konsequenzen dieser Art des Denkens. Zugleich auch ein Verrat an der Idee der Menschenrechte, denn die war immer inklusiv und nicht selektiv.

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Ich bin bei euch alle Tage...

Ich glaube (an) die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Und daran, dass sie bis zum Ende der Welt Bestand hat, weil der Herr dies zugesagt hat (Mt 28,20). Allerdings bedeutet diese Zusage nicht, dass jede konkrete Sozialgestalt von Kirche jetzt und alle Zeit bestehen muss. Im Gegenteil: Es kann sein und ist in der Kirchengeschichte auch schon häufig geschehen, dass einzelne Gemeinden und ganze Ortskirchen von der Bildfläche verschwinden. Jeder Weihbischof ist Titularbischof einer untergegangenen Diözese und gemahnt insofern an die Vergänglichkeit.

Daraus ergibt sich sogar ein hartes Falsifikationskriterium für die Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität einer Ortskirche: Wenn sie verschwindet, war sie jedenfalls nicht einig, heilig, katholisch und apostolisch. Mindestens einer der vier kritischen Faktoren muss gefehlt haben. Und weiter: Dieses Kriterium kann ich auch auf die gesamte Kirche anwenden. Mein Glaube wäre falsifiziert, falls die Kirche zu bestehen aufhörte.

Einem strengen Popperianer wird das vermutlich nicht genügen. Mir jedoch verschafft dieser Gedanke eine gewisse Gelassenheit beim Blick auf die konkreten, weithin beklagenswerten Zustände in Gemeinden und Bistümern. Von ihrer Fortexistenz in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jedenfalls hängt nicht das Heil der Welt ab.

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Feuerfuchs

Get Firefox!
Der Button unten rechts hat durchaus seinen tieferen Sinn. Ich bin kürzlich auf Firefox umgestiegen und kann nur sagen: Das lohnt sich! Schick, schnell, sicher, leicht anzupassen...

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Klare Worte

Gesa Lindemann in der Frankfurter Rundschau:
Der Gedanke, dass eine Patientin, sei sie auch schwerstkrank, verdurstet oder verhungert, ist unerträglich. Diese Konsequenz resultiert aus dem tiefen Respekt vor dem Recht auf individuelle Selbstbestimmung. [via Perlentaucher]

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Mittwoch der Osteroktav

Kommt her, ihr, die ihr von meinem Vater gesegnet seid,
nehmt das Reich in Besitz,
das seit Anfang der Welt für euch bestimmt ist. Halleluja.
Eröffnungsvers der Messe (Schott)

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Dienstag, März 29, 2005

Protestantismus

Gesehen mit den Augen eines in die katholische Kirche aufgenommenen früheren Anglikaners:
"Protestantism to me has always seemed sentimental and silly. It took me years to not see Jesus as some sentimental hippy with flowers and bunnies all around him because of Protestant influences." (Pontificator: When my son became Catholic)
Nun, ich würde - schon mit Rücksicht auf meine Frau, die der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers angehört - diese Formulierung anders wählen. Aber ist sie so ganz falsch?

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Der öffentliche Kranke

Die italienische Zeitung La Repubblica schreibt:
"Es ist banal, es stets wiederholen zu müssen, aber in der gegenwärtigen Gesellschaft wird Krankheit versteckt, verkleinert und durch ihre Unsichtbarkeit gleichsam relativiert. Der Papst hingegen führt die Krankheit öffentlich vor, als handele es sich um einen wesentlichen Bestandteil seiner kirchlichen Mission und seiner ganz persönlichen Existenz."
[via Deutschlandfunk/Presseschau]

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Dienstag der Osteroktav

23 Ihr seid neu geboren worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt.
24 Denn alles Sterbliche ist wie Gras / und all seine Schönheit ist wie die Blume im Gras. Das Gras verdorrt und die Blume verwelkt; /
25 doch das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. Dieses Wort ist das Evangelium, das euch verkündet worden ist.
1 Petr 1,23-25

Montag, März 28, 2005

Dementieren wir uns selbst?

Die Welt druckt einen Vortrag, den Robert Spaemann am 6. Dezember 2004 in der Hochschule für Philosophie in München hielt. Auszug:
"Aber etwas bleibt von Nietzsche: Der Kampf gegen den banalen Nihilismus der Spaßgesellschaft, das genaue und verzweifelte Bewußtsein davon, was es bedeutet, wenn Gott nicht ist. Und was theoretisch bleibt, ist die Einsicht in den inneren und untrennbaren Zusammenhang des Glaubens an die Existenz Gottes mit dem Gedanken der Wahrheit und der Wahrheitsfähigkeit des Menschen. Diese beiden Überzeugungen bedingen sich. Wenn einmal der Gedanke, im Absurden zu leben, aufgetaucht ist, ist die bloß erkenntnistheoretische reductio ad absurdum keine Widerlegung mehr. Wir können nicht mehr auf dem sicheren Grund der Wahrheitsfähigkeit des Menschen Beweise für die Existenz Gottes führen, denn dieser Grund ist nur sicher unter der Voraussetzung der Existenz Gottes. Wir können also nur noch beides zugleich haben. Wir wissen nicht, wer wir sind, ehe wir wissen, wer Gott ist, aber wir können nicht von Gott wissen, wenn wir die Spur Gottes nicht wahrnehmen wollen, die wir selber sind, wir als Personen, als endliche, aber freie und wahrheitsfähige Wesen. Die Spur Gottes in der Welt, von der wir heute ausgehen müssen, ist der Mensch, sind wir selbst.

Aber diese Spur hat die Eigentümlichkeit, daß sie mit ihrem Entdecker identisch ist, also nicht unabhängig von ihm existiert. Wenn wir, als Opfer des Szientismus, uns selbst nicht mehr glauben, wer und was wir sind, wenn wir uns überreden lassen, wir seien nur Maschinen zur Verbreitung unserer Gene, und wenn wir unsere Vernunft nur für ein evolutionäres Anpassungsprodukt halten, das mit Wahrheit nichts zu tun hat, und wenn uns alle Selbstwidersprüchlichkeit dieser Behauptung nicht schreckt, dann können wir nicht erwarten, irgend etwas könne uns von der Existenz Gottes überzeugen. Denn, wie gesagt, diese Spur Gottes, die wir selbst sind, existiert nicht, ohne daß wir es wollen, wenn auch - Gott sei Dank - Gott vollkommen unabhängig davon existiert, ob wir ihn erkennen, von ihm wissen oder ihm danken. Nur wir selbst sind es, die sich durchstreichen können."
Robert Spaemann: Der Gottesbeweis [via fonolog]

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Emmaus


Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten.
Lk 24,16

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Sonntag, März 27, 2005

Auferstehung

Et resurrexit tertia die secundum Scripturas.








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Samstag, März 26, 2005

Karsamstag

1 Herr, denk daran, was uns geschehen, / blick her und sieh unsre Schmach!
2 An Ausländer fiel unser Erbe, / unsre Häuser kamen an Fremde.
3 Wir wurden Waisen, Kinder ohne Vater, / unsere Mütter wurden Witwen.
4 Unser Wasser trinken wir für Geld, / unser Holz müssen wir bezahlen.
5 Wir werden getrieben, das Joch auf dem Nacken, / wir sind müde, man versagt uns die Ruhe.
6 Nach Ägypten streckten wir die Hand, / nach Assur, um uns mit Brot zu sättigen.
7 Unsere Väter haben gesündigt; sie sind nicht mehr. / Wir müssen ihre Sünden tragen.
8 Sklaven herrschen über uns, / niemand entreißt uns ihren Händen.
9 Unter Lebensgefahr holen wir unser Brot, / bedroht vom Schwert der Wüste.
10 Unsere Haut glüht wie ein Ofen / von den Gluten des Hungers.
11 Frauen hat man in Zion geschändet, / Jungfrauen in den Städten von Juda.
12 Fürsten wurden von Feindeshand gehängt, / den Ältesten nahm man die Ehre.
13 Junge Männer mussten die Handmühlen schleppen, unter der Holzlast brachen Knaben zusammen.
14 Die Alten blieben fern vom Tor, / die Jungen vom Saitenspiel.
15 Dahin ist unseres Herzens Freude, / in Trauer gewandelt unser Reigen.
16 Die Krone ist uns vom Haupt gefallen. / Weh uns, wir haben gesündigt.
17 Darum ist krank unser Herz, / darum sind trüb unsere Augen
18 über den Zionsberg, der verwüstet liegt; / Füchse laufen dort umher.
19 Du aber, Herr, bleibst ewig, / dein Thron von Geschlecht zu Geschlecht.
20 Warum willst du uns für immer vergessen, / uns verlassen fürs ganze Leben?
21 Kehre uns, Herr, dir zu, / dann können wir uns zu dir bekehren. / Erneuere unsere Tage, damit sie werden wie früher.
22 Oder hast du uns denn ganz verworfen, / zürnst du uns über alle Maßen?
Klagelieder 5,1-22

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Freitag, März 25, 2005

"Der Bus" am Hamburger Thalia Theater

Durch die Gründonnerstagspredigt bin ich auf dieses Stück aufmerksam geworden, das am 29. Januar uraufgeführt wurde. Der Spiegel (hier die Rezension) fand vor allem Hauptdarstellerin Fritzi Haberlandt gut. Die nächsten Aufführungstermine: 14., 16. und 17. April. Außerdem eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen.

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Crucifixus etiam pro nobis sub Pontio Pilato; passus et sepultus est.

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Donnerstag, März 24, 2005

Irgendwo hier in der Nähe läuten die Glocken. Also auf zur Messe - auch wenn die erst in knapp zwei Stunden beginnt, aber ich muss weit fahren und vorher noch den Antwortpsalm üben...

Hat Leid einen Sinn?

Sinn ist eine knappe Ressource. Das meiste von dem, was Menschen heute tun und sagen, steht latent unter dem Verdacht der Sinnlosigkeit. Dies gilt schon für positiv besetzte Dinge, aber erst recht für die allermeisten Formen von Leid. Wer leidet, der leidet oft noch zusätzlich darunter, dass er sein Leid als sinnlos erachtet.

Oder er verwirft resignierend die Sinnfrage selbst als sinnlos. Ist das geschehen, so sind indes die Weichen gestellt, um in der Folge mit Hilfe der Theodizee-Frage ("Warum lässt Gott der Allmächtige sinnloses Leid zu?") auch die Frage nach Gott abschlägig zu beantworten. Die Logik schnurrt wie an einer Kette ab, der Preis jedoch ist hoch: Man muss sich dann mit einem Leben in Sinnlosigkeit einrichten (oder Sinn-Surrogate verwenden - das Angebot ist groß).

Nun reflektiert Heike Schmoll in der heutigen FAZ dieses uralte Thema von neuem. Interessant ist ihre Interpretation des Schreis Jesu am Kreuz: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk 15, 34, ein Zitat aus Psalm 22)
"Trotz aller unheilvollen Verherrlichung des Leidens, die es in der Geschichte des Christentums auch gegeben hat, steckt in Jesu Schrei die christliche Antwort auf die Theodizeefrage. Denn hier ist Gott nicht mehr der Angeklagte der skeptischen Fragen, sondern die Antwort liegt in dieser Frage selbst.

Gott verwickelt sich selbst in die Leidensgeschichte der Menschen, er ist ihnen im größten Ausgeliefertsein besonders nah, weil er selbst leidet. Aus dem Leiden der Menschen wird das konkrete Leiden Gottes. Im Vergleich zu philosophischen Gottesvorstellungen der Antike spiegelt sich darin ein völlig neues Gottesverständnis: Die christliche Religion kündet von einer Weltzuwendung Gottes, wie sie zuvor radikaler nicht gedacht worden war.

Jesus stirbt für die Welt. Gott gibt seinen Sohn dahin. In dieser Selbsthingabe wendet sich Gott der Welt mit all ihren Unzulänglichkeiten und ihrem Leiden zu. Deshalb ist das Leiden Christi gegen Georg Büchner der Fels des christlichen Glaubens. Seither ist es unmöglich geworden, die Frage nach Gott zu stellen und gleichzeitig von seiner Hinwendung zur Welt abzusehen. Der christliche Gott ist kein abstraktes Gegenüber, kein ferner Weltenlenker, sondern ein weltzugewandter Gott. Dafür steht das Kreuz Jesu."


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Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen?
Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen.
Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir.
Joh 13, 6-8

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Mittwoch, März 23, 2005

Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus.
In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben.
Durch ihn sind wir erlöst und befreit.
Eröffnungsvers der Messe vom letzten Abendmahl (Schott)

Dogmatischer Relativismus

Thomas Assheuer blickt im heutigen Leitartikel der Zeit mit einer gewissen Verachtung auf zeitgenösssische "Wohlfühl-Mystiker", die sich "im esoterischen Dunst zwischen Sakrileg und Harry Potter" angesiedelt haben:
Fassungslos stehen sie vor dem Gebäude aus Glaubenssätzen und Lehrmeinungen. Über nichts empört sich ihr dogmatischer Relativismus mehr als über Dogmen.
Die gibt es auch und gerade innerhalb der Kirche, möchte man hinzufügen.
In der Tat handelt es sich bei katholischen Glaubenssätzen nicht um ein locker geknüpftes Gewebe aus Meinungen und Befunden. Sie sind nicht nach den Moden der geistigen Saison gestrickt, sonst wären sie längst von der Weltbühne verschwunden. Weil sie einer inneren Logik folgen, kann man sich nicht nach Belieben das Passende aussuchen, und für Gläubige ist das häufiger Grund für Gewissensnot oder Heuchelei. Sie können den Papst nicht für seinen Kampf gegen die Abtreibung rühmen – und gleichzeitig verschweigen, dass er den Kapitalismus anprangert, in Lateinamerika eine radikale Landreform fordert und gegen Menschenzüchtung, Euthanasie und Todesstrafe die Stimme erhebt.

Die Gründungswahrheit, auf der die Haltung des Papstes beruht und die noch seine Ablehnung des Irak-Kriegs durchzog, ist über zweitausend Jahre alt und hat jüdische Wurzeln. Es ist der Glaube an die Heiligkeit der Schöpfung. Das Leben der Person steht über aller Politik – und selbst über der Religion.
Ansonsten bleibt Assheuer über weite Strecken in gängigen, wohlfeilen Topoi der zeitgenössischen Kirchenkritik stecken. Das Stück wirkt etwas gestückelt, wie eine Art überdimensionierter Teaser für die weiteren Artikel mit religiösem Bezug (wie das vorzügliche Interview mit René Girard) in dieser vorösterlichen Ausgabe der Wochenzeitung.

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Monotheistische Religion als Sündenbock

Man könnte meinen, der Religionsphilosoph René Girard habe mykath.de gelesen... Jedenfalls widerlegt er (im Interview mit der Zeit) gleich eine ganze Reihe dort verwendeter Standardargumente gegen Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen. So grenzt er zunächst das Christentum gegen archaische Religionen ab:
Nach Christus können wir unschuldige Opfer nicht mehr töten wie zu Zeiten der archaischen Religion, jedenfalls einige von uns können das nicht. Ich würde sogar sagen: Der gesamte Geist unserer religiösen Kultur opponiert gegen das gewaltsame Opfer und eine vermeintlich heilige Gewalt. Wir suchen uns zwar immer noch Sündenböcke, aber wir missbilligen diese Praxis zutiefst. Dagegen beruhen archaische Religionen fundamental auf dem System des Sündenbocks – der Opferung Unschuldiger.
Islamische und andere Fundamentalisten interpretieren hingegen Girard zufolge ihre Religion (ob das richtig oder falsch ist, sei dahingestellt) als archaische Opferreligion und fallen damit hinter die Standards zurück, die das Christentum gesetzt hatte und die auch schon im alttestamentarischen Monotheismus angelegt waren. Girad:
Die biblische Tradition zeigt immer wieder Menschen, die denken, sie seien tugendhaft, aber in Wahrheit töten sie Unschuldige. Die Bibel, und diese Stellen empfinden wir ja immer noch als großartig, hat von Anfang an das Blutopfer sabotiert.
Die Bibel delegitimiert Gewalt - und das gilt gerade für von Christen und der Kirche ausgeübte Gewalt.
Die Gewalt, die wir ausüben, ist unsere Gewalt. Und von nichts anderem spricht das Christentum. Es entlastet uns nicht. Es spricht über die Ursünde der Gewalt und unsere gegenwärtigen Sünden. Natürlich scheitern wir immer wieder an der Gewalt, aber deshalb brauchen wir das Christentum ja. Das Christentum ist ein unvermeidliches Wagnis und ersetzt den Sündenbock der archaischen Religion. Es ist ein Ersatz des Ersatzes. [...] Wenn das Christentum über eschatologische Dinge spricht, dann spricht es nicht über die Zerstörung der Welt durch Gott. Es spricht über die Zerstörung der Welt durch die Menschen selbst. Die Fundamentalisten haben für diesen gravierenden Unterschied keinen Sinn. Hinter ihren religiösen Begriffen denken sie immer noch in archaischen Kategorien.
Trotzdem wird der Monotheismus gern für die moderne Gewalt verantwortlich gemacht, während das Heidentum angeblich tolerant und friedfertig (gewesen) sein soll. Girard dazu:
Das Lob des Heidentums zeigt eigentlich nur, dass sich die Menschen dem Evangelium nicht aussetzen wollen oder ihm nicht gewachsen sind. Denn in gewisser Weise ist das Christentum eine extrem komplexe Religion. Auf den ersten Blick scheint es sich gar nicht so sehr von dem zu unterscheiden, was vorher war. Das Christentum kann als Opferreligion gelesen werden, und das war im Mittelalter durchaus der Fall. Inzwischen lesen wir das Christentum aber anders. Wir verstehen immer besser, dass es vor allem eines fordert – nämlich Frieden. [...] Derjenige, der uns die eigene Gewalt vor Augen führt und enthüllt, sitzt plötzlich auf der Anklagebank. Unsere eigene Gewalt wehrt sich heftig gegen eine Religion, die es uns verbietet, Gewalt einzusetzen. Deshalb ist das Christentum der perfekte Sündenbock, und es hat sich ja selbst so bezeichnet. Auch Jesus war ein freiwilliger Sündenbock. Er hat uns eine Religion hinterlassen, die den Gewalt- und Opfermechanismus in unserem Zusammenleben bloßgelegt hat. Deshalb provoziert er die Menschen, die christliche Religion auf alle mögliche Art und Weise zu leugnen und zu Grabe zu tragen. Doch damit ruft man den Gott der Gewalt ein zweites Mal an, und das wäre dann wirklich der Weg in ein neues Heidentum. Aber vielleicht liegt darin auch eine tiefe Ironie. Denn wenn sich alle Welt gegen die Religion verbündet, dann wird die Menschheit vielleicht friedlich. Das wäre sozusagen der Gipfel der Humanität. Wir erfüllen die Botschaft des Christentums, indem wir es nach Kräften verleugnen.
Insbesondere unter europäischen Intellektuellen gehört die Kritik des Monotheismus heute offenbar zum guten Ton - auch gegen die Faktenlage.
Mir scheint, wir sind heute dabei, alle Übel dieser Welt den biblischen Religionen aufzubürden, und das tun wir ziemlich gut. Anstatt das Faktum anzuerkennen, dass Religion in erster Linie von der menschlichen Gewalt handelt, machen wir sie zum Sündenbock. So entlasten wir uns selbst. Wir vermeiden damit, der Wahrheit ins Auge blicken zu müssen – nämlich unserem eigenen Verhältnis zur Gewalt. Wenn das Christentum an allem schuld ist, dann müssen wir uns unsere heimliche Komplizenschaft mit der Gewalt nicht mehr eingestehen.
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Noch mehr Blogs

Ich gebe es zu: Englischsprachige katholische Blogs (und deren Verwandte) lese ich seltener. Und in der rechten Seitenspalte ist dafür auch kein Platz mehr - auch wenn ich gerade etwas Platz geschaffen und tote Blogs gelöscht habe. Aber hier gibt es Platz genug. Also bitte:



Diese Liste ist dynamisch. Mein Favorit ist übrigens (noch?) nicht katholisch: Pontifications.

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Dienstag, März 22, 2005

Worüber ich in letzter Zeit schreiben wollte

Und woraus dann doch (noch?) nichts wurde.
  1. Populäre Irrtümer: Die Kirche als moralische Anstalt
  2. Die Katholizität der 68er
  3. Kann eine Ethik anders als top-down konstruiert werden?
  4. Die Bindestrich-Macke
  5. als Form der intelligenten Selbstbeschränkung

Naturalismus vs. Supranaturalismus

...ist zunächst einmal eines: eine falsche Gegenüberstellung. Da ahnt man nichts Böses, und prompt belehrt schon ein Blick in die Wikipedia, dass
  1. gleich eine ganze Reihe von Varianten des Naturalismus existieren, die zum Teil nur wenig gemeinsam haben, und
  2. es auch den einen Supranaturalismus gar nicht gibt.
Man macht es sich also erheblich zu einfach, wenn man dem falschen Gegensatzpaar Naturalismus/Supranaturalismus ganz platt / zuordnet. (So zum Beispiel Volker Dittmar.) Jetzt wäre nur noch herauszufinden, welcher Spielart des Naturalismus die sog. Brights zuzuordnen sind.

Den Frieden mit Gewalt verhindern

Allen neuen und neuesten Medien zum Trotz ist das Radio (bei dem ich übrigens 1992 meine ersten beruflichen Schritte tat) nach wie vor ein faszinierendes Medium. Jüngstes Beispiel: Das heutige Feature im Deutschlandfunk. Stilistisch eigentlich völlig konventionell und trotzdem (oder gerade deswegen?) von höchster Eindringlichkeit. Friedrich Schütze-Quest, der Autor, berichtete über weite Strecken schlicht und lakonisch vom Alltag in zwischen Intifada, Terror, Besatzung und einer ultra-orthodoxen Minderheit der Siedler. Den Frieden mit Gewalt verhindern... Vielleicht wird das Feature ja mal wiederholt.

Der Mensch in Pracht, doch ohne Einsicht,
er gleicht dem Vieh, das verstummt.

Reform ist ein theologischer Begriff

Diese Erkenntnis verschaffte mir am vergangenen Donnerstag, dem Tag des "Reform-Gipfels", der Deutschlandfunk. Der Begriff leitet sich ab aus lat. reformatio (Erneuerung) und bedeutete inhaltlich praktisch das Gegenteil dessen, was er heute sagen soll: nämlich Wiederherstellung (vgl. auch Reformation).

Ist Sozialhilfe human?

Ich zweifle mittlerweile daran. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass mit der Alimentierung ohne Gegenleistung etwas wirklich essentielles verloren geht: der Wille und die Fähigkeit, sich selbst (und seine Familie) zu ernähren. Was einmal sinnvolle Hilfe in Notlagen war, ist heute herabgesunken zur bloßen Verwaltung eines immer größer werdenden Proletariats der Chancen- und Hoffnungslosen - ruhiggestellt mit Geld. (Und mit Unterschichtenfernsehen.)

Der Soziologe Paul Nolte ("Generation Reform") spricht in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur von fürsorglicher Vernachlässigung:
Ja, der Staat oder im Grunde wir alle oder denen es besser geht, das sind ja auch die Steuern derer gewesen, die in gesicherten Verhältnissen lebten und wir alle oder viele von uns haben solche Probleme auch ausgeblendet. Und das meine ich mit dem Begriff fürsorgliche Vernachlässigung, Fürsorge im Sinne der materiellen Fürsorge, hier hast du den Scheck aber ansonsten wollen wir das bitte nicht wahrnehmen.
Kann es sein, dass unser Land zu lange versucht hat, alle Probleme mit Geld zu lösen? Auch jene, die mit Geld nicht zu lösen sind?

Montag, März 21, 2005

Führungsqualitäten

Man kann ein Bistum oder auch eine Gemeinde nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen führen. Bis dahin herrscht sicher Einigkeit. Aber darf dieser Satz bedeuten, dass ein Bistum schlechter geführt werden darf als ein Unternehmen?

Samstag, März 19, 2005

Jetzt mit Überschriften

Eine echte Innovation. ;) Wird es aber nicht immer geben.

Jetzt ist es doch eher ein kleiner Relaunch geworden. Naja. Noch nicht so ganz perfekt.

Freitag, März 18, 2005

Ich teste gerade Google-Anzeigen. Mal sehen, für was da so geworben wird. Mit der Position bin noch nicht so recht zufrieden.

Donnerstag, März 17, 2005

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, / tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!
4 Wasch meine Schuld von mir ab / und mach mich rein von meiner Sünde!
5 Denn ich erkenne meine bösen Taten, / meine Sünde steht mir immer vor Augen.
6 Gegen dich allein habe ich gesündigt, / ich habe getan, was dir missfällt. So behältst du recht mit deinem Urteil, / rein stehst du da als Richter.
7 Denn ich bin in Schuld geboren; / in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.
8 Lauterer Sinn im Verborgenen gefällt dir, / im Geheimen lehrst du mich Weisheit.
9 Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; / wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee.
10 Sättige mich mit Entzücken und Freude! / Jubeln sollen die Glieder, die du zerschlagen hast.
11 Verbirg dein Gesicht vor meinen Sünden, / tilge all meine Frevel!
12 Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz / und gib mir einen neuen, beständigen Geist!
13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht / und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!
14 Mach mich wieder froh mit deinem Heil / mit einem willigen Geist rüste mich aus!
15 Dann lehre ich Abtrünnige deine Wege / und die Sünder kehren um zu dir.
16 Befrei mich von Blutschuld, Herr, du Gott meines Heiles, / dann wird meine Zunge jubeln über deine Gerechtigkeit.
17 Herr, öffne mir die Lippen / und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden.
18 Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie dir geben; / an Brandopfern hast du kein Gefallen.
19 Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, / ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.
20 In deiner Huld tu Gutes an Zion; / bau die Mauern Jerusalems wieder auf!
21 Dann hast du Freude an rechten Opfern, / an Brandopfern und Ganzopfern, / dann opfert man Stiere auf deinem Altar.
Psalm 51

Mittwoch, März 16, 2005

Hat der Bundespräsident in seiner gestrigen Rede wirklich dazu aufgefordert, "der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit alles andere unterzuordnen", wie heute die FTD schreibt? Das wäre bei näherer Betrachtung wohl eine problematische Aussage. Was ist denn mit den anderen Werten, die unser Grundgesetz schützt, angefangen von der Würde des Menschen (Art. 1)? Nun gut, Köhlers Aussagen stehen natürlich in einem Kontext:
"Was der Schaffung und Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze dient, muss getan werden. Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig."
Aber auch wirtschaftspolitisch ist dieser Ansatz fragwürdig. Ziel einer Volkswirtschaft muss es doch sein, ein höheres Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften - das viel zitierte Wachstum. Ob dies durch neue Arbeitsplätze (unter den heutigen Bedingungen der abhängigen Beschäftigung) oder durch andere Erwerbsformen geschieht, ist in der Tat nachrangig - allerdings nicht für die Sozialsysteme, die auf Gedeih und Verderb an ein historisch nicht besonders altes Modell der Beschäftigung geknüpft sind. Was wäre geworden, hätte man zur Zeit der Industrialisierung so auf Beschäftigung in der Landwirtschaft oder im Handwerk geschielt wie heute auf klassische Industriearbeitsplätze? Wenn der eiserne Kanzler zur Rettung der Bauern angetreten wäre wie Schröder im Falle Holzmann?

Samstag, März 12, 2005

Der kümmerliche Mann, der im Hochamt nichts wissen will als seinem Gott den schuldigen Dienst erfüllen; das zusammengeschaffte Weib, das herkommt, um ihrer Last ein wenig erleichtert zu werden; die vielen, die dürren Gemütes sind und von all der Schönheit nichts spüren, wie sie ringsum spricht und tönt und glänzt, sondern nur Kraft suchen für ihre tägliche Mühsal - sie alle wissen mehr vom eigentlichen Wesen der Liturgie als der Kenner, der nach der Tonfülle eines Graduales die strenge Schönheit der Präfation genießt.
Romano Guardini: Vom Geist der Liturgie

Freitag, März 11, 2005

Kennt jemand Kirchen, deren Geistliche darauf insistieren, dass Sex gar keinen anderen Zweck als den der Fortpflanzung habe? Ich nicht. Der Autor dieses NZZ-Artikels über Sex unter evolutionsbiologischen Aspekten offenbar schon.

Der Perlentaucher diagnostiziert in einem Essay des Soziologen Stanley Kurtz aus Stanford
"recht unheimliche Perspektiven zu kulturellen Veränderungen in alternden Gesellschaften: Entweder sie schrumpfen weiter, oder man entwickelt auf Initiative von Feministinnen künstliche Gebärmütter zur Züchtung von Babys, oder man kehrt zu konservativen Familienwerten zurück, was vom Autor befürwortet zu werden scheint: 'Säkularismus, Individualismus und Feminismus sind Bestandteile eines sozialen Systems, das sinkende Geburtenziffern begünstigt. Wenn die Welt angesichts dieses Bevölkerungsrückgangs nicht überlebensfähig ist, dann mögen diese kulturellen Trends ebensowenig überlebensfähig sein.'"
Davon ist auf jeden Fall soviel richtig, dass eine Population, die sich nicht reproduzieren kann, über kurz oder lang ausstirbt. Wenn säkulare, individualistisch und feministisch geprägte Gesellschaften nicht in der Lage sind, eine stabile Bevölkerungsentwicklung zu garantieren, dann werden sie in der Tat verschwinden. Demographie ist schon eine fröhliche Wissenschaft.

Donnerstag, März 10, 2005

Gestern eingetroffen: der erste Band der Dogmatik von Michael Schmaus (Der Glaube der Kirche). Der zweite kommt hoffentlich auch noch. Ich habe die beiden Bände über zvab.com jeweils einzeln bei zwei verschiedenen Antiquariaten bestellt und damit pro Band etwa 10 Euro plus moderater Versandkosten gezahlt. Das ist wohl ein ganz guter Preis für jeweils rund 800 Seiten Dogmatik. Die Bücher stehen bei uns in der Gemeindebibliothek, wo ich den ersten Band bis vor kurzem über längere Zeit ausgeliehen hatte. Für meine Begriffe ein exzellentes Nachschlagewerk. Es ist 1969 erschienen, und Schmaus hat das Werk später noch einmal gründlich überarbeitet, um es dann in vielen Einzelbänden zu veröffentlichen. Diese Version ist auch komplett online. (Aber das schrieb ich bereits.)

Das Statistische Bundesamt hat gestern seine Abtreibungsstatistik für 2004 vorgelegt. Demnach sind dem Amt im vergangenen Jahr 129.600 Abtreibungen gemeldet worden, also 1,3 Prozent mehr als 2003. Die Nachrichtenagentur AP setzt diese Zahlen in Relation zu den Vorjahren. Viel interessanter finde ich indes den Vergleich mit den Zahlen der Geburten und Sterbefälle, die das Amt gerade zwei Tage zuvor veröffentlicht hat. Demnach wurden 2004 insgesamt 712.000 lebendgeborene Kinder registriert, 0,5 Prozent weniger als 2003. Es starben 821.000 Menschen, 4,3 Prozent weniger als 2003. Demnach steht also fünfeinhalb Geburten eine Abtreibung gegenüber, und der sogenannte Sterbeüberschuss (wir reden hier auch über Demographie) von rund 110.000 ist geringer als die Zahl der Abtreibungen.

Heute vor sechzig Jahren gründeten 40 französische Bischöfe Pax Christi. Der Deutschlandfunk erinnert daran. Dass es um die gewissermaßen offizielle katholische Friedensbewegung heutzutage so still geworden ist, könnte auch mit dem zu tun haben, was Präsidiumsmitglied Joachim Hoffknecht so formuliert: "Im Großen und Ganzen haben wir heute, was Fragen des Friedens betrifft - und eben auch des gerechten Friedens - ein Einverständnis mit der offiziellen katholischen Kirche." Konsens erregt weniger Aufmerksamkeit als Dissens.

Mittwoch, März 09, 2005

Geiz ist geil - jetzt erst begreife ich, was die Genialität dieses Slogans (oder ist es ein Claim?) ausmacht: Er kombiniert zwei der sieben Todsünden, nämlich Geiz und Wollust. Oder jedenfalls spielt er mit der Neuinterpretation des Adjektivs geil, die erst die Möglichkeit eröffnet hat, diesen Spruch auch anders als obszön zu interpretieren.

Dienstag, März 08, 2005

Zahllose Vorträge, die an der Karl Rahner Akademie Köln (wäre nicht Karl-Rahner-Akademie besser?) gehalten wurden, gibt es auf der Website im Volltext, zum Teil als HTML, zum Teil als PDF. Höchst lobenswert. (Jetzt müsste man nur noch die Zeit haben, wenigstens die interessantesten davon nachzulesen.)

Jetzt weiß ich auch, wo ich den Namen Theodor Haecker - dessen Buch "Was ist der Mensch?" ich gestern als ausgeschiedenes Bibliotheksexemplar gegen eine kleine Spende im St. Ansgar-Haus erwerben konnte - schon einmal gehört habe: im Deutschlandfunk (was ich seinerzeit im Notizbuch vermerkte).

Einen "schicken Intellektuellen-Atheismus", der sich auf Nietzsche beruft, kann sich nur leisten, wer Nietzsches Denken halbiert. Meint Jürgen Werbick in einem Artikel zum 100. Todestag Friedrich Nietzsches (im Jahr 2000).

Die Mutigen wissen
Daß sie nicht auferstehen.
Daß kein Fleisch um sie wächst
Am jüngsten Morgen
Daß sie nicht mehr erinnern
Niemandem wiederbegegnen
Daß nichts ihrer wartet
Keine Seligkeit
Keine Folter
Ich bin nicht mutig.

Marie Luise Kaschnitz
(zit. nach Jürgen Werbick: Das Wagnis, Christ zu sein. Glaube in Bewährung)

Montag, März 07, 2005

Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn zitiert in einem Interview mit kath.net seinen "Leib- und Magendichter" C. S. Lewis. Der habe in einem Brief an einen Freund geschrieben, was er sich als Laie vom Zelebranten wünscht.
Was ich mir als Laie wünsche, ist nur dieses eine, dass ich während des Gottesdienstes nicht ständig denken muss: „Was um Gottes Willen geht jetzt dem Zelebranten schon wieder durch den Kopf?“

Freitag, März 04, 2005

"Wenn man sich den Purpur wegdenkt, steht er in einer Reihe mit seinen Altersgenossen Habermas, Dahrendorf oder Enzensberger als einer der wenigen international beachtlichen Intellektuellen der Bundesrepublik."

Jan Ross in der Zeit über Joseph Kardinal Ratzinger [via credo ut intelligam]

© Alberto Pizzoli/AFP/gettyimages

Donnerstag, März 03, 2005

Der Papst als Philosoph. Auch die FAZ rezensiert das jüngste Buch von Johannes Paul II.:
"Soweit die Freiheit des Menschen gemeint ist, neigt der Papst dazu, der Aufklärung und selbst der Französischen Revolution eine positive Wirkung zuzugestehen. Allerdings sei sie verantwortlich für die Versuche einer Entchristlichung Europas; Wirklichkeiten würden seit Descartes systematisch zugunsten von Konstruktionen zurückgedrängt. [...] Die Untaten des zwanzigsten Jahrhunderts sieht der Papst als Folgen der Entchristlichung: 'Der Mensch war allein geblieben.'"
Ein interessanter Gegensatz, den der Papst hier aufbaut - zwischen Wirklichkeiten und Konstruktionen. Ich sollte vielleicht mal das Descartes-Kapitel bei Küng nachlesen. [via credo ut intelligam]

Mittwoch, März 02, 2005

Jan-Heiner Tück bespricht in der NZZ das neue Buch des Papstes. Anders als viele, die sich in den letzten Wochen dazu geäußert haben, hat er es offenbar gelesen. Die Kritik hatte sich an einer Passage entzündet, in der der Autor
«die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen [anspricht]. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung, die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaft und der gesamten Menschheit beruft.»
Dazu findet Tück klare Worte:
"Der zitierte Passus stellt - um es deutlich zu sagen - den Holocaust und die Abtreibung nicht auf eine Stufe, wie in manchen kritischen Äusserungen der letzten Tage behauptet wurde. Der Kontext der inkriminierten Stelle zeigt vielmehr, dass es um verschiedene Manifestationen des Bösen in der Geschichte und um eine Kultur der Wachsamkeit geht, die sich aus der Erinnerung an das Unrecht speist. Nichts läge Karol Wojtyla, der sich mehr als alle seine Vorgänger für ein neues Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum eingesetzt hat, ferner, als die Singularität von Auschwitz zu relativieren. Aber die Lektion, die er aus der Geschichte zieht, ist die, dass das Eingedenken der Katastrophen des 20. Jahrhunderts für die moralische Beurteilung der Gegenwart nicht folgenlos bleiben darf."
Vor allem, so jedenfalls Tück, ist das Buch jedoch "alles andere als ein moralisches Manifest mit kulturpessimistischem Einschlag". Im Gegenteil sei es von einem Optimismus getragen, der sich aus der Auferstehung des Gekreuzigten speise. Das Böse ist für den Papst (und für die ganze Kirche, möchte man hinzufügen) damit bereits besiegt. Die Rezension schließt mit diesem Fazit:
"Die offensive Erinnerung an Gott ist für eine Öffentlichkeit, die ein zunehmend gebrochenes Verhältnis zum christlichen Erbe unterhält, eine Provokation. Der Papst nimmt sie in Kauf, wenn er den Namen Gottes als letzten Garanten für die Würde des Menschen in Anschlag bringt. In diesem Namen liegt zugleich eine Verheissung für die Opfer der Geschichte, die nur dann dem Vergessen entrinnen, wenn ihre Namen in die memoria Dei eingeschrieben sind. Auch die offen gebliebenen Fragen der Gerechtigkeit werden im Jüngsten Gericht eine Antwort finden. Das Gottesgedächtnis wachhalten heisst, die menschliche Endlichkeit und Schuldfähigkeit ebenso anzuerkennen wie aufkeimende Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen. Eine Kultur, in deren öffentlicher Selbstverständigung das Gottesthema nicht mehr vorkäme, würde den Menschen verkürzen."
Johannes Paul II.: Erinnerung und Identität. Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden. Weltbild-Verlag, Augsburg 2005. 224 S., 14,90 EUR.