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Dienstag, Mai 31, 2005

Worum es geht

Matthias in den Kommentaren zu seinem Beitrag "Kirchenkrise - Umkehr und Liebe":
"Es geht darum, die Menschen auf die Wahrheit, an die wir glauben, hinzuweisen - ihnen persönlich zu vermitteln und zu bezeugen, was das denn heute, hier und jetzt, bedeuten kann, und dass es nicht um ein Gedankengebäude geht, sondern um Versöhnung mit Gott. Dazu gehören der Ruf nach Umkehr und die Vermittlung von Gottes Liebe untrennbar zusammen."

So ist es. Wir verkündigen keine Ideologie, sondern Jesus Christus.

Doctrine of the Church

Der Pontificator zitiert eine Lecture von Edward Norman aus dem Jahr 1998:
The problem with a “Doctrine of the Church” is in determining how “the People of God” may be identified when there exists, as there has virtually always existed, a division within Christianity. This is compounded by the insistence of some Protestants, in the last five centuries, that no Church is possessed of an indefectible body of teaching, anyway, and that the commission of Christ is in reality distributed to a number of different traditions, some of which, though entirely national and local—as the Church of England was before its replication overseas—claim to be self-sufficient in Christian understanding. Christian believers in this condition have sought to establish their authenticity by reference to Scripture. The difficulty here is that the authority of Scripture derives from the body which selected and canonized it: the Church. A further difficulty is that nineteenth-century scholarship (historical and anthropological as much as theological) has rather compromised the reliability and integrity of Scripture as an infallible resource. It is also awkward for Protestants to argue consistency of teaching since they do not agree among themselves over an impressively wide range of points, and in the case of the Church of England these disagreements extend internally across the whole experience of its adherents. Most of these disagreements, it is true, are over matters of order, discipline and liturgical practice, rather than doctrine; and over the Doctrine of the Church itself there is little disagreement since Protestantism is recognized by the imprecision of the language and images currently used in substitution of having a coherent Doctrine of the Church at all.
Und das ist nur der Anfang. Hier der Schluss:
For the expansion of ecumenical courtesies in the second half of the twentieth century has allowed Anglicanism the illusion of seeing itself as part of a wider context of Christian unity. The reality is actually that the participant Churches in such arrangements each retain their differences, including decisively different understandings of the nature of authority itself, and therefore of the Doctrine of the Church. These measures of inter-communion are not moves towards Christian unity, especially since the historic Churches, who do have distinct ecclesiologies, are largely outside them; they are moves towards a sort of loose federalism in which spiritual camaraderie is mistaken for structural agreement about identifying who the People of God are.

Kirchengeschichte

Philipp liefert in den Kommentaren eine evangelische Version der Kirchengeschichte:
"Die vom Heiligen Geist gestiftete Kirche entwickelte sich an unterschiedlichen Orten unterschiedlich, versuchte aber in den entscheidenden Glaubensfragen durch gemeinsame Beschlüsse verbunden zu bleiben.

Das Wachstum der Kirche schuf auch Machtstrukturen, die leider im Laufe der Jahrhunderte an Bedeutung gewannen. Bei manchen Konzilsbeschlüssen dient die theologische Frage mehr als Arena für Machtkämpfe; bedeutende Kirchenführer wurden mit ihrer unterlegenen Meinung plötzlich zu machtlosen 'Ketzern'.

Die Gemeinde in Rom hatte durch ihre Verbindung mit der weltlichen Macht in Rom eine herausragende Position erlangt, die es (wenn ich mich recht entsinne) 451 erstmalig mit einer 'theologischen' Begründung unterfütterte, um seinen Anspruch durchzusetzen. Erfolglos, aber von diesem Zeitpunkt an existiert die Römische Gemeinde als abgespaltene Institution, die zwar noch an Konzilien teilnimmt, aber daneben ihr nicht allgemein anerkanntes Selbstverständnis pflegt.

Da die Römische Gmeinde ihre Auffassungen im Kielwasser der weltlichen Macht des Römischen Reiches verbreitet, wird sie in weiten Teilen der damaligen Welt zur maßgeblichen christlichen Institution und setzt schließlich die eigene Institution mit der vom Heiligen Geist gestifteten Kirche gleich.

Mit der Zeit flossen immer mehr vom jeweiligen Zeitgeist inspirierte Interpretationen, Volksfrömmigkeiten und als Theologie getarnte Maßnahmen zum Machtausbau in die römische Lehre ein, die mehrmals Versuche einer Kurskorrektur provozierten. In der Reformation entzündete sich an diesen Streitpunkten schließlich die Frage, ob diese Kirche überhaupt die Kirche sei. Wieder waren es Machtinteressen (auf beiden Seiten), die zu einer Spaltung führten. Auf Seiten der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen wurde in der Folgezeit ein Großteil der damaligen Lehre hinterfragt und in unterschiedlichem Maße verworfen. Dieser Prozeß dauert bis heute an und wird bis zum Jüngsten Tag andauern.

Als Folgeinstitution der Konzilien erscheint der Ökumenische Rat der Kirchen, in dem es den verschiedenen Orthodoxen Kirchen, "Lutheranern", Reformierten, Baptisten, Charismatikern, Altkatholiken, einigen Anglikanischen Kirchen usw. gelingt, gemeinsame Positionen zu finden. Es fällt auf, daß unter den wenigen Nichtmitgliedern gerade jene Kirchen sind, die in gewaltsame Glaubensauseinandersetzungen verwickelt sind, etwa die die nordirischen Protestanten mit der Römischen Kirche."
Cool. Sounds strange to me. Gibt es dazu Quellen?

Was mir auf Anhieb auffällt: Es ist im Grunde eine politikwissenschaftliche Betrachtungsweise. Die hat als solche sicher ihre Berechtigung. Aber es kann doch nicht sein, dass die evangelische Kirchengeschichte völlig von theologischen Fragen abstrahiert oder sie nur als Vorwand für weltliche Machtinteressen gelten lässt.

Außerdem vermisse ich den Bezug zum Schisma von 1054 (Rom/Byzanz). Hier ist eine machtpolitische Analyse sehr am Platz, denn in theologischen Fragen sind die Differenzen zwischen orientalischen Kirchen und Rom eher überschaubar. Ganz anders hingegen im Falle der Reformation.

Agnostizismus

Das 1. Vaticanum genießt, weitgehend zu Unrecht, in gewissen Kreisen einen schlechten Ruf. Es hat ein paar sperrige Lehrentscheide getroffen, die auf den ersten Blick so manchen verstören. (Aber das allein kann ja kein Kriterium sein, denn wer die Bibel liest, dem ergeht es nicht anders.)

Ich hatte ja neulich schon einmal (aus seinerzeit gegebenem Anlass) einen Kanon aus dem Lehrentscheid über den katholischen Glauben zitiert, den ich hier noch einmal im Zusammenhang (und mit deutscher Übersetzung) vorstellen möchte:
2. De revelatione 2. Die Offenbarung
3026
1. Si quis dixerit, Deum unum et verum, creatorem et Dominum nostrum, per ea, quae facta sunt, naturali rationis humanae lumine certo cognosci non posse: anathema sit [cf. DH 3004].
1. Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, könne nicht durch das, was gemacht ist, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft sicher erkannt werden: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3004].
3027
2. Si quis dixerit, fieri non posse aut non expedire, ut per revelationem divinam homo de Deo cultuque ei exhibendo doceatur: anathema sit.
2. Wer sagt, es sei unmöglich oder unnütz, daß der Mensch durch die göttliche Offenbarung über Gott und die ihm zu erweisende Verehrung belehrt werde: der sei mit dem Anathema belegt.
3028
3. Si quis dixerit, hominem ad cognitionem et perfectionem, quae naturalem superet, divinitus evehi non posse, sed ex se ipso ad omnis tandem veri et boni possessionem iugi profectu pertingere posse et debere: anathema sit.
3. Wer sagt, der Mensch könne nicht von Gott zu einer Erkenntnis und Vollkommenheit emporgehoben werden, die die natürliche übertrifft, sondern könne und müsse aus sich selbst in beständigem Fortschritt schließlich zum Besitz alles Wahren und Guten gelangen: der sei mit dem Anathema belegt.
3029
4. Si quis sacrae Scripturae libros integros cum omnibus suis partibus, prout illos sancta Tridentina Synodus recensuit DH 1501-1508], pro sacris et canonicis non susceperit aut eos divinitus inspiratos esse negaverit: anathema sit [cf. DH 3006].
4. Wer die Bücher der heiligen Schrift nicht vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie das heilige Konzil von Trient aufgezählt hat [ DH 1501-1508], als heilig und kanonisch annimmt oder leugnet, daß sie von Gott inspiriert sind: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3006].
Ich lese hier, ohne dass ich schon Sekundärliteratur konsultiert hätte, eine starke Zurückweisung jeglicher agnostischer Position. Es ist die schlichte Feststellung, dass Agnostizismus und Glaube sich nicht miteinander vereinbaren lassen.

Wo ist die Begründung? Die steht weiter vorne im Text:
Cap. 2 De Revelatione Kap. 2 Die Offenbarung
3004
Eadem sancta mater Ecclesia tenet et docet, Deum, rerum omnium principium et finem, naturali humanae rationis lumine e rebus creatis certo cognosci posse; „invisibilia enim ipsius, a creatura mundi, per ea quae facta sunt, intellecta, conspiciuntur" [Rm 1,20]: attamen placuisse eius sapientiae et bonitati, alia eaque supernaturali via se ipsum ac aeterna voluntatis suae decreta humano generi revelare, dicente Apostolo: „Multifariam multisque modis olim Deus loquens patribus in Prophetis: novissime diebus istis locutus est nobis in Filio" [Hbr 1,1s; can. 1].
Dieselbe heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden kann; „das Unsichtbare an ihm wird nämlich seit der Erschaffung der Welt durch das, was gemacht ist, mit der Vernunft geschaut [Röm 1,20]: jedoch hat es seiner Weisheit und Güte gefallen, auf einem anderen, und zwar übernatürlichen Wege sich selbst und die ewigen Ratschlüsse seines Willens dem Menschengeschlecht zu offenbaren, wie der Apostel sagt: „Oftmals und auf vielfache Weise hat Gott einst zu den Vätern in den Propheten gesprochen: zuletzt hat er in diesen Tagen zu uns gesprochen in seinem Sohn" [Hebr 1,1f; Kan. 1].
3005
Huic divinae revelationi tribuendum quidem est, ut ea, quae in rebus divinis humanae rationi per se impervia non sunt, in praesenti quoque generis humani condicione ab omnibus expedite, firma certitudine et nullo admixto errore cognosci possint
1. Non hac tamen de causa revelatio absolute necessaria dicenda est, sed quia Deus ex infinita bonitate sua ordinavit hominem ad finem supernaturalem, ad participanda scilicet bona divina, quae humanae mentis intelligentiam omnino superant; siquidem „oculus non vidit, nec auris audivit, nec in cor hominis ascendit, quae praeparavit Deus iis, qui diligunt illum" [1 Cor 2,9; can. 2 et 3].
Zwar ist es dieser göttlichen Offenbarung zuzuschreiben, daß das, was an den göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch bei der gegenwärtigen Verfaßtheit des Menschengeschlechtes von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden kann
1. Jedoch ist die Offenbarung nicht aus diesem Grund unbedingt notwendig zu nennen, sondern weil Gott aufgrund seiner unendlichen Güte den Menschen auf ein übernatürliches Ziel hinordnete, nämlich an den göttlichen Gütern teilzuhaben, die das Erkenntnisvermögen des menschlichen Geistes völlig übersteigen; denn „kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört, noch ist in das Herz eines Menschen gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" [1 Kor 2,9; Kan. 2 und 3].

Die Macht der Zunge

1 Nicht so viele von euch sollen Lehrer werden, meine Brüder. Ihr wisst, dass wir im Gericht strenger beurteilt werden.
2 Denn wir alle verfehlen uns in vielen Dingen. Wer sich in seinen Worten nicht verfehlt, ist ein vollkommener Mann und kann auch seinen Körper völlig im Zaum halten.
3 Wenn wir den Pferden den Zaum anlegen, damit sie uns gehorchen, lenken wir damit das ganze Tier.
4 Oder denkt an die Schiffe: Sie sind groß und werden von starken Winden getrieben und doch lenkt sie der Steuermann mit einem ganz kleinen Steuer, wohin er will.
5 So ist auch die Zunge nur ein kleines Körperglied und rühmt sich doch großer Dinge. Und wie klein kann ein Feuer sein, das einen großen Wald in Brand steckt.
6 Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Die Zunge ist der Teil, der den ganzen Menschen verdirbt und das Rad des Lebens in Brand setzt; sie selbst aber ist von der Hölle in Brand gesetzt.
7 Denn jede Art von Tieren, auf dem Land und in der Luft, was am Boden kriecht und was im Meer schwimmt, lässt sich zähmen und ist vom Menschen auch gezähmt worden;
8 doch die Zunge kann kein Mensch zähmen, dieses ruhelose Übel, voll von tödlichem Gift.
9 Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die als Abbild Gottes erschaffen sind.
10 Aus ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch. Meine Brüder, so darf es nicht sein.
11 Läßt etwa eine Quelle aus derselben Öffnung süßes und bitteres Wasser hervorsprudeln?
12 Kann denn, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven tragen oder ein Weinstock Feigen? So kann auch eine salzige Quelle kein Süßwasser hervorbringen.
Jak 3 (aus der Lesehore vom Dienstag der 9. Woche im Jahreskreis)

Montag, Mai 30, 2005

Ad fontes

Wozu Ökumene? Ganz einfach - um den Auftrag des Herrn zu erfüllen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! (Mk 16,15) Das griechische Wort oikoumenê bezeichnet genau diese ganze (bewohnte) Welt, in die wir Christen das Evangelium tragen sollen.

Deshalb bleibt allen ökumenischen Bemühungen nur eines zu tun: zurückzugehen zu den Quellen der Verkündigung - zu dem, was die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche ausmacht. Ich erwarte vom ökumenischen Dialog ein gemeinsames Ringen um ein besseres Verständnis dieser Quellen des Heiles. Meine von Rom getrennten Gesprächspartner sollen mir erklären, wie sie die Quellen der Kirche, das Evangelium und seine, eine und einzige Wahrheit verstehen.

Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche in der katholischen Kirche verwirklicht ist (subsistit), so denke ich, dass nach wie vor Potentiale zu entfalten und zeitbedingte Irrtümer zu erkennen sind. Auch die katholische Kirche kann im Rückgang zu den Quellen und insbesondere zu den Kirchenvätern noch und wieder eine Menge lernen, kann wachsen und besser verwirklichen, was die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche dem Auftrag des Herrn gemäß ist.

Rein praktisch denke ich, dass die Gemeinschaften der Reformation zunächst einmal zu ihren Urtexten zurückkehren müssten, bevor an eine Rückkehr zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche auch nur zu denken ist. Jene Revision der lutherischen und sonstigen reformatorischen Texte, die ich neulich skizziert habe, ist wohl unumgänglich.

Es müsste festgestellt werden, was davon noch gilt, was falsch war - und was sich im Widerspruch zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche befindet. Das ist eine Aufgabe, die den Protestanten eigentlich niemand abnehmen kann: Es betrifft ihr Selbstverständnis und ihre Existenzberechtigung. Aber erst mit einem geklärten Verständnis der eigenen Grundlagen wäre überhaupt die Möglichkeit geschaffen, von dort aus zu den Quellen zu gelangen.

Ist das eine Rückkehr-Ökumene? Nicht im landläufigen Sinne, aber wohl in dem Sinn, dass allen Christen an einer Rückkehr zu dem, woraus die Kirche hervorgeht, gelegen sein muss. Ausgeschlossen jedenfalls ist eine Subtraktions-Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners, die die Wahrheit zugunsten der Einheit aufgibt.

Die Wahrheit des Evangeliums steht in der Hierarchie der Werte ganz klar über der Ökumene, der ganzen Welt, in die wir das Evangelium tragen sollen - und nicht umgekehrt die Wahrheit solange biegen, bis sie aller Welt in den Kram passt. Wenn deshalb die Wahrheit die Ökumene verhindert - who cares? Niemand, der die Wahrheit liebt.

Abendmahlsgemeinschaft

Ökumene auf allen Kanälen. Ralf stellt eine eucharistische Frage:
"Anfangen möchte ich aber mit einem Anliegen, das immer an uns herangetragen wird: die sog. Abendmahlsgemeinschaft, d.h. die regelhafte Zulassung von Mitgliedern der aus der Reformation hervorgegangenen kirchl. Gemeinschaften zur Eucharistie."
Das Problem damit ist sogar noch ein geringeres als der umgekehrte Fall. Denn für den oben beschriebenen Fall gilt laut Ut unum sint (1995),
"daß die katholischen Priester in bestimmten Einzelfällen die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung anderen Christen spenden können, die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt."
(Ich nehme an, dies war die Intention von Joseph Card. Ratzinger, als er Roger Schütz beim Requiem für Johannes Paul II. die Kommunion reichte.) Diesen Ansatz nimmt Ecclesia de Eucharistia (2003) wieder auf:
"Es ist notwendig, diese Bedingungen genau zu befolgen. Sie sind unumgänglich, auch wenn es sich um begrenzte Einzelfälle handelt. Die Ablehnung einer oder mehrerer Glaubenswahrheiten über diese Sakramente, etwa die Leugnung der Wahrheit bezüglich der Notwendigkeit des Weihepriestertums zur gültigen Spendung dieser Sakramente, hat zur Folge, daß der Bittsteller nicht für ihren rechtmäßigen Empfang disponiert ist. Und umgekehrt kann ein katholischer Gläubiger nicht die Kommunion in einer Gemeinschaft empfangen, der das gültige Sakrament der Weihe fehlt."
Nun wieder Ralf zur Abendmahlsgemeinschaft:
Das Anliegen verstehe ich zwar menschlicherseits (Harmonie ist eben immer schöner), aber nicht auf theolog. Ebene. Es wird bei den ökumen. Bemühungen immer das Jesuwort aus dem Joh. Ev. herangezogen, sein Gebet, in dem er bittet, daß die Gläubigen eins sein mögen, damit die Welt glaube, daß Gott Vater ihn in die Welt gesandt hat - sprich: die Einheit dient dem Zeugnis der Christen in der nichtchristlichen Welt.

Soweit so gut (nota bene: Einheit kein Selbstzweck!).

Gesetzt dem Fall, es gäbe die Abendmahlsgemeinschaft. Würde dadurch ein deutliches Zeichen Christi in die Welt gesandt werden? Ich sage nein, denn die sichtbare Kirchengemeinschaft bestünde dadurch ja nicht, für einen Außenstehenden gäbe es nicht einen Deut mehr Klarheit. Im Gegenteil, alles erschiene absolut gleich-wertig. Für die Wirkung nach außen ist aber schon rein psychologisch verheerend, wenn alles gilt. Wie soll man da überzeugen?"

Der Anspruch der Wahrheit

"Schon jetzt ist es möglich, die Themen festzulegen, die vertieft werden müssen, um zu einer echten Übereinstimmung im Glauben zu gelangen: 1) die Beziehungen zwischen Heiliger Schrift als oberster Autorität in Sachen des Glaubens und der heiligen Tradition als unerläßlicher Interpretation des Wortes Gottes; 2) die Eucharistie, Sakrament des Leibes und Blutes Christi, dargebracht zum Lob des Vaters, Gedächtnis des Opfers und Realpräsenz Christi, heiligmachende Ausgießung des Heiligen Geistes; 3) die Weihe als Sakrament zum Dienstamt in seinen drei Stufen: Bischofsamt, Priestertum und Diakonat; 4) das Lehramt der Kirche, dem Papst und den in Gemeinschaft mit ihm stehenden Bischöfen anvertraut, verstanden als Verantwortung und Autorität im Namen Christi für die Unterweisung im Glauben und seine Bewahrung; 5) die Jungfrau Maria, Gottesmutter und Ikone der Kirche, geistliche Mutter, die für die Jünger Christi und für die ganze Menschheit Fürbitte leistet.

Auf diesem mutigen Weg zur Einheit halten uns die Klarheit und die Klugheit des Glaubens an, die falsche Irenik und die Nichtbeachtung der Normen der Kirche zu vermeiden. Umgekehrt gebieten uns dieselbe Klarheit und dieselbe Klugheit, die Lauheit beim Einsatz für die Einheit und noch mehr den vorgefaßten Widerstand zu meiden oder auch den Defätismus, der dazu neigt, alles negativ zu sehen.

An einer Sicht der Einheit festhalten, die allen Forderungen der geoffenbarten Wahrheit Rechnung trägt, heißt jedoch nicht der ökumenischen Bewegung Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil, es bedeutet zu vermeiden, daß sie sich mit Scheinlösungen zufriedengibt, die zu keinem stabilen und echten Ergebnis führen würden. Der Anspruch der Wahrheit muß bis auf den Grund gehen. Ist das etwa nicht das Gesetz des Evangeliums?
Ut unum sint - Ioannes Paulus PP. II - Enzyklika (1995)

Eucharistie und Ökumene

Welt-Korrespondent Paul Badde berichtet aus Bari:
Noch mehr aber wurde hier heute die Seepredigt des neuen Papstes erwartet, in der er alle Christen daran erinnerte, dass die Eucharistie „das Herz des Sonntags ist, aus der der Kirche immer neu geboren wird“. Auch darum „können wir ohne den Sonntag nicht leben“, zitierte er das Motto des Tages.

Es stammt aus dem Jahr 304, aus der letzten Christenverfolgung der Römer unter Kaiser Diokletian, bevor dessen Nachfolger Konstantin kurz danach vor der Überlegenheit der kleinen christlichen Minderheit kapitulierte. Unter Androhung der Todesstrafe hatte Diokletian noch einmal Versammlungen der Christen am Sonntag verboten. Dennoch hatten sich in Abitene im heutigen Tunesien 49 Christen am Sonntag wieder versammelt, um Eucharistie zu feiern. Sie wurden verhaftet, verhört und gefoltert. Warum hatten sie das nur gemacht, fragte sie entgeistert der Prokonsul. „Ohne Sonntag können wir nicht leben“, antwortete ihm ein gewisser Emerito, bevor alle 49 hingerichtet wurden.

“Der Sonntag ist keine Last auf unseren Schultern“, rief heute jedoch Benedikt XVI. keinem Kaiser oder Prokonsul mehr zu, sondern dem Diktat einer konsumistischen Welt. „Er ist uns ein Bedürfnis und eine Freude“. Um den „nahen Gott“ zu treffen, müssten wir uns jedoch auch „untereinander treffen“. Die Eucharistie sei deshalb ein Zeichen der Einheit in einer leider zerrissenen Christenheit. „Alle Kraft“ müsse die Christenheit darum der Wiedererlangung jener Einheit zuwenden, nach der es „Christus im Abendmahlssaal so brennend verlangt“ habe – mit jener eigenen inneren Bekehrung, die „Voraussetzung für jeden Fortschritt auf dem Weg der Ökumene“ sei.

Manager-Magazin ist auch Papst

Ein längeres Stück schließt mit einer Erwähnung von Catholicism Wow:
"Im deutschsprachigen Raum sind die katholischen Weblogger noch nicht so verbreitet, doch auch hier gibt es neue Bewegungen wie zum Beispiel 'Catholicism Wow' (www.catholicism-wow.de). Dieser Blog hat sich der Kultivierung von Comics und Musik mit katholischem Hintergrund verschrieben. Als Merchandising-Artikel wird ein T-Shirt mit Logo feilgeboten, das auf den ersten Blick an Coca Cola erinnert. Stattdessen steht dort: 'Römisch-katholische Kirche. Seit 33 n. Chr.' Eine Bewegung, die so was von 'out' ist, ist schon wieder unglaublich 'in'."

Freitagsopfer

Aus der Abteilung In Vergessenheit geraten:
"Alle Freitage des Jahres sind im Gedenken an das Leiden und Sterben des Herrn kirchliche Bußtage, an denen der Christ zu einem Freitagsopfer verpflichtet ist; ausgenommen sind die Freitage, auf die ein Hochfest fällt. Das Freitagsopfer kann verschiedene Formen annehmen: Verzicht auf Fleischspei­sen, der nach wie vor sinnvoll und angemessen ist, spürbare Einschränkung im Konsum, besonders bei Genussmitteln, Dienste und Hilfeleistungen für den Nächsten. Das durch das Freitagsopfer Ersparte sollte mit Menschen in Not geteilt werden. Auch eine andere spürbare Einschränkung im Konsumver­halten ist denkbar. Das Zeugnis gemeinsamen Freitagsopfers hat zudem seinen besonderen Wert. Kirchliche Häuser, Ordensgemeinschaften und geistliche Vereinigungen können hier ein Beispiel ge­ben. Dem Sinn des Freitagsopfers entsprechen auch: Gebet und andere Frömmigkeitsübungen, eine wirkliche Einschränkung und der Dienst am Nächsten."
Aus der Partikularnorm Nr. 16 der Deutschen Bischofskonferenz zu cc. 1251, 1253 CIC Bußordnung / Fasten-Abstinenz (Kirchliche Bußpraxis / Weisungen zur Bußpraxis)

Am kommenden Freitag ist also, da Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu, kein Freitagsopfer angebracht.

Kirchenfrage

Peter stellt sie, aus Anlass des Kirchentages:
"These: Die ev. Landeskirchen in ihrer gegenwärtigen Verfassung stehen zwischen der röm.-kath. Kirche und den Freikirchen in formaler (Kirchenverständnis) und inhaltlicher Hinsicht. Es ergibt sich die Frage, ob die ev. Landeskirchen heute Raum für Evangelisierung bieten können und ob solche Räume von den weiteren Kirchen zur Verfügung gestellt werden.

Grundlegende Vorbehalte sind m.E. gegen die derzeitige Verfassung der ev. Landeskirchen geltend zu machen. Es mangelt. der EKD und vielen Landeskirchen an spirituellem Gehalt; die Seele kommt zu kurz, kann sich nicht vertiefen, sich nicht versenken in der Schönheit des Glaubens und des HERRN. [...]

Die Mehrzahl der Andachten, viele Predigten, überwiegend wahrgenommene amtskirchliche Äußerungen befassen sich nicht mit originär glaubenszentrierten Themen, sie behandeln vielmehr diesseitsbezogene Inhalte, basierend auf Befindlichkeitsstatements und Positionierungen, auf weltlich-sozialen Fragestellungen oder befassen sich mit gesellschaftlichen (Rand-)Themen. Spürbar oftmals ein Bemühen, politisch korrekt und zeitgemäß zu sein."

Das lässt sich leider auch von manchen Äußerungen der Deutschen Bischofskonferenz sagen (auch wenn ich gerade kein Beispiel zur Hand habe).

Sonntag, Mai 29, 2005

Nagel

Schade, dass Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel nicht ohne antikatholische Polemik auskommt. In seinem Schlusswort sagte heute der Präsident des 30. Evangelischen Kirchentages:
"Protestantismus wirkt anziehend. Unsere Kultur des Fragens entspricht unserem protestantischen Selbstverständnis: Verzicht auf starre Bilder und unfehlbare Antworten, berührt und bewegt sein vom Evangelium, Mut und Bereitschaft zu Protest, zu Protest für Gottes Wahrheit im alltäglichen Leben." [Hervorhebung von mir]
Ein paar Zeilen später dann das pflichtschuldige Bekenntnis zur Ökumene:
"Dieser Kirchentag hat das Thema Ökumene wieder ein Stück vorangebracht. Es gibt keine Alternative zu: Einheit der Kirchen in Vielfalt. Der Weg dorthin ist lang, aber die Mühe lohnt sich. Wir haben die Hoffnung, dass die Worte von Papst Benedikt XVI. zur ökumenischen Entwicklung ein Zeichen der Zuversicht sind. Dies ist Ausdruck des ökumenischen Vertrauens der Töchter und Söhne Luthers, Zwinglis und Calvins. Unsere Hoffnung ist ungebrochen auf Gastfreundschaft beim Abendmahl. Das wäre Stärkung und Wegzehrung auf dem Weg zum Ökumenischen Kirchentag 2010 in München und zur Einheit der Kirchen."

Auch wenn es sich hier nur um die üblichen vagen Floskeln handelt, verliert Nagels ökumenisches Bekenntnis doch durch seine vorigen Worte gleich erheblich an Glaubwürdigkeit. Schade.

Samstag, Mai 28, 2005

Wozu Ökumene?

Matthias fragt in den Kommentaren:
"Was für einen Sinn soll denn in Deinen Augen, Martin, Ökumene überhaupt haben, wenn das Einswerden sich - so meine ich es zu verstehen - in der Rückkehr zur römisch-katholischen Kirche manifestieren sollte?"

Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich sie gern in die Runde weiterreichen: Wozu Ökumene?

Mitte


Auf dem Kleinen Stundenbuch ist ein Rad mit sechs Speichen abgebildet. Das erinnert mich an das Mainzer Rad, das Wappen der Mainzer (Erz-)Bischöfe. (Meine Heimat gehörte 400 Jahre lang zu Mainz.) Im Innern des Buches heißt es:
Der Kosmos hat eine Mitte.
Aus ihr kommt alles.
Zu ihr führt alles.
Um sie kreist unser Leben.
Andreas schreibt in den Kommentaren bei Petra:
"Ich glaube gerade junge Leute wollen wieder irgendwo 'dazugehören', sie wollen an etwas großem, schönem teilhaben. Und was könnte es schöneres als die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen geben. Das gibt es in keinem Sportverein, nicht unter Arbeitskollegen, sonstwo,...
Wenn man davon mehr in den Gemeinden merken würde...
Das setzt natürlich voraus, dass die Gemeinschaft sich nicht nur als eine menschliche versteht und nicht quasi sich selber 'verkauft', sondern dass sie sich bewusst ist, was im Zentrum steht."

Ich bin in diesen Fragen inzwischen ganz puristisch geworden. Die Wochen seit dem Sterben Johannes Pauls, der Sedisvakanz und der Wahl Joseph Ratzingers ins Petrusamt haben überdeutlich gezeigt, dass es uns letztlich um die Mitte, das Zentrum zu tun sein muss.

Wir beschäftigen uns - in unseren Gemeinden, aber nicht nur dort - zu viel mit Nebensächlichkeiten und zu wenig mit der Hauptsache.

9. Sonntag im Jahreskreis

Jetzt ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten:
die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben. Denn es gibt keinen Unterschied.
Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.
Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus.
Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben.
Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.
Röm 3, 21-25a.28

Freitag, Mai 27, 2005

Religio vera

Die Wahrheitsfrage hat uns in den letzten Tagen ausführlich beschäftigt. Eine Menge Hintergrund dazu bringt ein Vortrag, den Joseph Card. Ratzinger 1999 an der Pariser Sorbonne hielt. Auszüge:
Zunächst stellt sich immer mehr die Frage, ob der Begriff Wahrheit sinnvoller Weise überhaupt auf die Religion angewandt werden könne, mit anderen Worten, ob es dem Menschen gegeben ist, die eigentliche Wahrheit über Gott und die göttlichen Dinge zu erkennen. [...]

Das Christentum befindet sich für das heutige Denken keineswegs in einer positiveren Perspektive als die anderen – im Gegenteil: Mit seinem Wahrheitsanspruch scheint es besonders blind zu sein gegenüber der Grenze all unserer Erkenntnis des Göttlichen, durch einen besonders törichten Fanatismus gekennzeichnet, der das in eigener Erfahrung betastete Stück unbelehrbar für das Ganze erklärt. [...]

Augustinus identifiziert den biblischen Monotheismus mit den philosophischen Einsichten über den Grund der Welt, die sich in verschiedenen Variationen in der antiken Philosophie herausgebildet haben. Dies ist gemeint, wenn das Christentum seit der Areopag-Rede des heiligen Paulus mit dem Anspruch auftritt, die „religio vera“ zu sein. Das will sagen: Der christliche Glaube beruht nicht auf Poesie und Politik, diesen beiden großen Quellen der Religion; er beruht auf Erkenntnis. Er verehrt jenes Sein, das allem Existierenden zugrunde liegt, den „wirklichen Gott“. Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden und nicht mehr ihr Gegenspieler. [...]

Rückschauend können wir sagen, dass die Kraft des Christentums, die es zur Weltreligion werden ließ, in seiner Synthese von Vernunft, Glaube und Leben bestand; genau diese Synthese ist in dem Wort von der „religio vera“ zusammenfassend ausgedrückt.

Umso mehr drängt sich die Frage auf: Warum überzeugt diese Synthese heute nicht mehr? Warum gelten heute im Gegenteil Aufklärung und Christentum als einander widersprechend, ja, ausschließend? Was hat sich an der Aufklärung, was am Christentum geändert, dass es so ist? [...]

Genau dies sagt heute die Aufklärung: Die Wahrheit als solche kennen wir nicht; in unterschiedlichen Bildern meinen wir doch dasselbe. Ein so großes Geheimnis, das Göttliche, kann nicht auf eine Gestalt festgelegt werden, die alle anderen ausschlösse – auf einen Weg. der alle verpflichtete. Der Wege sind viele, der Bilder viele, alle spiegeln etwas vom Ganzen, und keines ist selbst das Ganze. Dem gehört das Ethos der Toleranz zu, das in jedem ein Stück Wahrheit erkennt, das Eigene nicht höher stellt als das Fremde und sich friedvoll in die vielgestaltige Symphonie des ewig Unzugänglichen einfügt, das sich in Symbolen verhüllt, die doch unsere einzige Möglichkeit zu sein scheinen, irgendwie nach dem Göttlichen zu greifen.

Ist demnach der Anspruch des Christentums, „religio vera“ zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt? [...]

Es geht um die Frage, ob das Wirkliche aufgrund von Zufall und Notwendigkeit (oder mit Popper im Anschluss an Butler aus „luck“ und „cunning“, „glücklicher Zufall“ und „Voraussicht“), also aus dem Vernunftlosen entstanden ist, ob also die Vernunft ein zufälliges Nebenprodukt des Unvernünftigen und im Ozean des Unvernünftigen letztlich auch bedeutungslos ist, oder ob wahr bleibt, was die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens und seiner Philosophie bildet: „In principio erat Verbum“ – am Anfang aller Dinge steht die schöpferische Kraft der Vernunft. Der christliche Glaube ist heute wie damals die Option für die Priorität der Vernunft und des Vernünftigen.

Diese Letztfrage kann nicht mehr, wie schon gesagt, durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht. Aber kann eigentlich die Vernunft auf die Priorität des Vernünftigen vor dem Unvernünftigen, auf die Uranfänglichkeit des Logos verzichten, ohne sich selbst aufzuheben? Das von Popper vorgeführte Erklärungsmodell, das in anderen Darstellungen der „ersten Philosophie“ in verschiedenen Variationen wiederkehrt, zeigt, dass die Vernunft gar nicht anders kann, als auch das Unvernünftige nach ihrem Maß, also vernünftig zu denken (Probleme lösen, Methode erlernen!), womit sie implizit doch wieder den eben geleugneten Primat der Vernunft aufrichtet. Durch seine Option für den Primat der Vernunft bleibt das Christentum auch heute „Aufklärung“, und ich denke, dass eine Aufklärung, die diese Option abstreift, allem Anschein zuwider nicht eine Evolution, sondern eine Involution der Aufklärung bedeuten müsste. [...]

Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als „religio vera“ wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf Orthopraxie und Orthodoxie gleichermaßen setzen. Sein Inhalt wird heute – letztlich wie damals – im Tiefsten darin bestehen müssen, dass Liebe und Vernunft als die eigentlichen Grundpfeiler des Wirklichen zusammenfallen: Die wahre Vernunft ist die Liebe, und die Liebe ist die wahre Vernunft. In ihrer Einheit sind sie der wahre Grund und das Ziel alles Wirklichen.

Gesprächsfäden

Matthias schreibt über Kirche, Glaube und Taufe. Ok, jetzt also die Taufe. Schönes und wichtiges Thema - und vielleicht auch ganz sinnvoll als Grundlage.

Im Augenblick habe ich aber eher den Eindruck, mich in den ganzen Gesprächsfäden etwas zu verheddern. Ich muss das wohl mal sortieren und mich dann entscheiden, welchen Faden ich zuerst aufrolle.

Symbolum

Andreas schreibt in den Kommentaren:
"Die Rede vom Puzzle, in dem gewisse Teile fehlen, wenn man Dogmen nicht kennt oder nicht akzeptiert sieht den Glauben meiner Meinung nach vor allem als ein argumentatives Gebäude und weniger als gelebtes Leben."
Ich hatte dabei eher die alte Bedeutung des Wortes Symbolum vor Augen:
Im ursprünglichen Sprachgebrauch war der Sinn des griechischen Wortes symbolon der eines Erkennungszeichens. Wenn zwei Freunde für längere Zeit oder für immer voneinander schieden, so zerbrachen sie eine Münze, ein Tontäfelchen oder einen Ring; kam nach Jahren jemand von der befreundeten Familie zurück, so konnten die zusammengefügten Teile (symbállein = zusammenwerfen, zusammenfügen) bestätigen, dass der Träger des einen Bruchstückes wirklich Anspruch auf die Gastfreundschaft besaß. Das Symbol ist also ein ›Zusammengefügtes‹, in dem ein sonst nicht wahrnehmbarer Sinninhalt manifestiert wird. Zunächst ›Symbol aus etwas‹(die beiden zusammenzufügenden Teile) geht der Sprachgebrauch über zum "Symbol von etwas"; das Symbol steht stellvertretend für eine geistige Realität (die Freundschaft der Besitzer der Bruchstücke), die an ihm wahrnehmbar wird. Das Symbol ist sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit.

Nicht zufällig, sondern genau in diesem Sinne bezeichnen Christen ihr Glaubensbekenntnis als Symbolum. Bruchstücke, ja - aber sie passen eben zusammen oder nicht.

Fronleichnam revisited

Scipio berichtet ausführlich. Ich bedauernswertes Nordlicht war gestern im Büro, aber zur Abendmesse in Finkenwerder (mit Tantum ergo und sakramentalem Segen) hat es noch gereicht. Den Rest des Abends verbrachte ich im Garten, nach der zweiten Vesper vom Hochfest las ich noch die Fronleichnamspredigt von Joseph Ratzinger aus dem Jahre 1978 (in Gott ist uns nah, Teil meiner neuen Ratzinger-Bibliothek).

Vorgestern ist mein Rosenkranz eingetroffen, ein Geschenk von Ralf (vielen lieben Dank!), der sich seine eigenen Gedanken zu Fronleichnam macht - als Fest der Glaubensbezeugung an die Gegenwart Christi in Brot und Wein, gegen den Protestantismus (weshalb der evangelische Theologe Helmut Fischer jüngst zum Ergebnis kam, das Fest sei "für evangelische Beteiligung völlig ungeeignet", wie uns Jochen Scherzer sehr aufschlussreich berichtet).

Und zum guten Schluss möchte ich die Salzburger Fronleichnams-Impressionen aus Erichs Feder nicht unerwähnt lassen:
"Was hat sich wohl die Gruppe japanischer Touristen gedacht, als der Baldachin, begleitet von Hunderten und Aberhunderten Menschen, an ihnen vorübergetragen wurde, begleitet von Bannern, von denen Heilige auf sie niederblickten, begleitet auch vom dröhnenden Erz der Glocken des Domes (Salzburg hat zwar nicht die größte Glocke, wohl aber das schwerste Geläut im deutschsprachigen Raum), verstärkt noch durch die Glocken der Franziskanerkirche und der Abtei St. Peter? Das muss ihnen nicht minder exotisch erschienen sein, wie mir die Zeremonien des Shintoismus. Dabei scheint das Staunen nicht länger mehr auf die Angehörigen gänzlich fremder Kulturen beschränkt; zumindest deuten dies die weit geöffneten Objektive der Camcorder und digitalen Fotoapparate jener Menschen an, die offensichtlich aus unserem Nachbarland stammen, und die sich von uns nur durch die scheinbar gemeinsame Sprache unterscheiden. Es war ihnen der Himmel eine Aufnahme wert, der Himmel und die Menschen, die lauthals auf den Straßen und Plätzen ihren Gott, Christus, anriefen. Pange lingua, Brot vom Himmel ..."

Nachtrag: Petra, die ebenfalls über ihr österreichisches Fronleichnam berichtet, möchte wissen, was Tantum ergo auf deutsch heißt. Nun, das ist nicht so einfach. Zunächst der Text, der aus den letzten beiden Strophen des Pange lingua besteht:

Tantum ergo Sacramentum
Veneremur cernui:
Et antiquum documentum
Novo cedat ritui:
Praestet fides supplementum
Sensuum defectui.

Genitori, Genitoque
Laus et iubilatio,
Salus, honor, virtus quoque
Sit et benedictio:
Procedenti ab utroque
Compar sit laudatio.
Amen.
Eine mögliche Übersetzung wäre:
Laßt uns tiefgebeugt verehren
ein so großes Sakrament,
dieser Bund wird ewig währen
und der alte hat ein End'.
Unser Glaube soll uns lehren,
was das Auge nicht erkennt.

Gott, dem Vater und dem Sohne
sei Lob, Preis und Herrlichkeit
mit dem Geist auf höchstem Throne,
eine Macht und Wesenheit!
Singt in lautem Jubeltone:
Ehre der Dreieinigkeit!
Amen.
Im deutschen Gesangbuch, dem Gotteslob, heißt der Text:
1. Sakrament der Liebe Gottes:
Leib des Herrn, sei hoch verehrt.
Mahl, das uns mit Gott vereinigt,
Brot, das unsre Seele nährt,
Blut, in dem uns Gott besiegelt
seinen Bund, der ewig währt.

2. Lob und Dank sei Gott dem Vater,
der das Leben uns verheißt,
seinem Wort, dem ewgen Sohne,
der im Himmelsbrot uns speist;
auch der Born der höchsten Liebe
sei gelobt, der Heilge Geist. Amen.

Ach ja, noch etwas: Unsere Prozession wird morgen zur Zeit der sonst üblichen Vorabendmesse stattfinden. Statt fester Altäre wird ein Beistelltischchen von Station zu Station getragen, wie ich heute erfahren habe. ;)

Donnerstag, Mai 26, 2005

Extra ecclesiam nulla salus

Was bedeutet dieser Satz, der auf Cyprian, Thascius Caecilius, Bischof von Karthago, zurückgeht? Dazu sagt der Bautz:
"In dem Ketzertaufstreit zwischen Rom und Karthago vertrat C. den Standpunkt, daß die von häretischen und schismatischen Klerikern gespendete Taufe unglültig sei, und forderte darum die Taufe der von jenen Getauften vor ihrer Aufnahme in die Kirche, während Stephanus I. die mit trinitarischer Glaubensformel vollzogene Taufe durch häretische und schismatische Kleriker anerkannte, den von jenen Getauften nur den Geistesempfang absprach und sie darum durch Handauflegung statt durch Neutaufe in die Kirche aufnahm. C. ging von dem Satz aus: »Extra ecclesiam nulla salus« = »Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.« Darum verwarf er die von Häretikern und Schismatikern vollzogenen sakramentalen Handlungen als ungültig. Nur den Aposteln und ihren rechtmäßigen Nachfolgern wurde die Vollmacht zu taufen verliehen. In diesem Sinn erklärte das im Frühjahr 255 in Karthago von 31 Bischöfen aus dem prokonsularischen Afrika besuchte Konzil, daß es nur in der katholischen Kirche die eine Taufe gebe: »Neminem baptizari foris extra ecclesiam posse.« Die im Frühjahr 256 in Karthago tagende Synode von 71 Bischöfen mit Einschluß solcher aus Numidien traf die gleiche Entscheidung: Die Ketzertaufe ist ungültig. C. berief auf den 1.9. 256 ein Generalkonzil nach Karthago, an dem 87 Bischöfe aus allen drei afrikanischen Provinzen teilnahmen. Die Synode hielt an dem Grundsatz ihres Vorsitzenden einmütig fest, daß jede außerkirchliche Taufe ungültig sei, und richtete ein dementsprechendes Schreiben an Stephanus I. Dieser beantwortete es mit der Drohung, die Gemeinschaft mit der nordafrikanischen Kirche abzubrechen, falls sie auf ihrem Standpunkt verharren würde. Die afrikanische Bischofsgesandtschaft wies er in schroffer Weise ab und verbot der römischen Gemeinde ihre gastliche Aufnahme. So war der Bruch zwischen Rom und Afrika vollzogen. C. wandte sich durch Gesandte und Briefe an die hervorragenden Bischöfe anderer Kirchenprovinzen, um sie zu Bundesgenossen im Ketzertaufstreit gegen Stephanus I. zu gewinnen. Firmilian von Cäsarea in Kappadozien, der Führer der Kleinasiaten, trat entschieden auf seine Seite. Dionysius von Alexandrien suchte zu vermitteln. Durch die 257 ausbrechende Christenverfolgung unter Licinius Valerianus und den am 2.8. 257 erfolgten Tod Stephanus' I. kam es nicht zu der förmlichen Exkommunikation der afrikanischen und kleinasiatischen Kirche. Sixtus II., der Nachfolger Stephanus' I., stellte die Kirchengemeinschaft mit Afrika und Kleinasien wieder her: Rom duldete den nordafrikanischen Brauch der Wiedertaufe häretisch Getaufter vor ihrer Aufnahme in die Kirche. Auf dem Konzil zu Arles 314 aber siegte die römische Anschauung."

Aber das ist nur der Anfang dieser Geschichte. Stay tuned.

Lobe, Sion, den Erlöser


Lauda Sion Salvatorem,
Lauda ducem et pastorem
In hymnis et canticis.
Quantum potes, tantum aude,
Quia maior omni laude,
Nec laudare sufficis.

Laudis thema specialis
Panis vivus et vitalis
Hodie proponitur.
Quem in sacrae mensa coenae
Turbae fratrum duodenae
Datum non ambigitur.

Sit laus plena, sit sonora;
Sit iucunda, sit decora
Mentis iubilatio,
Dies enim solemnis agitur
Inqua mensae prima recolitur
Huius institutio.

In hac mensa novi Regis
Novum Pascha novae legis
Phase vetus terminat.
Vetustatem novitas,
Umbram fugat veritas,
Noctem lux eliminat.

Quod in coena Christus gessit,
Faciendum hoc espressit
In sui memoriam:
Docti sacris institutis
Panem, vinum in salutis
Consecramus hostiam.

Dogma datur Christianis,
Quod in carnem transit panis
Et vinum in sanguinem.
Quod non capis, quod non vides,
Animosa firmat fides
Praeter rerum ordinem.

Sub diversis speciebus,
Signis tantum et non rebus,
Latent res eximiae:
Caro cibus, sanguis potus,
Manet tamen Christus totus
Sub utraque specie.

A sumente non concisus,
Non confractus, non divisus
Integer accipitur.
Sumit unus, sument mille,
Quantum isti, tantum ille,
Nec sumptus consumitur.

Sumunt boni, sumunt mali,
Sorte tamen inaequali,
Vitae vel interitus.
Mors est malis, vita bonis,
Vide paris sumptionis
Quam sit dispar exitus.

Fracto demum sacramento,
Ne vacilles, sed memento
Tantum esse sub fragmento.
Quantum toto tegitur.
Nulla rei fit scissura,
Signi tantum fit fractura,
Qua nec status nec statura
Signati minuitur.

Ecce panis Angelorum,
Factus cibus viatorum,
Vere panis filiorum,
Non mittendus canibus!
In figuris praesignatur,
Cum Isaac immolatur,
Agnus Paschae deputatur,
Datur manna patribus.

Bone pastor, panis vere,
Jesu, nostri miserere,
Tu nos pasce, nos tuere,
Tu nos bona fac videre
In terra viventium.
Tu qui cuncta scis et vales,
Qui nos pascis hic mortales,
Tuos ibi commensales,
Cohaeredes et sodales
Fac sanctorum civium.

Mittwoch, Mai 25, 2005

Fronleichnam


Halleluja. Halleluja.
So spricht der Herr:
Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel gekommen ist.
Wer dieses Brot isst, wird in Ewigkeit leben.
Halleluja.

Wahrheit vs. Überlieferung

Durch das Eintreten für die erkannte Wahrheit sind die Reformatoren gemeinsam in Gegensatz zu kirchlichen Überlieferungen jener Zeit geraten. Übereinstimmend haben sie deshalb bekannt, daß Leben und Lehre an der ursprünglichen und reinen Bezeugung des Evangeliums in der Schrift zu messen sei. Übereinstimmend haben sie die freie und bedingungslose Gnade Gottes im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi für jeden, der dieser Verheißung glaubt, bezeugt. Übereinstimmend haben sie bekannt, daß Handeln und Gestalt der Kirche allein von dem Auftrag her zu bestimmen sind, dieses Zeugnis in der Welt aufzurichten, und daß das Wort des Herrn jeder menschlichen Gestaltung der christlichen Gemeinde überlegen bleibt.
Aus der Leuenburger Konkordie

Subtraktions-Ökumene

Aus gegebenem Anlass muss ich mich selbst zitieren (aus den Kommentaren zu Taking seriously):
"Kann es mehrere, in wesentlichen Punkten unterschiedliche Kirchen geben, die trotzdem alle dem Willen des Herrn entsprechen? Ich denke, das ist nicht möglich, da die eine Kirche auch nur ein Wesen haben kann - es also keine Unterschiede in wesentlichen Punkten geben kann.

Es gibt empirisch gesehen indes Unterschiede. Die Frage ist dann: Sind sie wesentlich? Ich meine, allein zwischen Eucharistie und Abendmahl liegen bereits Welten. Diesen Graben kann man nicht einfach überspringen. Ich kann mir nur vorstellen, dass alle Seiten versuchen, das Geheimnis von Christi Leib und Blut besser zu verstehen.

Eine Subtraktions-Ökumene hingegen, die darauf setzt, die katholische Kirche würde einfach Abstriche von ihrem Glaubensgut machen, kann ich mir genauso wenig vorstellen wie die berühmte Rückkehr-Ökumene."
Aus der Einleitung zur Leuenburger Konkordie:
"Die Kirche ist allein auf Jesus Christus gegründet, der sie durch die Zuwendung seines Heils in der Verkündigung und in den Sakramenten sammelt und sendet. Nach reformatorischer Einsicht ist darum zur wahren Einheit der Kirche die Übereinstimmung in der rechten Lehre des Evangeliums und in der rechten Verwaltung der Sakramente notwendig und ausreichend." [Hervorhebung von mir]
Mal davon abgesehen, dass hier schlicht und einfach die Apostel unterschlagen werden (una, sancta, catholica et apostolica ecclesia) - weiß das meine Landesbischöfin?
"Bei vielen Evangelischen wird wahrgenommen, dass der Katholizismus daran festhält, die wahre Kirche zu sein und alle Wahrheit zu haben. Dabei sind wir alle doch nur Zeuginnen und Zeugen der Wahrheit, die Jesus Christus ist, ohne diese zu besitzen.
(...)
Das Schlechteste, was uns jetzt passieren könnte, wäre ein Verhärtung, eine Verbarrikadierung in Festungen des 'wahren' (sic!) Glaubens." [zitiert bei Petra]

Leuenburger Konkordie

Petra demontiert meine Landesbischöfin. Das kann ich natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Nur ein Punkt herausgegriffen:
Der Kirchentag hat gelernt (sic!), dass das Abendmahl auch für viele Evangelische kein banaler Akt (sic!) ist, den man einfach so liturgisch verändern kann. Er ist das Herzstück des Glaubens. (...) Es ist freilich auch anzuerkennen, wie stark gerade der Kirchentag dazu beigetragen hat, dass in der evangelischen Kirche heute das Abendmahl nicht mehr nur zwei Mal im Jahr ganz in Schwarz und sündenbeladen (sic!) gefeiert wird, wie ich es als Jugendliche noch kennen gelernt habe. Es ist das Fest des Lebens, der Auferstehung und der Gemeinschaft mit dem Auferstandenen.
Sagt vor allem das erste Zitat nicht sehr viel darüber aus, dass die evangelische Kirche offenbar mit ihrem eigenen Abendmahlverständnis ein großes Problem hat? Wenn man jetzt plötzlich mit großer Verwunderung draufkommt, dass es evangelische Gläubige gibt, denen das Abendmahl etwas Heiliges ist - kann man da wirklich erwarten, dass auch nur ein klitzekleines Verständnis für die katholische Lehre von der Eucharistie aufkommt?

Kann es nicht sein, dass hier die Spätfolgen der Leuenburger Konkordie ans Licht treten? Ich komme darauf, weil ich gerade gestern den Hinweis darauf von Joseph Ratzinger (2003) im Interview mit der Tagespost gesehen hatte. Liegt hier nicht ein Anschauungsbeispiel vor für mögliche Folgen einer Subtraktions-Ökumene?

Dienstag, Mai 24, 2005

Heil

Fachbegriffe des Christentums, zweite Lieferung.

Was heil ist, ist nicht kaputt. Kinder wissen das, wenn sie mit ihrem zerbrochenen Spielzeug zum Vater kommen und ihn fragen, ob er das wieder heil machen kann. Oft kann er das, oft auch nicht.

Auch Menschen können kaputt sein: erschöpft, ausgelaugt, am Boden, am Ende. So ein Menschenleben ist nicht so leicht wieder ganz zu machen. Je schwerer der Schaden, desto weniger genügt die eigene Kraft - andere Menschen müssen zu Hilfe kommen.

Das Wort Heil ist in der deutschen Sprache seit sechzig Jahren verbrannt. Wer es noch in den Mund nimmt, riskiert Missverständnisse. Mit Faschismus und Kommunismus sind zwei Versuche atheistischer Regimes gescheitert, ohne Gott das Heil auf Erden zu verwirklichen. Heil in Vollendung, perfektes Heil gibt es nur in Gott, bei Gott und durch Gott. Was heilig ist, ist ungebrochen, ganz, vollendet.

Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, heißt es im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel über Jesus Christus, den einen Herrn. Das Heil ist der ganze Sinn, der einzige Zweck und das letzte Ziel des Christentums, der Anspruch, den die Kirche an sich selbst stellt und an dem sie sich messen lassen muss.

Heilige sind Menschen, von denen wir uns sicher sein können, dass sie das Heil in Vollendung erreicht haben. Sie sind am Ziel, das wir noch anstreben, und können deshalb Vorbilder für uns sein.

Ach so, was uns am Heil hindert, ist die Sünde.

Heinz Rudolf Kunze

Von ihm, zahlendes Mitglied der evangelischen Kirche, hat sich der Evangelische Kirchentag sein offizielles Lied anfertigen lassen. Heinz Rudolf Kunze im Interview:
„Wenn es darum geht, die Sehnsucht zu befriedigen und die Seele anzusprechen, liegt die katholische Kirche eindeutig vorn.“ Der Sänger befürchtet, daß die evangelische Kirche „irgendwann von der katholischen Kirche geschluckt“ wird, „wenn die Protestanten keine Wende zum Geheimnis vollziehen“. Sollte sich die evangelische Kirche „vor lauter Aufklärung“ in eine reine Sozialarbeit auflösen, werde sie nicht mehr gebraucht."

Rücknahme ins Subjektive

Das Kirchenbewusstsein ist aber auch bei Katholiken relativiert. Sie können weithin nicht mehr annehmen, dass die katholische Kirche ihnen wirklich die Bürgschaft der Wahrheit ist. Und vor allen Dingen ist die Sicht des Sakraments auf beiden Seiten sehr unscharf geworden. Mit der Leuenburger Konkordie haben die Protestanten erst vor dreißig Jahren mühsam eine Kommuniongemeinschaft gefunden, wobei die Lutheraner ihren Glauben an die Realpräsenz ins zweite Glied zurückstellen mussten. Das ist schon ein bedeutsamer Vorgang, dass man etwas, was bisher grundlegend war, ins Subjektive zurücknimmt und damit sowohl den eigenen Glauben wie die äußere Gestalt relativiert. Da ist sowohl auf der protestantischen als auch der katholischen Seite eine Grundbesinnung darüber nötig, was das Sakrament ist, wie es recht gefeiert wird, was die Bedingungen dafür sind und wie Einheit eine wirkliche Einheit und nicht eine Reduktion sein kann, die das Sakrament dann selber herabstuft.
Joseph Ratzinger (2003) im Interview mit der Tagespost

Zerfall des Kirchenbewusstseins

Die Krise der Kirche ist die ganz konkrete Gestalt dieser Bewusstseins- und Glaubenskrise. Die Kirche erscheint nicht mehr als die lebendige Gemeinschaft, die von Christus selber herkommt und uns verbürgt, was Christus sagt, uns damit auch die geistige Heimat und die innere Gewissheit gibt, dass der Glaube wahr ist. Aber heute erscheint sie als eine Gemeinschaft unter vielen anderen: Es gibt viele Kirchen, wird jeder sagen, und es wäre menschlich unanständig, die eigene als die bessere anzusehen. Schon der menschliche Anstand gebietet einem also, die eigene so relativ zu sehen, wie man alle anderen auch sehen muss. Dann sind es also soziologische Zufallsgebilde, die unvermeidbar waren, aber die uns nicht mehr das Bürgnis geben: „Da bist du recht zu Hause“. Dieser Zerfall des Kirchenbewusstseins, der natürlich auch wieder mit dem ganzen Diktat der geistigen Situation von heute zusammenhängt und der konkrete Anwendungsfall davon ist, ist sicher ein Hauptgrund dafür, dass uns das Wort nicht mit Autorität erreicht, sondern wir allenfalls sagen: Da ist Schönes dran, aber ich muss mir selber aussuchen, was ich richtig finde.
Joseph Ratzinger (2003) im Interview mit der Tagespost

Bibelfundamentalismus

Und wieder trägt Erich, erneut mit einem Zitat von Joseph Ratzinger (2003), indirekt zu unserer Debatte bei:
"Es ist ja sehr bezeichnend, dass sich im Protestantismus die fundamentalistischen Gemeinschaften gebildet haben, die diesen Auflösungstendenzen entgegentreten und den Glauben durch Ablehnung der historisch-kritischen Methode integral wieder erhalten wollten. Dass heute die fundamentalistischen Gemeinschaften wachsen, weltweit Erfolg haben, während die mainstream-churches in einer Überlebenskrise stehen, zeigt die Größe des Problems an.

In vieler Hinsicht haben wir Katholiken es da besser. Für die Protestanten, die nun den exegetischen Strom nicht annehmen wollten, blieb eigentlich nur der Rückzug, die Wörtlichkeit der Bibel zu kanonisieren, sie für unverhandelbar zu erklären. Die katholische Kirche hat sozusagen einen größeren Raum, insofern die lebendige Kirche der Raum des Glaubens ist, der einerseits Grenzen absteckt, der andererseits aber auch eine Variationsbreite zulässt."

Der Textauszug stammt aus einem absolut lesenswerten Interview mit der Tagespost.

Montag, Mai 23, 2005

Verschlossene Rückwege

Scipio zitiert Erik Peterson (aus dem Epilog zu seinem Briefwechsel mit Adolf Harnack von 1928):
Nimmt man jedoch seine Zuflucht zu dem Begriff einer spezifisch kirchlichen Öffentlichkeit, dann erhebt sich notwendigerweise die Forderung nach einer Dogmenbildung im Sinne des Katholizismus und nach einer dogmatischen Lehrautorität in der Kirche, was doch durch die protestantischen Voraussetzungen wiederum ausgeschlossen ist. Wenn es nun aber kein Dogma im echten Sinne in der protestantischen Kirche gibt, dann ist auch keine Theologie möglich. Denn es gibt keine Theologie ohne Dogmatik und keine Dogmatik ohne Dogma.

Ja, das Dogma. Sperrig steht es da im kirchlichen Raum, als Stein des Anstoßes. Mit schlechtem Ruf, denn dogmatisch möchte doch niemand mehr sein, da anything goes. Und es offenkundig rechtfertigungspflichtig geworden ist, dem Relativismus zu widersprechen.

Revision

Ausgangspunkt der jüngsten heißen Debatten war meine angesichts der theologischen Position von Matthias Kroeger aufgestellte These, der Protestantismus sei nach knapp fünfhundert Jahren endgültig erledigt:
Seine ursprünglichen Anliegen sind erfüllt, seine intellektuelle Kraft erschöpft. Was bleibt, ist nur noch Häresie. Wäre nicht 2017 ein guter Termin, die Reformation ad acta zu legen?
Bis 2017 ist noch genug Zeit zur Revision. Beginnen möchte ich mit dem Gründungsdokument der lutherischen Reformation, den 95 Thesen. An jeder einzelnen These müsste sich aufweisen lassen, ob ihr Anliegen erfüllt oder sie eindeutig dem Bereich der Häresie zuzuordnen ist. Diese Revision wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen, zumal ich ja auch noch eine andere Artikelserie in petto habe.

Der Thesentext beginnt mit einer programmatischen Aussage:
Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden. [Hervorhebung von mir]

Also, disputieren wir!

95 Thesen

Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden. Deshalb bittet er die, die nicht anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen.

1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
2. Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament - d. h. von der Beichte und Genugtuung -, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.
3. Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.
4. Daher bleibt die Strafe, solange der Haß gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich.
5. Der Papst will und kann keine Strafen erlassen, außer solchen, die er auf Grund seiner eigenen Entscheidung oder der der kirchlichen Satzungen auferlegt hat.
6. Der Papst kann eine Schuld nur dadurch erlassen, daß er sie als von Gott erlassen erklärt und bezeugt, natürlich kann er sie in den ihm vorbehaltenen Fällen erlassen; wollte man das geringachten, bliebe die Schuld ganz und gar bestehen.
7. Gott erläßt überhaupt keinem die Schuld, ohne ihn zugleich demütig in allem dem Priester, seinem Stellvertreter, zu unterwerfen.
8. Die kirchlichen Bestimmungen über die Buße sind nur für die Lebenden verbindlich, den Sterbenden darf demgemäß nichts auferlegt werden.
9. Daher handelt der Heilige Geist, der durch den Papst wirkt, uns gegenüber gut, wenn er in seinen Erlassen immer den Fall des Todes und der höchsten Not ausnimmt.
10. Unwissend und schlecht handeln diejenigen Priester, die den Sterbenden kirchliche Bußen für das Fegefeuer aufsparen.
11. Die Meinung, daß eine kirchliche Bußstrafe in eine Fegefeuerstrafe umgewandelt werden könne, ist ein Unkraut, das offenbar gesät worden ist, während die Bischöfe schliefen.
12. Früher wurden die kirchlichen Bußstrafen nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, gleichsam als Prüfstein für die Aufrichtigkeit der Reue.
13. Die Sterbenden werden durch den Tod von allem gelöst, und für die kirchlichen Satzungen sind sie schon tot, weil sie von Rechts wegen davon befreit sind.
14. Ist die Haltung eines Sterbenden und die Liebe (Gott gegenüber) unvollkommen, so bringt ihm das notwendig große Furcht, und diese ist um so größer, je geringer jene ist.
15. Diese Furcht und dieser Schrecken genügen für sich allein - um von anderem zu schweigen -, die Pein des Fegefeuers auszumachen; denn sie kommen dem Grauen der Verzweiflung ganz nahe.
16. Es scheinen sich demnach Hölle, Fegefeuer und Himmel in der gleichen Weise zu unterscheiden wie Verzweiflung, annähernde Verzweiflung und Sicherheit.
17. Offenbar haben die Seelen im Fegefeuer die Mehrung der Liebe genauso nötig wie eine Minderung des Grauens.
18. Offenbar ist es auch weder durch Vernunft- noch Schriftgründe erwiesen, daß sie sich außerhalb des Zustandes befinden, in dem sie Verdienste erwerben können oder in dem die Liebe zunehmen kann.
19. Offenbar ist auch dieses nicht erwiesen, daß sie - wenigstens nicht alle - ihrer Seligkeit sicher und gewiß sind, wenngleich wir ihrer völlig sicher sind.
20. Daher meint der Papst mit dem vollkommenen Erlaß aller Strafen nicht einfach den Erlaß sämtlicher Strafen, sondern nur derjenigen, die er selbst auferlegt hat.
21. Deshalb irren jene Ablaßprediger, die sagen, daß durch die Ablässe des Papstes der Mensch von jeder Strafe frei und los werde.
22. Vielmehr erläßt er den Seelen im Fegefeuer keine einzige Strafe, die sie nach den kirchlichen Satzungen in diesem Leben hätten abbüßen müssen.
23. Wenn überhaupt irgendwem irgendein Erlaß aller Strafen gewährt werden kann, dann gewiß allein den Vollkommensten, das heißt aber, ganz wenigen.
24. Deswegen wird zwangsläufig ein Großteil des Volkes durch jenes in Bausch und Bogen und großsprecherisch gegebene Versprechen des Straferlasses getäuscht.
25. Die gleiche Macht, die der Papst bezüglich des Fegefeuers im allgemeinen hat, besitzt jeder Bischof und jeder Seelsorger in seinem Bistum bzw. seinem Pfarrbezirk im besonderen.
26. Der Papst handelt sehr richtig, den Seelen (im Fegefeuer) die Vergebung nicht auf Grund seiner - ihm dafür nicht zur Verfügung stehenden - Schlüsselgewalt, sondern auf dem Wege der Fürbitte zuzuwenden.
27. Menschenlehre verkündigen die, die sagen, daß die Seele (aus dem Fegefeuer) emporfliege, sobald das Geld im Kasten klingt.
28. Gewiß, sobald das Geld im Kasten klingt, können Gewinn und Habgier wachsen, aber die Fürbitte der Kirche steht allein auf dem Willen Gottes.
29. Wer weiß denn, ob alle Seelen im Fegefeuer losgekauft werden wollen, wie es beispielsweise beim heiligen Severin und Paschalis nicht der Fall gewesen sein soll.
30. Keiner ist der Echtheit seiner Reue gewiß, viel weniger, ob er völligen Erlaß (der Sündenstrafe) erlangt hat.
31. So selten einer in rechter Weise Buße tut, so selten kauft einer in der rechten Weise Ablaß, nämlich außerordentlich selten.
32. Wer glaubt, durch einen Ablaßbrief seines Heils gewiß sein zu können, wird auf ewig mit seinen Lehrmeistern verdammt werden.
33. Nicht genug kann man sich vor denen hüten, die den Ablaß des Papstes jene unschätzbare Gabe Gottes nennen, durch die der Mensch mit Gott versöhnt werde.
34. Jene Ablaßgnaden beziehen sich nämlich nur auf die von Menschen festgesetzten Strafen der sakramentalen Genugtuung.
35. Nicht christlich predigen die, die lehren, daß für die, die Seelen (aus dem Fegefeuer) loskaufen oder Beichtbriefe erwerben, Reue nicht nötig sei.
36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlaß von Strafe und Schuld, auch ohne Ablaßbrief.
37. Jeder wahre Christ, sei er lebendig oder tot, hat Anteil an allen Gütern Christi und der Kirche, von Gott ihm auch ohne Ablaßbrief gegeben.
38. Doch dürfen der Erlaß und der Anteil (an den genannten Gütern), die der Papst vermittelt, keineswegs geringgeachtet werden, weil sie - wie ich schon sagte - die Erklärung der göttlichen Vergebung darstellen.
39. Auch den gelehrtesten Theologen dürfte es sehr schwerfallen, vor dem Volk zugleich die Fülle der Ablässe und die Aufrichtigkeit der Reue zu rühmen.
40. Aufrichtige Reue begehrt und liebt die Strafe. Die Fülle der Ablässe aber macht gleichgültig und lehrt sie hassen, wenigstens legt sie das nahe.
41. Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablaß gepredigt werden, damit das Volk nicht fälschlicherweise meint, er sei anderen guten Werken der Liebe vorzuziehen.
42. Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, daß der Erwerb von Ablaß in irgendeiner Weise mit Werken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei.
43. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablaß zu kaufen.
44. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablaß wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit.
45. Man soll die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht, ihn übergeht und statt dessen für den Ablaß gibt, kauft nicht den Ablaß des Papstes, sondern handelt sich den Zorn Gottes ein.
46. Man soll die Christen lehren: Die, die nicht im Überfluß leben, sollen das Lebensnotwendige für ihr Hauswesen behalten und keinesfalls für den Ablaß verschwenden.
47. Man soll die Christen lehren: Der Kauf von Ablaß ist eine freiwillige Angelegenheit, nicht geboten.
48. Man soll die Christen lehren: Der Papst hat bei der Erteilung von Ablaß ein für ihn dargebrachtes Gebet nötiger und wünscht es deshalb auch mehr als zur Verfügung gestelltes Geld.
49. Man soll die Christen lehren: Der Ablaß des Papstes ist nützlich, wenn man nicht sein Vertrauen darauf setzt, aber sehr schädlich, falls man darüber die Furcht Gottes fahrenläßt.
50. Man soll die Christen lehren: Wenn der Papst die Erpressungsmethoden der Ablaßprediger wüßte, sähe er lieber die Peterskirche in Asche sinken, als daß sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbaut würde.
51. Man soll die Christen lehren: Der Papst wäre, wie es seine Pflicht ist, bereit - wenn nötig -, die Peterskirche zu verkaufen, um von seinem Gelde einem großen Teil jener zu geben, denen gewisse Ablaßprediger das Geld aus der Tasche holen.
52. Auf Grund eines Ablaßbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablaß-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.
53. Die anordnen, daß um der Ablaßpredigt willen das Wort Gottes in den umliegenden Kirchen völlig zum Schweigen komme, sind Feinde Christi und des Papstes.
54. Dem Wort Gottes geschieht Unrecht, wenn in ein und derselben Predigt auf den Ablaß die gleiche oder längere Zeit verwendet wird als für jenes.
55. Die Meinung des Papstes ist unbedingt die: Wenn der Ablaß - als das Geringste - mit einer Glocke, einer Prozession und einem Gottesdienst gefeiert wird, sollte das Evangelium - als das Höchste - mit hundert Glocken, hundert Prozessionen und hundert Gottesdiensten gepredigt werden.
56. Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablaß austeilt, ist bei dem Volke Christi weder genügend genannt noch bekannt.
57. Offenbar besteht er nicht in zeitlichen Gütern, denn die würden viele von den Predigern nicht so leicht mit vollen Händen austeilen, sondern bloß sammeln.
58. Er besteht aber auch nicht aus den Verdiensten Christi und der Heiligen, weil diese dauernd ohne den Papst Gnade für den inwendigen Menschen sowie Kreuz, Tod und Hölle für den äußeren bewirken.
59. Der heilige Laurentius hat gesagt, daß der Schatz der Kirche ihre Armen seien, aber die Verwendung dieses Begriffes entsprach der Auffassung seiner Zeit.
60. Wohlbegründet sagen wird, daß die Schlüssel der Kirche - die ihr durch das Verdienst Christi geschenkt sind - jenen Schatz darstellen.
61. Selbstverständlich genügt die Gewalt des Papstes allein zum Erlaß von Strafen und zur Vergebung in besondern, ihm vorbehaltenen Fällen.
62. Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
63. Dieser ist zu Recht allgemein verhaßt, weil er aus Ersten Letzte macht.
64. Der Schatz des Ablasses jedoch ist zu Recht außerordentlich beliebt, weil er aus Letzten Erste macht.
65. Also ist der Schatz des Evangeliums das Netz, mit dem man einst die Besitzer von Reichtum fing.
66. Der Schatz des Ablasses ist das Netz, mit dem man jetzt den Reichtum von Besitzenden fängt.
67. Der Ablaß, den die Ablaßprediger lautstark als außerordentliche Gnaden anpreisen, kann tatsächlich dafür gelten, was das gute Geschäft anbelangt.
68. Doch sind sie, verglichen mit der Gnade Gottes und der Verehrung des Kreuzes, in der Tat ganz geringfügig.
69. Die Bischöfe und Pfarrer sind gehalten, die Kommissare des apostolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.
70. Aber noch mehr sind sie gehalten, Augen und Ohren anzustrengen, daß jene nicht anstelle des päpstlichen Auftrags ihre eigenen Phantastereien predigen.
71. Wer gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses spricht, der sei verworfen und verflucht.
72. Aber wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ablaßprediger auftritt, der sei gesegnet.
73. Wie der Papst zu Recht seinen Bannstrahl gegen diejenigen schleudert, die hinsichtlich des Ablaßgeschäftes auf mannigfache Weise Betrug ersinnen,
74. So will er viel mehr den Bannstrahl gegen diejenigen schleudern, die unter dem Vorwand des Ablasses auf Betrug hinsichtlich der heiligen Liebe und Wahrheit sinnen.
75. Es ist irrsinnig zu meinen, daß der päpstliche Ablaß mächtig genug sei, einen Menschen loszusprechen, auch wenn er - was ja unmöglich ist - der Gottesgebärerin Gewalt angetan hätte.
76. Wir behaupten dagegen, daß der päpstliche Ablaß auch nicht die geringste läßliche Sünde wegnehmen kann, was deren Schuld betrifft.
77. Wenn es heißt, auch der heilige Petrus könnte, wenn er jetzt Papst wäre, keine größeren Gnaden austeilen, so ist das eine Lästerung des heiligen Petrus und des Papstes.
78. Wir behaupten dagegen, daß dieser wie jeder beliebige Papst größere hat, nämlich das Evangelium, "Geisteskräfte und Gaben, gesund zu machen" usw., wie es 1. Kor. 12 heißt.
79. Es ist Gotteslästerung zu sagen, daß das (in den Kirchen) an hervorragender Stelle errichtete (Ablaß-) Kreuz, das mit dem päpstlichen Wappen versehen ist, dem Kreuz Christi gleichkäme.
80. Bischöfe, Pfarrer und Theologen, die dulden, daß man dem Volk solche Predigt bietet, werden dafür Rechenschaft ablegen müssen.
81. Diese freche Ablaßpredigt macht es auch gelehrten Männern nicht leicht, das Ansehen des Papstes vor böswilliger Kritik oder sogar vor spitzfindigen Fragen der Laien zu schützen.
82. Zum Beispiel: Warum räumt der Papst nicht das Fegefeuer aus um der heiligsten Liebe und höchsten Not der Seelen willen - als aus einem wirklich triftigen Grund -, da er doch unzählige Seelen loskauft um des unheilvollen Geldes zum Bau einer Kirche willen - als aus einem sehr fadenscheinigen Grund -?
83. Oder: Warum bleiben die Totenmessen sowie Jahrfeiern für die Verstorbenen bestehen, und warum gibt er (der Papst) nicht die Stiftungen, die dafür gemacht worden sind, zurück oder gestattet ihre Rückgabe,wenn es schon ein Unrecht ist, für die Losgekauften zu beten?
84. Oder: Was ist das für eine neue Frömmigkeit vor Gott und dem Papst, daß sie einem Gottlosen und Feinde erlauben, für sein Geld eine fromme und von Gott geliebte Seele loszukaufen; doch um der eigenen Not dieser frommen und geliebten Seele willen erlösen sie diese nicht aus freigeschenkter Liebe?
85. Oder: Warum werden die kirchlichen Bußsatzungen, die "tatsächlich und durch Nichtgebrauch" an sich längst abgeschafft und tot sind, doch noch immer durch die Gewährung von Ablaß mit Geld abgelöst, als wären sie höchst lebendig?
86. Oder: Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?
87. Oder: Was erläßt der Papst oder woran gibt er denen Anteil, die durch vollkommene Reue ein Anrecht haben auf völligen Erlaß und völlige Teilhabe?
88. Oder: Was könnte der Kirche Besseres geschehen, als wenn der Papst, wie er es (jetzt) einmal tut, hundertmal am Tage jedem Gläubigen diesen Erlaß und diese Teilhabe zukommen ließe?
89. Wieso sucht der Papst durch den Ablaß das Heil der Seelen mehr als das Geld; warum hebt er früher gewährte Briefe und Ablässe jetzt auf, die doch ebenso wirksam sind?
90. Diese äußerst peinlichen Einwände der Laien nur mit Gewalt zu unterdrücken und nicht durch vernünftige Gegenargumente zu beseitigen heißt, die Kirche und den Papst dem Gelächter der Feinde auszusetzen und die Christenheit unglücklich zu machen.
91. Wenn daher der Ablaß dem Geiste und der Auffassung des Papstes gemäß gepredigt würde, lösten sich diese (Einwände) alle ohne weiteres auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht.
92. Darum weg mit allen jenen Propheten, die den Christen predigen: "Friede, Friede", und ist doch kein Friede.
93. Wohl möge es gehen allen den Propheten, die den Christen predigen: "Kreuz, Kreuz", und ist doch kein Kreuz.
94. Man soll die Christen ermutigen, daß sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten
95. und daß die lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Himmelreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen.

Quelle: luther.de

Ökumene

Vom wahren Christenthum kündet derzeit eine Ausstellung in Jork. Ihren Titel hat sie von einer Schrift des "Erbauungstheologen" und Celler Generalsuperintendenten Johann Arndt.
Seine Schrift "Vom wahren Christenthum" ist das zentrale Erbauungsbuch der lutherischen Orthodoxie und in Altländer Haushalten in etlichen Exemplaren und Ausgaben vorhanden.
Zu Arndts Zeiten (er wurde vor 450 Jahren geboren) war noch völlig klar, dass der Protestantismus um die Wahrheit kämpfte - und gegen die Irrtümer des Katholizismus.

Und das erwarte ich auch heute vom ökumenischen Dialog: Dass alle Beteiligten darlegen, wie sie die Wahrheit sehen, was sie für die Wahrheit halten und warum sie das tun. Luther und Arndt kann man sicher nicht vorwerfen, nicht klar und deutlich gesagt zu haben, wofür und wogegen sie stehen.

Ich will die Wahrheit besser verstehen, und ich spreche den nicht-katholischen Kirchen von Rom getrennten Christen nicht pauschal ab, dass sie dazu beitragen können. Weil sie womöglich die Wahrheit besser verstehen als ich. Weil der Heilige Geist zweifelsohne weht, wo er will.

Dazu ist es allerdings notwendig, dass meine Dialogpartner ihr Verständnis von der Wahrheit darlegen - und sich nicht selbst dementieren, indem sie sagen, niemand verstehe die Wahrheit, deshalb könnten wir letztlich nicht erkennen, ob eine konkrete Glaubensaussage der Wahrheit entspricht oder nicht.

Diese Position halte ich für eine intellektuelle Bankrotterklärung. Sollte sie in den deutschen protestantischen Denominationen mehrheitsfähig sein, dann würde ich die deutsche Variante des Protestantismus in der Tat für erledigt halten. Das käme nämlich einer Selbstabschaffung gleich. Eine Kirche, die das, was sie lehrt, nicht mehr für die Wahrheit hält (unabhängig davon, ob sie darin irrt oder nicht), entzieht sich selbst die Existenzgrundlage.

Samstag, Mai 21, 2005

Dreifaltigkeit


In jenen Tagen
stand Mose am Morgen zeitig auf und ging auf den Sinai hinauf, wie es ihm der Herr aufgetragen hatte.
Der Herr aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen Jahwes aus.
Der Herr ging an ihm vorüber und rief: Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue.
Sofort verneigte sich Mose bis zur Erde und warf sich zu Boden.
Er sagte: Wenn ich deine Gnade gefunden habe, mein Herr, dann ziehe doch mein Herr mit uns. Es ist zwar ein störrisches Volk, doch vergib uns unsere Schuld und Sünde, und lass uns dein Eigentum sein!
Ex 34, 4b.5.-6.8-9

Freitag, Mai 20, 2005

Sloterdijk


Wer dieses Interview der Wiwo (21/2005) mit Peter Sloterdijk liest, versteht, warum der Mann so erfolgreich ist. Ein Aperçu:
Die Globalisierungskritiker von heute reden über die schnellen weltweiten Geldbewegungen sehr ähnlich wie die katholischen Theologen im 17. Jahrhundert über die damals neu bewiesene Erdrotation. Destabilisierungen dieses Formats werden zunächst mit heiligem Zorn abgelehnt. Es ist ja wirklich ein Angriff auf die Menschenwürde, wenn ich von heute auf morgen hinnehmen soll, dass ich binnen 24 Stunden um die Erdachse herumgeschleudert werde. Auch die Gegner der Erdrotation wussten, was sie wollten: Sie hatten etwas dagegen, zu kosmischen Idioten zu werden. Mit der Globalisierung und ihren Kritikern steht es ebenso.

Taking seriously

Walter Kard. Kasper in Current Problems in Ecumenical Theology:
No Church can speak of several duplicates or branches of the one Church of Jesus Christ all having equal rights, without renouncing the claim of being truthful. Every Church that takes itself seriously, must start from the fact that – for all human weaknesses – the true Church of Jesus Christ is present in it. The Catholic Church takes the other Churches seriously precisely in that she does not even out the differences nor does she consider these differences as being of “equal value”, but she respects the other Churches in the otherness which they claim for themselves. In that sense she speaks with them “par cum pari”, on a parity level, “on an equal footing”.

(aus der Debatte um Geld ohne Gott)

Priesteramtskandidaten

Weltweite Statistik 1978 vs. 2003 bei kath.net

Sprachlosigkeit und Redeüberfluss

Erich bezweifelt meine Diagnose. Oder vielmehr: Er rundet sie ab und rückt sie ins rechte Licht.
Sind seine zentralen Begriffe tatsächlich sprachlich so sperrig, inhaltlich so unsagbar schwierig, dass sie nahezu unvermittelbar sind?
Nein, sind sie nicht, da hat Erich völlig recht. Sie sind aber vielen heutigen Zeitgenossen nicht mehr bekannt, werden falsch oder gar nicht verstanden.

Am Beispiel des Begriffs Sünde: Sein Sinngehalt ist recht einfach. Aber warum weisen viele Menschen schon den doch völlig auf der Hand liegenden Gedanken zurück, dass sie nicht ihren (selbst gewählten) Maßstäben gerecht werden? Vermutlich, weil sie letztlich sich selbst an die Stelle Gottes gesetzt haben. Der Atheismus ist insofern nicht so neutral, wie er sich gerne gibt. Denn offensichtlich gelingt es nicht, die Stelle Gottes einfach leer zu lassen. Irgendwer oder irgendwas (und sei es die Vernunft) besetzt diese Position.

Donnerstag, Mai 19, 2005

Sünde

Fachbegriffe des Christentums, erste Lieferung.

Nobody is perfect. Das ist im Grunde ein allgemein einsichtiger, mithin konsensfähiger Satz. Und zwar völlig unabhängig davon, nach welchen Maßstäben hier eigentlich gemessen wird. Kein Mensch ist fehlerlos - verglichen mit seinen höchst persönlichen Idealen, den Erwartungen anderer Menschen, dem kategorischen Imperativ, jeder beliebigen Ethik oder Moral.

Sünde ist ein konkreter Akt: der fehlerhafte Gedanke, das falsche Wort, die (von wem auch immer) verbotene Tat. Jeder einzelne Fehler ist eine Sünde. Sünden können unterschiedlich schwer wiegen, angefangen von der (fast) vernachlässigbaren Kleinigkeit, die einen kaum wahrnehmbaren Schaden anrichtet, bis zur großen Katastrophe, die das Leben kosten kann - fremdes, eigenes oder ewiges Leben. (Was ewiges Leben bedeutet, erkläre ich später. Nur soviel vorweg: Es bedeutet nicht ein sehr langes Leben.)

Sünden bleiben nicht ohne negative Folgen. Und zwar für das ganz banale Alltagsleben. Sünden sind irreversibel; man kann sie nicht ungeschehen machen. Sie sind ein Stachel im Fleisch; meistens ist ein schlechtes Gewissen (muss ich diesen Begriff auch erklären?) ein untrügliches Zeichen für eine Sünde. Das Gewissen drängt den Sünder - also den Menschen, der eine oder mehrere Sünden begeht - dazu, die Sache wieder aus der Welt zu schaffen.
Schenke den Sündern die Gnade der Bekehrung; führe uns alle durch Buße zum Heil.

Diese Fürbitte steht im Kleinen Stundenbuch in der Vesper vom Donnerstag der dritten Woche. Neben Sünde sind darin gleich vier weitere Fachbegriffe des Christentums enthalten, drei davon stehen bereits auf der Liste. Den vierten füge ich jetzt hinzu.

Konvertit

Der Pontificator (Autor meines Lieblingsblogs in englischer Sprache, das er nun möglicherweise schließen wird) wird katholisch:
“A convert comes to learn,” Newman wrote, “and not to pick and choose.” It is now time for me to withdraw from the lists of controversy, enter into a spiritual posture of learning and docility, and submit my mind, heart, and soul to the teaching of our Lord through the Magisterium of his Church. It is time for me to abandon the private judgment of my Anglicanism and be reformed by the Catholic Faith in all of its fullness. As Newman wrote to Henry Maskell: “You must come to the Catholic Church to learn, to take on faith, her mode and peculiarities of worship, her ideas of devotion, etc. as well as her doctrine.” This is now the task before me. [via Lumen de Lumine]

Gottes Segen!

Umkehrung der Logik

Noch einmal Matthias Kroeger, diesmal ein Interview aus dem längst verblichenen Sonntagsblatt (dessen Redaktion heute Chrismon herstellt):
"Wir müssen heute wieder den Mut haben, uns auf religiöse Erfahrungen einzulassen, ohne zuvor jedes Mal zu erklären: Wir glauben an einen Gott, der so oder so aussieht. Umgekehrt muß der Weg sein: Wir müssen Menschen in Erfahrungen hineinführen. Am Ende kann dann die Aussage stehen: Ich bin bereit, diese Erfahrung mit dem Wort Gott, Gnade, Heiliges... zu bezeichnen. Die Kirche soll kein Definitionsmonopol beanspruchen: Sie soll den Menschen überlassen, wie sie diese Erfahrungen benennen. Daraus ergeben sich die fälligen theologischen Wandlungen und Kommunikationen. Wir brauchen also eine völlige Umkehrung der Logik. Wissenschaftlich gesprochen: Theologie muß induktiv, nicht deduktiv sein."

Wie ein Papst dem anderen...

Ganz großes Kino im BILDblog: Wie sich die Bilder gleichen

Humanismus

Der Perlentaucher liefert heute den Hinweis auf einen dreispaltigen Aufmacher des FAZ-Feuilletons. Darin legt der Philosoph Kurt Hübner dar, was ihm in der Präambel der EU-Verfassung fehlt. Und das ist nicht einfach der Gottesbezug.
"Wie gezeigt, fehlt in der Präambel der Hinweis darauf, dass es der christliche Humanismus war, aus dem sich Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit entwickelt haben. Wird aber dieser enge Zusammenhang nicht betont, so führt das zu dem Missverständnis, man hätte sich in einer Art krönendem Abschluss der historischen Entwicklung von dem 'religiösen und humanistischen Erbe' emanzipiert. Als Folge davon ist die christliche Begründung des Humanismus verlorengegangen, ohne dass man eine andere gefunden hätte."
Von Kurt Hübner stammt, den Hinweis verdanke ich ebenfalls dem Perlentaucher, das Buch "Das Christentum im Wettstreit der Weltreligionen" (siehe die SZ-Rezension, bei der Hübner schlecht wegkommt). Ein anderes Werk trägt den an Fides et Ratio gemahnenden Titel "Glaube und Denken". In den Amazon-Leserrezensionen wird Hübner dafür ebenfalls ziemlich zerrissen, aber die Rezensionsübersicht beim Perlentaucher sieht freundlicher aus: So hat zum Beispiel Klaus Berger seinerzeit das Buch sehr gelobt.

Nachtrag: Die Rezension zu "Glaube und Denken" in der Zeit.

Mittwoch, Mai 18, 2005

Agamben

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben - die FR bezeichnet ihn anlässlich eines Auftritts dieser Tage in der Berliner Volksbühne als Superstar - könnte in seiner Zeitdiagnose womöglich auch mit Benedikt XVI. einig sein. Hier in der Paraphrase der Frankfurter Rundschau:
"Das Postulat vom Tod Gottes habe gerade nicht zur Abschaffung jedweder Religion geführt, sondern den Menschen nur an Gottes Stelle treten lassen, ganz auf sich allein gestellt, vollkommen überfordert mit seiner absoluten, souveränen und diktatorischen Vollmacht über sich und seines gleichen. Die Konzentrationslager, hier ist der Philosoph unerbittlich klar, erweisen sich insofern als Symptome einer postsäkularen Überforderung."
Agamben allerdings zieht daraus (was nicht unbedingt überrascht) andere Schlüsse als der Papst. Das Fazit der taz:
"So bleibt es bei der Beschwörung eines seinsgeschichtlichen Verhängnisses, das Politik und Metaphysik, Gesetz und Moral, aber auch die Menschen und die Dinge voneinander trennt. Und es bleibt bei der Beschwörung der Hoffnung, dass sich das alles einmal wieder zum Guten wenden wird. So hat man an dem Abend vorgeführt bekommen, dass Giorgio Agamben zwar die Metaphysik wieder in ihr Recht setzen will, nicht aber Diskurs und Streit." [beide Zitate via Perlentaucher]
Giorgio Agamben: Profanierungen. Aus dem Italienischen von Marianne Schneider. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005, 96 Seiten, 7 Euro.

Lesenswert auch die Rezension zu Homo sacer, dem Buch, mit dem Agamben bekannt wurde, in der Süddeutschen.

Hierarchie

Das Magazin brand eins erklärt einen Begriff:
"Das Wort Hierarchie stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie heilige Ordnung. Das „heilig“ ist sehr wichtig. Denn heilig ist alles, was man glauben kann oder auch nicht. Über das Heilige lässt sich aber nicht verhandeln. Halb heilig gibt es so wenig wie ein bisschen schwanger." [via medienrauschen]

So weit, so gut. Aber ist der Begriff heilig korrekt erklärt? Wohl kaum. Ich nehme ihn mal in meine Liste auf.

Dienstag, Mai 17, 2005


Seit 12. Mai erhältlich.

Kirchenverständnis

Damit es nicht untergeht: In den Kommentaren zu diesem Beitrag führe ich gerade eine kleine Diskussion ein Wortgefecht mit einem anonymen Gesprächspartner über ein Bündel von Themen mit Schwerpunkten bei Matthias Kroeger und Ekklesiologie.

Nachtrag: Petra kommentiert das Wortgefecht.

Rosh

Mariam Lau in der Welt über Lea Rosh: Unerbittliches Gedenken [via Fakten und Fiktionen]

Sehr ausführlich, sehr abgewogen.

Sonntag, Mai 15, 2005

Et in Spiritum Sanctum


O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.

O du, den unser größter
Regent uns zugesagt,
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharfgeschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.

Unglaub' und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je,
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh';
du musst uns Kraft verleihen,
Geduld und Glaubenstreu'
und musst uns ganz befreien
von aller Menschenscheu.

Es gilt ein frei Geständnis
in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis
bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde toben,
trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben
das Evangelium.

In aller Heiden Lande
erschallt dein kräftig Wort,
sie werfen Satans Bande
und ihre Götzen fort;
von allen Seiten kommen
sie in das Reich herein;
ach soll es uns genommen,
für uns verschlossen sein?

O wahrlich, wir verdienen
solch strenges Strafgericht;
uns ist das Licht erschienen,
allein wir glauben nicht.
Ach lasset uns gebeugter
um Gottes Gnade flehn,
daß er bei uns den Leuchter
des Wortes lasse stehn.

Du Heil'ger Geist, bereite
ein Pfingstfest nah und fern,
mit deiner Kraft begleite
das Zeugnis von dem Herrn.
O öffne du die Herzen
der Welt und uns den Mund,
dass wir in Freud' und Schmerzen
das Heil ihr machen kund.