Das Notizbuch ist umgezogen. Sie werden weitergeleitet…

Sie sollten automatisch weitergeleitet werden. Falls nicht, besuchen Sie bitte http://commentarium.de und aktualisieren Sie Ihre Lesezeichen.

Sonntag, Juli 24, 2005

Biopolitik

Frank Schirrmacher freut sich über die Rede Horst Köhlers zur Auflösung des Bundestages.
Der Bundespräsident hat nämlich in einer Art Präambel zu seiner Entscheidung erklärt, daß die Zukunft des deutschen Volkes auf dem Spiele steht. Er hat sodann in seiner dramatischen Aufzählung der wirtschaftspolitischen Krisensymptome unserer Gesellschaft einen biopolitischen Satz gesagt, der einen ganz harmlos anschaut und in dem doch ein Unheil mitschwingt, das sich nicht mehr mit ökonomischer und politischer Sprache allein fassen läßt: „Wir haben zuwenig Kinder, und wir werden immer älter”. [...]

Die Tatsache, daß wir als Einzelne immer älter werden und daß unsere Gesellschaft als Ganzes immer schneller altert, hat Horst Köhler an die gleiche Stelle gesetzt wie die Globalisierung oder die epochale Staatsverschuldung. Wer nicht erkennt, daß der demographische Wandel bereits alle anderen gewaltigen Probleme induziert, und wer nicht erkennt, daß wir kein Problem haben, sondern als alternde Menschen in dieser Gesellschaft für die nächsten Jahrzehnte ein Problem sind, der verkennt die existentielle Bedrohung, die ihm selbst und dieser Gesellschaft bevorsteht.

Noch spricht Horst Köhler ein Wahlvolk an, das im Namen der Kinder zu handeln bereit sein könnte. Was aber, wenn - wie in Deutschland in einigen Jahren der Fall - mehr als die Hälfte der Älteren gar keine Enkel mehr haben? Denken sie dann noch an eine Zukunft, die nicht mehr ihre und die ihrer Nachkommen ist? Eine alternde Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die zu verlieren hat; eine junge Gesellschaft ist eine, die nur zu gewinnen hat. Schon jetzt zeigt sich, daß es gerade die alternden Kohorten sind, die sich der neuen Linkspartei und ihren Versprechen zuwenden. Diejenigen, die noch etwas zu gewinnen haben, werden immer weniger.

Unsere Städte und Bundesländer und unser Land verändern im Augenblick so massiv wie noch nie in Friedenszeiten ihre demographische Zusammensetzung. Die wenigen Kinder auf unseren Schulen werden schlecht ausgebildet sein, und die wenigen der wenigen Guten werden sich mit Abwanderungsgedanken tragen. Wer die demographisch erzeugten Probleme mildern will, muß zwangsläufig gegen heute mächtige Wählerschichten Politik machen. Entwickelt es sich in Deutschland so, wie in manchen ebenfalls schnell alternden Teilen der Welt, dann werden bald Wähler immer dezidierter auf Kosten der Jugend, auf Kosten von Schulen und Ausbildung ihre Wahlentscheidungen treffen: mehr Straßenlaternen, wie in Florida, finanziert durch weniger Lehrer. [Perlentaucher]

Dass Schirrmacher sein Stück mit Google-Trefferzahlen als Einstieg ausstattet, sei ihm verziehen.

17. Sonntag im Jahreskreis

Gott, du Beschützer aller, die auf dich hoffen,
ohne dich ist nichts gesund und nichts heilig.
Führe uns in deinem Erbarmen den rechten Weg
und hilf uns,
die vergänglichen Güter so zu gebrauchen,
dass wir die ewigen nicht verlieren.
Tagesgebet vom 17. Sonntag im Jahreskreis

Freitag, Juli 22, 2005

Die Revolution hat gesiegt

Martin Mosebach beantwortet die Frage der Frankfurter Rundschau: Sind Sie konservativ?
"Da gilt es zunächst zu klären, was das Wort 'konservativ' eigentlich bedeutet. Nach landläufigen Begriffen heißt 'konservativ' der politische Wille, eine bestimmte Ordnung vor Umwälzung zu schützen und so gut wie möglich in den Veränderungen der Zeit bewahren zu wollen. Konservativ ist man als Freund der genannten Ordnung vor der Revolution - man will die Revolution verhindern. Was aber, wenn die Revolution gesiegt hat und all das, was der Konservative schützen wollte, weggefegt worden ist? Europa hat seit 1789 eine Reihe gewaltsamer politischer Umwälzungen erfahren, die tiefste und nachhaltigste davon war die Industrielle Revolution. Ich frage mich ernsthaft, ob nach ihrem unbezweifelbaren Sieg Konservatismus überhaupt noch möglich ist? [...]

Da Sie das Industriezeitalter als definitives Ende des Konservatismus definieren: Welches sind die Aporien von Industriezeitalter und Konservatismus?

Alle Voraussetzungen für einen wirklichen Konservatismus sind nicht mehr da. Jeder kennt die Schlagworte, die unsere Welt charakterisieren: offene Märkte, kommerzialisierte Wissenschaft, der Zwang zu unablässigem Wachstum, religiöse Indifferenz, Atomisierung der Gesellschaft, Amnesie - da erscheinen die konservativen Ideale nur noch als ferner schattenhafter Traum: autarke kleine Regionen, zweckfreie Forschung, Stabilität bis hin zur wohltuend empfundenen Stagnation, religiöse Bindung, Zusammensetzung der Gesellschaft aus von ihr unabhängigen Familien und Körperschaften, Gegenwart der Vergangenheit und der Toten.

Sie meinen also das zyklische Leben, das Leben als Wiederholung?


Bis zur Industriellen Revolution waren die Lebensbedingungen, von den klimatischen Differenzen abgesehen, in der ganzen Welt sehr ähnlich. Gegenwärtig erleben wir nicht den Zusammenstoß von Zivilisationen, sondern den Endkampf jener Zivilisationen, die sich noch verzweifelt gegen den Sieg der Industriellen Revolution wehren, obwohl sie de facto schon von ihr überwältigt worden sind. Mich überzeugt die These, dass wir eine Umwälzung erleben von den Ausmaßen, wie sie die Zähmung des Feuers in der Steinzeit besaß.

Wie erklären Sie sich denn, dass der Begriff des Konservativen so attraktiv geblieben ist, sowohl für politische Parteien als auch für bestimmte Strömungen im Geistesleben?

Ich vermute, dass die Ahnung, der Bruch mit der organischen Entwicklung des irdischen Menschenlebens sei wirklich irreversibel, in vielen Menschen ein geheimes Grauen erregt. 'Konservativ' wird heute genannt, was den längst unbeherrschbar gewordenen Lauf der Entwicklung ein wenig hemmen, ein wenig bremsen könnte. 'Konservativ' wird heute auch empfunden, wer sich die Geschichte nicht nur hegelianisch zu immer neuen Höhen schreitend vorstellen kann, sondern wer auch Verfall, Verlust und Niedergang als mögliche Verläufe erkennt. 'Konservativ' nennt sich heute jeder, der nicht links sein will. Dabei ist die komische Wendung zu beobachten, dass sich CDU-Mitglieder oder gar Liberale als 'konservativ' ausgeben oder von einer begriffsschwach gewordenen Linken so bezeichnet werden. Liberalismus und Sozialismus stammen aber aus derselben ökonomischen Mentalität. Die letzte konservative Partei, die es in Deutschland gab, waren die preußischen Konservativen, die Bismarck hassten, weil er Preußen im Deutschen Reich aufgehen ließ. Der konservative Affekt gegen die industrielle Zivilisation kann sich heute politisch nicht mehr artikulieren, das zeigt auch das Schicksal der Grünen, die den Widerspruch zwischen ihren konservativen und ihren sozialistischen Motiven niemals auch nur haben benennen können."

Maria Magdalena

Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?
Kaum war ich an ihnen vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt.
Hld 3, 1-4a

Da sage noch einer, das Hohelied werde nicht in der Messe gelesen...

Mehr zu Maria Magdalena bei Lumen de Lumine

Donnerstag, Juli 21, 2005

Liturgia Horarum

Etwa vor einem Jahr gelang es mir, den vierten, nach wie vor nicht lieferbaren Band des Kleinen Stundenbuches (Die Gedenktage der Heiligen) gebraucht zu beschaffen. Die Bibliothek der Erzabtei Beuron konnte auf eine Dublette verzichten und sie mir überlassen, gegen gutes Geld übrigens.

Seitdem bin ich in der glücklichen Lage, mit allen vier Bänden die wichtigsten Horen des ganzen liturgischen Jahres beten zu können. Das sind vor allem Laudes und Vesper, die beiden Großen Horen jedes Tages, und dazu die Komplet zum Tagesabschluss. Exemplarisch sind auch die drei Kleinen Horen (Terz, Sext und Non) und die Lesehore enthalten, allerdings fehlt es hier natürlich an Abwechslung und Reichtum der Eigentexte, wie sie das große Stundenbuch bietet.

Dieser vierte Band hat nicht nur mein Beten bereichert, sondern auch meinen Glauben vertieft. Denn das Kirchenjahr hält mit seinen Hochfesten, Festen und Gedenktagen einen unglaublichen Reichtum von Glaubensschätzen bereit. Der Beter wird im Verlaufe eines Jahres sozusagen einmal durch die ganze Glaubenslandschaft geführt, bis in die entlegensten Provinzen. Alles, was irgendwie wichtig ist, hat seinen eigenen Tag im Jahr.

Und da gibt es, weitab von Weihnachten, Ostern und Pfingsten, viel zu entdecken und betend anzuschauen. Ich kann mich zum Beispiel gut erinnern, wie ich im letzten Jahr zu Mariä Himmelfahrt (15. August) noch mit einem gewissen Rest an Skepsis die Erste Vesper gebetet habe. Und dann, im Laufe von Laudes, einem sonntäglichen Wortgottesdienst und Zweiter Vesper, mich immer mehr mit dem Hochfest und seinem theologischen Gehalt angefreundet habe.

Der vierte Band war für mich der Schlüssel zu allen im Kirchenjahr verstreuten Hochfesten und Festen, die sonst gern im Alltagstrott untergehen. Nicht zu vergessen: die Heiligen. Jeder von ihnen hat eine Botschaft für mich. Manche hell und klar, andere eher versteckt. Aber im Laufe eines Jahres wird sichtbar, wie breit und bunt das Spektrum derer ist, von denen wir sicher wissen können, dass sie bei Gott sind: zwischen Justin, dem Philosophen und Märtyrer (+ um 165), und Edith Stein (+ 1942), der in Auschwitz ermordeten Konvertitin und Ordensfrau.

Ohne den vierten Band ist das Kleine Stundenbuch nur eingeschränkt zu empfehlen. Der Band ist antiquarisch nur sehr schwer bis gar nicht zu beschaffen. Das erschwert die Wahl zwischen den verschiedenen Stundenbüchern erheblich. Einen möglichen Kompromiss bietet das Christuslob.

Mittwoch, Juli 20, 2005

Nicht geeignet

Rolf Koppe, "Auslandsbischof" der EKD aus Hannover, wendet sich gegen eine Beteiligung von Protestanten am katholischen Weltjugendtag in Köln. Was ja nicht besonders verwerflich ist. Ich habe mich, als ich Anfang des Jahres gefragt wurde, genauso entschieden. Seine Begründung:
Die Veranstaltung vom 18. bis 21. August sei „vom Charakter her nicht zur Teilnahme für evangelische Christen geeignet“. [kath.net]
Was immer das heißen mag, aber es stimmt wahrscheinlich. Ziemlich aggressive Töne schlägt Koppe dann zu Dauerbrennern wie der Anerkennung der evangelischen Kirche (welcher davon?) als Kirche, der "gegenseitigen Einladung zum Abendmahl" oder der Frauenordination an. Was er damit wohl bezweckt? Außer Medienaufmerksamkeit, natürlich.

Nachtrag: Ausführliche Würdigung des Koppe-Interviews bei fono

Dienstag, Juli 19, 2005

Versäumnisse

Jürgen Liminski liest der Union die Leviten und reduziert ihr familienpolitisches Wahlprogramm auf vier Versäumnisse oder Fehlschlüsse. Der erste ist für Liminski der Gedanke, erst müsse mal saniert werden, dann könne man wieder sozial sein zu den Familien.
"Stoibers Vorgänger und Mentor Franz Josef Strauß hatte zu solch einer ebenso kernig auftrumpfenden wie kurzschlussartigen These den passenden Satz parat: 'Es ist unsinnig, einem sterbenden Volk gesunde Haushalte zu hinterlassen'. Man tut in den Volksparteien so, als ob sich das Geburtendefizit beim aktuellen Stand einpendeln würde. Dagegen ist schon heute berechenbar, wie die Zahlen weiter sinken werden, wenn es nicht zu einem radikalen Kurswechsel und das heißt auch zu einer radikalen Umschichtung der vorhandenen Mittel kommt. Die Union aber glaubt immer noch wie Adenauer, dass Kinder von selbst kämen. Tun sie nicht, immer mehr deutsche Frauen gehen in den Gebärstreik, weil sie nicht verarmen wollen, weil gesellschaftliche Anerkennung heute nur mit einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit verbunden zu sein scheint." [Die Tagespost]

1870

Glatt verpasst: Gestern vor 135 Jahren verkündete das erste vatikanische Konzil das legendäre Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes. Daran erinnerte gestern der Deutschlandfunk.
"Im Kern besagt das Dogma:
Wenn der römische Papst eine Glaubenslehre oder eine Sittenlehre als allgemein verbindlich, also zum Dogma, erklärt und sich dabei ausdrücklich auf sein Amt beruft, dann ist diese Lehre unfehlbar. Sie ist es aber nicht etwa deshalb, weil ihr die Kirche zugestimmt hätte, sondern vielmehr, weil sie es aus sich selbst heraus ist.
Dabei ist die Macht des Papstes jedoch eingeschränkt, wie sich aus den Konzilsdokumenten ergibt:
Der Papst muss sich zuvor überzeugt haben, dass der Inhalt des Dogmas von den Ortskirchen, also den einzelnen Diözesen weltweit, geglaubt wird, zumindest mehrheitlich."

Montag, Juli 18, 2005

Kirchenwille

Man würde dem Zeugnis, welches das Neue Testament über die Kirchenbildung bietet, und der Theologie der Kirchenväter nicht gerecht, wenn man behaupten wollte, daß aus dem gemeinsamen Glauben der Jünger Jesu an seinen Heilstod und an seine Auferweckung die Kirche von selbst bzw. ausschließlich durch den Willen der Jünger, zusammenzubleiben, entstanden sei. Das Leben Jesu bildet zwar das ontologisch-intentionale Fundament für die Entstehung der Kiche. Für deren tatsächliche Bildung ist jedoch der Kirchenwille Jesu grundlegend, nicht nur für die konkrete Gestalt, sondern für die tatsächliche Konstituierung der Kirche selbst. Auf dem ontologischen Fundament der Inkarnation, des Heilstodes, der Auferweckung erhebt sich gewissermaßen der aktuelle Kirchenwille Jesu. In der Geistsendung findet er seinen höchsten realen Ausdruck.

Michael Schmaus: Der Glaube der Kirche. Handbuch katholischer Dogmatik. Bd. 2. S. 19f.

Sonntag, Juli 17, 2005

Auslese

Die Evolutionstheorie in ihrem Verhältnis zum Atheismus ist in den letzten Tagen ein heiß diskutiertes Thema. Erstaunlicherweise scheint Religion ein evolutionärer Vorteil zu sein (wie ja auch Arne Trautmann andeutet). Denn offenkundig sind die westlichen Gesellschaften, die sich in weiten Teilen theoretisch wie praktisch von ihren christlichen Wurzeln getrennt haben, nicht mehr in der Lage, sich zu reproduzieren.

Eine Population, deren Geburtenrate unter das zu ihrer Erhaltung nötige Mindestniveau fällt, stirbt langfristig aus. Das ist eine Grundeinsicht der Evolutionstheorie, und ich sehe auch aus christlicher Sicht kein Argument, das dagegen sprechen würde. Nun ist es gerade das alte Europa, das sich immer mehr entchristlicht, gleichzeitig aufhört, an seine eigene Zukunft zu glauben - und sich (durch relativ wie absolut sinkende Geburtenraten) gleich selbst zum langsamen Tode verurteilt.

Sollte es so sein, dass säkulare, atheistisch geprägte Gesellschaften nicht in der Lage sind, eine stabile Bevölkerungsentwicklung zu sichern? Dann werden sie verschwinden. Das ist eine Lehre der Evolutionstheorie. Mögen Neodarwinisten noch so strenge Atheisten sein - das verbessert die Überlebenschancen ihrer Art nicht...

Samstag, Juli 16, 2005

16. Sonntag im Jahreskreis

Es gibt keinen Gott, Herr, außer dir, der für alle Sorge trägt; daher brauchst du nicht zu beweisen, dass du gerecht geurteilt hast.
Deine Stärke ist die Grundlage deiner Gerechtigkeit, und deine Herrschaft über alles lässt dich gegen alles Nachsicht üben.
Stärke beweist du, wenn man an deine unbeschränkte Macht nicht glaubt, und bei denen, die sie kennen, strafst du die trotzige Auflehnung.
Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst.
Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Söhnen die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst.
Weish 12, 13.16-19

Werbemaßnahme

Felicitas Hoppe, übrigens die Schwester des bloggenden Münsteraner Kaplans Ulrich T. G. Hoppe, stellt sich der Frage der Frankfurter Rundschau:
Sind Sie konservativ, Frau Hoppe?

Wenn Sie mich jetzt fragten, ob ich katholisch bin, dann könnte ich meinen Pass holen, in dem steht, dass ich römisch-katholisch bin oder dass ich 1,62 Meter groß bin oder braune Augen habe. Besondere Kennzeichen habe ich keine, auch nicht 'konservativ'. Wenn jemand über sich selber sagt, er sei konservativ (oder auch progressiv, das ist eigentlich egal), dann ist das immer eine Werbemaßnahme.

Haben denn Katholizismus und Konservatismus etwas miteinander zu tun?

Das sagt man. Ich glaube hingegen: nein. Beides lässt sich schwer miteinander vergleichen. Denn der Katholizismus hat etwas mit Religion zu tun, und der Konservatismus hat keineswegs notwendigerweise etwas mit Religion zu tun.

Einige Intellektuelle hierzulande scheinen im Katholizismus aber ein neues gesellschaftliches und ästhetisches Heil zu sehen. Wie stehen Sie zu dieser Welle?

Das Zusammendenken des vermeintlich Politischen mit dem vermeintlich Religiösen zur Wiedererweckung vermeintlicher Werte ist ein Fehlschluss, der mich zugleich amüsiert und irritiert. Es ist, als wollte jemand über einen Graben springen, der zu kurze Beine hat. Wissen Sie, ich bin katholisch aufgewachsen. Mir sind die Dinge vertraut und nah, aber nicht im Sinne einer Bewahrung, sondern im Sinne einer Dauerpräsenz in einer Lebenswelt, die ihre Formen ständig ändert. Die neue Katholizismus-Begeisterung ist typisch für Leute, die lange überhaupt nichts mit Religion zu schaffen hatten.

Könnten Sie denn in der Geschichte, in der Politik oder der Geistesgeschichte Konservative nennen, mit denen Sie positiv verbunden sind?

Ich bin eine große Verehrerin des Essayisten Chesterton - wohlgemerkt des Essayisten, nicht des Literaten -, der als extrem konservativ gilt. Ich versuche mich aber von den Etikettierungen frei zu halten, sie würden mich nur beschweren. [...]

Konkreter gefragt: Ist eine Kanzlerkandidatin Merkel eine Konservative?

Wie gesagt, wenn sich jemand so bezeichnet, ist es ein Kampfmittel. Wenn einer sagt: Ich stehe wieder dazu, dass ich ein Familienvater bin, oder: Ich stehe wieder dazu, dass ich in die Kirche gehe, dann ist das für jemanden, der immer in die Kirche gegangen ist, absolut lächerlich. Insofern ist die Frage, ob die Kanzlerkandidatin Merkel eine Konservative sei, in dieser verwirrten Politik nicht zu beantworten. Jedenfalls ist mir nicht ersichtlich, dass sie konservativere Werte vertritt als Gerhard Schröder.

Jetzt fehlt noch die Antwort von Martin Mosebach, auf die ich besonders gespannt bin.

Sonntagsgebot

So manche Lehre der Kirche ruft beim ersten Hören einen gewissen Schrecken hervor. So auch die Sonntagspflicht.
Das Sonntagsgebot

2180 Eines der Kirchengebote bestimmt das Gesetz des Herrn genauer: „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Meßfeier verpflichtet" (CIC, can. 1247). „Dem Gebot zur Teilnahme an der Meßfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird" (CIC, can. 1248, § 1).

2181 Die sonntägliche Eucharistie legt den Grund zum ganzen christlichen Leben und bestätigt es. Deshalb sind die Gläubigen verpflichtet, an den gebotenen Feiertagen an der Eucharistiefeier teilzunehmen, sofern sie nicht durch einen gewichtigen Grund (z. B. wegen Krankheit, Betreuung von Säuglingen) entschuldigt oder durch ihren Pfarrer dispensiert sind [Vgl. CIC, can. 1245]. Wer diese Pflicht absichtlich versäumt, begeht eine schwere Sünde. [KKK]
Eine schwere Sünde? Das riecht doch geradezu nach übertriebener Strenge, wenn nicht nach Arbeitsplatzsicherungsmaßnahme katholischer Kleriker oder noch schlimmeren Dingen. Ich war auch etwas erschrocken, als ich dies vernahm. Es ist noch gar nicht so lange her, dass mir diese altbekannte, aber reichlich in Vergessenheit geratene Regel wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Und meine anfängliche Skepsis, ob sie angesichts der pastoralen Realität noch in die Zeit passt, war groß.

Was der Katechismus in seiner lakonischen Art auf die obige Feststellung folgen lässt, ist auch nicht unbedingt dazu angetan, den Skeptiker zu überzeugen:
2182 Die Teilnahme an der gemeinsamen sonntäglichen Eucharistiefeier bezeugt die Zugehörigkeit und Treue zu Christus und seiner Kirche. Die Gläubigen bestätigen damit ihre Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe. Sie bezeugen gemeinsam die Heiligkeit Gottes und ihre Hoffnung auf das Heil. Sie bestärken einander unter der Leitung des Heiligen Geistes.
Letztlich fragt das Sonntagsgebot nach meinen Prioritäten: Was ist so wichtig, dass ich es der Eucharistie vorziehen müsste? Da kann es das eine oder andere geben, aber diese Frage ist in der Tat kritisch.

Heutzutage wird gern gefordert, man möge doch die Regeln ändern, weil sie ohnehin nicht einzuhalten seien. Ich bin da wiederum skeptisch: Fordert nicht das Evangelium dauernd Umkehr von mir? Umkehr setzt den Irrtum voraus, aber auch den richtigen und als richtig erkennbaren Weg. Mit welchem Recht schiebe ich die Forderung nach Umkehr zur Seite und stelle die Gegenforderung, die Abweichung zu legitimieren?

Am Ende des Tages geben auch die Zahlen der Sonntagspflicht Recht. Wenn durchschnittlich 15 Prozent der nominell katholischen Christen jeden Sonntag zur Messe gehen, aber keine 4 Prozent der nominell evangelischen Christen einen Gottesdienst besuchen, dann ist die Tendenz überdeutlich.
Freilich könnte man diese Dinge ja auch nach dem Prinzip der Freiwilligkeit machen. Die Kirche zeigt halt mit ihrer Vorschrift nur die Kenntnis jener tiefen psychologischen Wahrheit, wonach Leute Dinge, die man nicht unbedingt machen muss, bald als verzichtbar ansehen... :-) (Zumal hat der Herr bei den Juden selbst nicht viel Federlesens gemacht und gleich die absolute Ruhe am Sabbat eingeführt. ;-)) [Lumen de Lumine]
Am Freitag hörte ich im Radio ein Interview mit einem Rabbiner, der sich gegen Autofahren am Schabbat aussprach - auch nicht, um zur Synagoge zu kommen. Er sagte sinngemäß, dass ein Jude, dem der Schabbat und der Synagogenbesuch wichtig seien, auch in fußläufiger Entfernung zur Synagoge wohnen sollte. Und wem das nicht möglich sei, dem riet er zu einem Schabbat zu Hause. Denn die Ruhe am Schabbat sei heilig und solle nicht durch den Lärm, die Hektik und die Abgase des Autos gestört werden - weil dies dem Menschen schade.

Ich werde daran denken, wenn ich morgen mit dem Auto zur zwölf Kilometer entfernten Kirche fahre...

Wahrheit, nicht Gewohnheit

18 Der Zorn Gottes wird vom Himmel herab offenbart wider alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten.
19 Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar; Gott hat es ihnen offenbart.
20 Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar.
21 Denn sie haben Gott erkannt, ihn aber nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt. Sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert.
22 Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren.
23 Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen und fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere darstellen.
24 Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten.
25 Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers - gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen.
Röm 1

Suchmaschine

In der Wochenendausgabe der FAZ rechnet [1,50 EUR] der britische Paläobiologe Simon Conway Morris unter der Überschrift "Darwins Suchmaschine" mit Kardinal Schönborn ab, der sich mit seinem NYT-Kommentar in die Nähe des Kreationismus begeben hat:
"Dagegen kann man die kreationistische Sicht der Evolution nur kümmerlich nennen. Aber nicht nur das. Sie operiert auch mit einer höchst sonderbaren übernatürlichen Instanz, die viel eher einem Ingenieurbüro ähnelt als dem hergebrachten Schöpfergott. Allerdings erscheint mir das wenig überraschend, denn ich glaube, wir haben es hier mit dem unausweichlichen Nebenprodukt einer bis ins Mark technokratischen Gesellschaft zu tun. Kreationismus ist Evolution für Kontrollfanatiker." [Perlentaucher]

Wenn Kardinal Schönborn wider die Evolutionslehre predigt, spielt er dem Atheismus in die Hände, so der Tenor. Ein überaus lesenswerter, keinesfalls einseitiger oder dem Wiener Kardinal übel gesonnener Artikel.

Freitag, Juli 15, 2005

Bonaventura

"Christus ist der Weg und die Tür, Christus ist die Leiter, er ist das Gefährt, gleichsam der Gnadenthron auf der Bundeslade; er ist 'das Geheimnis, das seit ewigen Zeiten verborgen war'. Wer diesem Sühnezeichen sein Angesicht zuwendet, wer Christus, der am Kreuz hängt anschaut mit Glaube, Hoffnung, Liebe, Hingabe, Bewunderung und Freude, Wertschätzung, Lob und Jubel, der begeht mit ihm das Pascha, den Übergang: er durchschreitet mit dem Stab des Kreuzes das Rote Meer. Er betritt von Ägypten aus die Wüste, wo er das verborgene Manna genießt und mit Christus im Grabe ruht. Äußerlich gleichsam gestorben, erfährt er, soweit es im Pilgerstand möglich ist, was am Kreuz dem Räuber, der Christus anhing, gesagt wurde:' Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.'" [paxvobis]

Nachtrag: Ralf über Bonaventura

Donnerstag, Juli 14, 2005

Quaerere Deum

Benedikt XVI. über Benedikt von Nursia:
Im heutigen Norcia um das Jahr 480 geboren, studierte Benedikt zunächst in Rom. Das Stadtleben war für ihn aber eine Enttäuschung, und so zog er sich nach Subiaco zurück. Dort verbrachte er ungefähr drei Jahre in einer Höhle, der berühmten "sacro speco", und stellte sein Leben ganz in den Dienst Gottes. Zusammen mit seinen ersten Gefolgsleuten errichtete er in Subiaco einige Klöster und bediente sich dabei der Ruinen einer zyklopischen Villa von Kaiser Nero. So gründete er seine Gemeinschaft von Brüdern, die sich am Primat der Liebe Christi orientierten und Gebet und Arbeit zum Lobpreis Gottes auf harmonische Weise miteinander verknüpften.

Jahre später vollendete er sein Werk in Montecassino und brachte seine Regel auf Papier. Sie ist die einzige von ihm erhaltene schriftliche Überlieferung. Mitten in den Aschen des römischen Reiches suchte Benedikt vor allem anderen das Reich Gottes. Dabei säte er, vielleicht ohne es selbst zu bemerken, den Samen für eine neu entstehende Zivilisation, in der die christlichen Werte im klassischen Erbe aufgehen und sich die germanischen Kulturen mit den slawischen verbinden sollten.

In seiner Spiritualität gibt es einen bestimmten Aspekt, den ich heute besonders betonen möchte: Benedikt gründete nicht im Stil anderer großer missionarischer Mönche der damaligen Zeit einen Orden mit dem Hauptziel, den unzivilisierten Völkern das Evangelium zu verkünden, sondern er zeigte jenen, die ihm folgten, dass das grundlegende, ja sogar einzige Ziel des Lebens darin besteht, Gott zu suchen: "Quaerere Deum."

Allerdings war ihm auch bewusst, dass sich der gläubige Mensch, der in eine tiefe Beziehung zu Gott eingetreten ist, nicht mit einem mittelmäßigen Leben, einer minimalistischen Ethik und einer oberflächlichen Religiosität zufrieden geben kann. In diesem Zusammenhang wird das Wort, das Benedikt vom heiligen Cyprian übernommen und in seiner Regel (IV, 21) als mönchisches Lebensprogramm zusammengefasst hat, verständlicher: "Nihil amori Christi praeponere" – "nichts der Liebe Christi vorziehen".

In dieser Einladung besteht die Heiligkeit. Sie richtet sich an jeden Christen und ist gerade in der heutigen Zeit, in der man spürt, dass das Leben und die Geschichte solide spirituelle Referenzen dringend benötigt, zu einem echten pastoralen Imperativ geworden. [Zenit]

Konstruiert?

Aus meiner gestern erworbenen FAZ:
"Johannes Paul II. war verübelt worden, daß er angeblich lieber die Verbreitung der Seuche in Kauf nehme, als von den traditionellen moralischen Prinzipien der Kirche abzurücken.

Allerdings: bei der Suche nach einem ausdrücklichen Verbot von Kondomen im Kampf gegen Aids durch Johannes Paul II., etwa bei seinen zahlreichen Reisen in afrikanische Länder, wird man nicht recht fündig. Wurde da etwas konstruiert, um die kirchliche Moral zu diskreditieren?"

Über die Auferstehung und die Beichte

Noch einmal Schmidt:
"Dazu sage ich, ich glaube definitiv an die Auferstehung.

Nein!
Doch!

Sie glauben an ein Weiterleben im Jenseits?
Ja, selbstverständlich.

Und wie schaut es dort aus?
Davon habe ich keine Vorstellung. Ich sehe da nur ein sehr helles Licht.

Könnten Sie nicht versuchen, einem Atheisten wie mir das Jenseits genauer zu beschreiben?
Ob Sie Atheist sind, wird sich noch zeigen. Mir hat mal ein Urologe erzählt, auf dem Sterbebett werden alle katholisch. Diese Erfahrung habe ich auch selbst gemacht, denn ich war während des Zivildienstes in einer Pfarrei beschäftigt. Da wurde der Pfarrer von sogenannten Atheisten schreiend ins Krankenhaus geholt, wenn der Tumor im Endstadium war. Ich glaube, ob man Atheist ist, kann man erst auf den letzten Metern sagen.

Haben Sie Angst vor der Hölle?
Nein.

Weil Sie sich für einen guten Menschen halten?

Ich halte mich für einen schwachen Menschen, der sich bemüht.

Das genügt?
Ja, was man so hört...

Gehen Sie beichten?
Schon lange nicht mehr. Aber ich würde gerne. Ein Beichtgespräch mit einem guten Priester stelle ich mir als eine grosse Erleichterung vor.

Welche Sünden hätten Sie anzubieten?
Das verrate ich nicht einmal Ihnen."

Über die Ehe und den Papst

Harald Schmidt im Interview mit der Weltwoche:
"Sie leben seit zwölf Jahren unverheiratet mit Ihrer Freundin und zwei Kindern. Ihr drittes Kind stammt aus einer früheren Beziehung und wohnt bei der Mutter.
Ja. Seit mir die Kinder passiert sind, habe ich festgestellt, dass es etwas sehr Sinnvolles ist, Kinder zu zeugen. Ich bin gerne Vater.

Aber zu heiraten, lehnen Sie ab.
Das hat sich geändert. Früher habe ich gedacht, Heiraten kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Mittlerweile denke ich, es wäre vielleicht doch schön, weil es ein offizielles Bekenntnis ist.

Zur Liebe?
Nein, zur Frau.

Ihre Freundin wünscht sich die Ehe.
Ja, ich glaube, Frauen wünschen das immer.

Sie sind gläubiger Katholik. Uneheliche Kinder sind unvereinbar mit dem, was die katholische Kirche lehrt.
Das ist richtig.

Der Papst sagt, ausserehelicher Geschlechtsverkehr sei eine «Banalisierung des Körpers»
Der Papst muss das sagen.

In einem Gespräch mit Günter Gaus haben Sie erklärt, Sie hätten «beschlossen, der grösste Verehrer des Papstes auf Erden zu werden»
Ja, aber bei Gaus war ich sehr schlecht, weil ich so ehrgeizig war. Ich war wahnsinnig erpicht darauf, von ihm interviewt zu werden, und wollte sozusagen für die Ewigkeit dokumentieren, wie intelligent ich bin. Insofern ist das ein sehr bezeichnendes Gespräch, weil es zeigt, dass ich mehr, als ich dachte, ein Streber bin, der sich um die Anerkennung von Autoritäten, die er für klug hält, bemüht." [Spreeblick]

Romantisch

Wo wir gerade über die Moderne sprachen: Ian Buruma zieht heute im Zeit-Interview interessante Parallelen:
"Ursprünglich war die deutsche Kritik an der Moderne eine Reaktion auf die Französische Revolution; heute antwortet der muslimische Fundamentalismus auf die amerikanische Vorherrschaft. Damals glaubten die Franzosen, sie repräsentierten universalistische Werte; heute glauben das die Amerikaner. Und was den romantischen Traum von der nationalen Einheit angeht, so übte er am Ende des 19. Jahrhunderts eine große Anziehungskraft auf all jene Nationen aus, die sich durch die koloniale Macht des Westens gedemütigt fühlten. Nicht nur im Nahen Osten. Auch in China, in Japan und anderen Teilen der Welt." [pickings.de]

Ian Buruma, Avishai Margalit: Okzidentalismus. Der Westen in den Augen seiner Feinde. C. Hanser Verlag, 15,90 EUR.

Intelligentes Design?

Das FAZ-Feuilleton berichtet heute über den Schönborn-Kommentar in der New York Times. Der Perlentaucher fasst zusammen:
"Der Kommentar wurde an die New York Times von einer PR Agentur vermittelt, 'die auch das in Seattle ansässige Discovery Institute, die Denkfabrik der 'Intelligent Design'-Bewegung vertritt. Der Vizepräsident dieses Instituts hat denn auch erklärt, er habe den Kardinal zum Verfassen des umstrittenen Kommentars aufgefordert.' Außerdem hat Schönborn inzwischen erklärt, den Kommentar 'in allgemeiner Form' mit Kardinal Ratzinger kurz vor dessen Wahl zum Papst besprochen zu haben." [Perlentaucher]

Nachtrag: Eine Gegenpolemik zu Schönborn heute in der Zeit

Kafka

Vor fast zwanzig Jahren schon hat Ulrich Beck seine zentrale Denkfigur der Öffentlichkeit vorgetragen ("Risikogesellschaft"). Und immer noch wird es spannend, wenn er darauf zurückgreift. So heute im Interview mit Ekkehard Fuhr in der Welt:
"Es gibt eine ziemliche Deckungsgleichheit zwischen der Theoriefigur der Zweiten Moderne und dem, was Kafka mit der 'Verwandlung' auszudrücken versucht. Es handelt sich um eine Verwandlung und nicht um eine Krise. Es gibt also kein Zurück zum alten Zustand. Die Theorie der zweiten Moderne besagt, dass die Radikalisierung der Durchsetzung der Prinzipien der Moderne - Autonomie des Individuums, Markt, Rationalität der Wissenschaft etc. - den Institutionen der Moderne - also vor allem dem Nationalstaat - den Boden entzieht. Wie in der 'Verwandlung' geschieht etwas mit uns, das wir nicht wollen und zunächst auch nicht wahrhaben wollen und verstehen können. Es entsteht eine immer größere Diskrepanz zwischen unserer Lage und unseren Begriffen von Wirklichkeit und Normalität. Das beschreibt Kafka mit unglaublicher Präzision. Er ist ein Klassiker der Soziologie." [Perlentaucher]

Ironie

"Wir Blogger bieten all unsere Ironie, unsere Kritik- und Unterscheidungsfähigkeit auf, um klar zu machen, wer heute all zu oft in der Kirche das Sagen hat, wiederholen uns über die Jahre hin, zweifeln an uns, geben schon fast auf - und dann schlägst du das Gemeindeblatt auf und liest, daß in der Nachbarpfarrei zum Familiengottesdienst am nächsten Sonntag die Gruppe 'Zeitgeist' aufspielt." [Credo ut intelligam]

Mittwoch, Juli 13, 2005

Te Deum

Joaquín Navarro-Valls im Interview mit L'espresso:
"'Do you know what was the first prayer said by the persons in the room at the moment of his death?'

Q: A Requiem?

A: 'No, a Te Deum, which is a solemn hymn of thanksgiving. The religious sisters, the secretary, and the few others who were present spontaneously intoned it to thank God, not for his death of course, but for those 84 years that were so fruitful. I myself found it extraordinarily difficult in that moment to recite the usual prayers on behalf of the deceased.'" [via fonolog]

Gegenseitige Unterwerfung

Der Perlentaucher meldet:
"Der Theologe Klaus Berger empfiehlt im Aufmacher als Ausweg aus den Problemen der Ökumene die gegenseitige Unterwerfung aller Interessenten unter Vorsitz des Papstes." [FAZ, 1,50 EUR]
Köstlich schon der Anfang:
Da Benedikt XVI. für Überraschungen gut ist, darf man ihm durchaus zutrauen, daß er allen Ökumenismus links überholt. Denn die Generation der dogmatisierenden Berufsökumeniker geht ihrem biologischen Ende entgegen [...]

Da werde ich heute mal die Papier-FAZ kaufen. 1,50 Euro für einen einzigen Artikel ist für professionelle Archiv-Nutzung in Ordnung, aber nicht für mich armen Endverbraucher.

Goya

Bernhard Schulz im Tagesspiegel über die Goya-Ausstellung "Prophet der Moderne" in der Alten Nationalgalerie Berlin:
"Goya ist nicht 'modern' im Sinne einer Kunstentwicklung. Modern ist er im Verwerfen aller Glaubensgewissheiten, konservativ in der niederschmetternden Auffassung vom Menschen. Goya malt 1794 den 'Hof der Irren' als Parabel unaufhebbarer menschlicher Blödigkeit, 1800 das erschütternd realistische Bild 'Bandit ermordet eine Frau', 1808 gar 'Kannibalen' als höchste Steigerung dessen, wozu Menschen fähig sind. Goya ist der Maler des Schreckens. Wenn das unaussprechlich Schreckliche das Signum der Neuzeit ist, dann ist Goya nicht der Prophet der Moderne, sondern der Künder des modernen Alptraums schlechthin.'" [via Perlentaucher]

Dienstag, Juli 12, 2005

Atheismus

Für mich der zentrale Schwachpunkt des Atheismus: Er hat keine plausible Erklärung, warum es Religion gibt. Die Erwartungen der "Aufhebung" (Feuerbach), des "Absterbens" (Marx) oder der "Ablösung" (Freud) sind allesamt nicht eingetroffen. Arne Trautmann, selbst Atheist, formuliert sein Erkenntnisproblem so:
Ist es - wie viele ja vermuten - "fest verdrahtet" im menschlichen Hirn? Eine archaische Überlebensstrategie, ein Vorteil in den hunderttausenden Jahren von Jagen und Sammeln lang vergangener Zeiten? Eine Form von Sedativum, ein Rauschmittel, welches das Leben erträglicher macht und für das wir (wem?) dankbar sein sollten? Eine Agens zur Sicherung sozialer Strukturen der Herrschaft, Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung, also ein wirksames (und damit notwendiges) Mittel zur Strukturerhaltung? Und wenn es so "angelegt", oder "vorgezeichnet" ist, ein archaischen Programm, ein Instinkt, kann Glaube dann "richtig" oder "wahr" (in welchem Sinn auch immer eine Überzeugung oder Glaube "wahr" sein soll)? Oder findet sich im Glauben doch eine Einsicht in eine tiefere "Wahrheit" (was immer nun schon wieder Wahrheit sein soll), ist er „gegeben“?

Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es etwas ganz anderes. Etwas, das ich schlicht nicht verstehen kann. Aber dann frage ich mich, warum mir das Rätsel des Glaubens verborgen bleibt, wo es sich doch offenbar für so viele Menschen, heute lebende und aus vergangenen Generationen, so ohne weiteres enthüllt.

Das also ist die Faszination. Zu verstehen, warum Andere glauben und ich das nicht tue. Herauszufinden, ob ein großer Teil aller Menschen an einer art seltsamen "Disposition" leidet oder ob das eher auf die Ungläubigen zutrifft. Und zu sehen, ob ohne Glauben etwas fehlt.
Als ich mich vor einigen Jahren gefragt habe, ob ich nicht konsequenterweise Atheist (oder wenigstens Agnostiker) werden müsste, da bin ich an einem Punkt gescheitert: Ich müsste ja dann, so dachte ich, 2.000 Jahre abendländischer Tradition als einen großen Irrtum betrachten, die Rede vom Christentum als etwas Erfundenes, zum Zwecke der Täuschung Ausgedachtes oder wenigstens auf Selbsttäuschung Beruhendes.

Das allerdings erschien (und erscheint) mir völlig unplausibel. Wie sollte diese Erfindung, Täuschung oder Selbsttäuschung denn vor sich gegangen sein, ohne Spuren zu hinterlassen? Warum sollten die frühen Martyrer ihr Leben lassen, für nichts und wieder nichts? Mir fehlte sozusagen der Hebel, mit dem ich das große Ganze aus den Angeln hätte heben können. Ich hielt es für völlig unglaubwürdig (sic!), dass Bachs Weihnachtsoratorium oder Mozarts Requiem Resultat eines gewaltigen Fehlers sein könnten.

Und ich habe bis heute keine plausible atheistische Theorie gehört, die schlüssig erklären könnte, warum es Religion gibt - wenn sie nicht wahr wäre.

Eigenverantwortungsgeschwafel

Jens Bisky in der SZ über das Wahlprogramm der CDU (PDF):
"Für jeden aufrechten Konservativen ist es eine Katastrophe. Über eine vernünftige Kulturpolitik des Bundes schweigt das Papier, beim Thema Bildung besticht es durch Phrasen und Starrsinn; Fragen, über die zu streiten lohnte, werden nicht einmal gestellt. Keine Spur von den konservativen Tugenden, die am weltläufigsten Golo Mann gepriesen hat. Man vermisst 'das In-Rechnung-Stellen von des Menschen wirklicher, wirklich umschränkter Natur' ebenso wie 'die Sympathie für das Gute Alte, das Gewordene, Traditionelle'. An deren Stelle scheinen Eigenverantwortungsgeschwafel und reaktionärer Kleingeist getreten. Leichter als hier konnte man programmatische Aushöhlung lange nicht studieren." [via Perlentaucher]

Finis

Sinnlose Kommentare gelöscht.

Zwei Gesätze vom Rosenkranz gebetet.

Matthias um Verzeihung gebeten.

Sein Blog von der Blogroll genommen.

Fruchtlose Debatte beendet.

Manchmal muss es erst wehtun.

Schönborn

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat mit einer Kolumne in der New York Times Furore gemacht. Nur ein Zitat für die Akten:
"Throughout history the church has defended the truths of faith given by Jesus Christ. But in the modern era, the Catholic Church is in the odd position of standing in firm defense of reason as well. In the 19th century, the First Vatican Council taught a world newly enthralled by the 'death of God' that by the use of reason alone mankind could come to know the reality of the Uncaused Cause, the First Mover, the God of the philosophers.

Now at the beginning of the 21st century, faced with scientific claims like neo-Darwinism and the multiverse hypothesis in cosmology invented to avoid the overwhelming evidence for purpose and design found in modern science, the Catholic Church will again defend human reason by proclaiming that the immanent design evident in nature is real." [kath.net]
Und die Übersetzung:
"Die Geschichte hindurch hat die Kirche die von Jesus Christus geoffenbarten Wahrheiten des Glaubens verteidigt. Aber in der Moderne ist die katholische Kirche in der seltsamen Position, dass sie auch die Vernunft verteidigen muss. Im 19. Jahrhundert lehrte das Erste Vatikanische Konzil eine gerade vom 'Tod Gottes' faszinierte Welt, dass die Menschheit allein durch den Gebrauch der Vernunft die Wirklichkeit der unverursachten Erstursache, des Ersten Bewegers, des Gottes der Philosophen erkennen kann. Jetzt, am Beginn des 21. Jahrhunderts, wird die katholische Kirche angesichts von wissenschaftlichen Ansprüchen wie dem Neo-Darwinismus und der 'Multiversum-Hypothese' in der Kosmologie (die aufgestellt wurden, um dem überwältigenden Beweis für Zweck und Plan auszuweichen, der in der modernen Wissenschaft zu finden ist) neuerlich die menschliche Vernunft verteidigen und verkünden, dass der in der Natur offensichtlich vorhandene immanente Plan wirklich ist." [kath.net]
In der New York Times erschien ein Tag später ein Hintergrundstück zum Thema, gefolgt von einer ganzen Serie von Leserbriefen am Montag. Schönborn nahm am gleichen Tag selbst Stellung zu seinem Artikel. Und die Blogosphäre rührt sich auch.

Nachtrag: Schönborn über den Unterschied zwischen Evolutionstheorie und Neodarwinismus [kath.net]

Montag, Juli 11, 2005

Scheffczyk

Wer einmal ökumenisch inkorrekte, aber klare und nachvollziehbare Worte zur Frage der eucharistischen Gastfreundschaft lesen möchte, dem seien die Darlegungen von Leo Cardinal Scheffczyk in der Tagespost wärmstens empfohlen. Scheffczyk erläutert die Hintergründe der Kommunion von Frère Roger Schütz beim Requiem für Johannes Paul II., das bekanntlich Joseph Cardinal Ratzinger zelebrierte. Zur Frage der Zulassung von Nichtkatholiken zum Empfang der Eucharistie schreibt er:
Es erscheint jedenfalls unmöglich, dass jenes Sakrament, welches "die Quelle und den Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens" darstellt, ohne ein Bekenntnis zu dieser Kirche im ganzen fruchtbar empfangen werden könnte. Man darf jedoch annehmen, dass dies auch die neueren Formulierungen nicht ausschließen möchten und dass sie den Blick nur praktischerweise auf das Ersterfordernis des Glaubens an das Sakrament richten wollen.

Andererseits ist nicht zu verkennen, dass solche Formulierungen Anlass boten, die Forderungen für einen fruchtbaren Empfang des Sakramentes bei Nichtkatholiken weiter zurückzuschrauben und sich mit einem Minimum zufriedenzugeben, das sich etwa schon mit der Begründung begnügt: "Wir haben doch alle den gleichen Herrn" oder: "Auch die evangelischen Brüder und Schwestern glauben doch an die eucharistische Gegenwart Christi".

Was aber in der Praxis noch mehr zur Nivellierung beitrug, war die Trennung dieser Ausnahmeregelung vom einzig anerkannten Todesfall (um den Fall der Gefangenschaft und Verfolgung ein wenig erweitert) und ihre Etablierung als immer mögliche ökumenische Praxis. Bei näherem Hinblick erweist sich diese Ausnahme vom Verbot der Spendung der Sakramente an Nichtkatholiken abgeleitet und durchkonstruiert von dem Grenzfall des Todes und der damit verbundenen Sorge um das ewige Heil.

Sie ist dann sachlich auch immer mit der Annahme verbunden, dass eine solche Spendung nicht beliebig oft wiederholt werden kann, ohne dass die Kirche vom evangelischen Empfänger nicht ernste Konsequenzen hinsichtlich seines konfessionellen Standes einfordern müsste, was zuletzt mit dem einschlussweisen Bekenntnis eines solchen Eucharistieempfängers an die die Eucharistie spendende Kirche zusammenhängt. Jedenfalls wäre eine wiederholte Inanspruchnahme dieser Sonderregel innerlich widersprüchlich.

Man kann nicht in der einen Kirche kommunizieren, aber sich zur anderen Kirchengemeinschaft bekennen. Gerade aber das geschieht heute oft schon dort, wo man mit dem einzigen Grund der "großen Sehnsucht" nach der wahren eucharistischen Gegenwart Christi evangelische Christen zur Eucharistie zulässt oder sie sogar dazu einlädt. Im Extremfall ergibt sich daraus die von einem Briefschreiber befürwortete Paradoxie, dass evangelische Christen im (angeblichen) Wissen um die Defizienz des eigenen Abendmahls an diesem festhalten, aber wegen der "großen Sehnsucht" nach dem wahrhaft gegenwärtigen Herrn zusätzlich das katholische Sakrament empfangen. Dieser so genannte "konfessionell wechselnde Empfang" ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Preisgabe jeglichen objektiven Eucharistieglaubens zugunsten eines christlichen Eklektizismus und Synkretismus, die am Ende beide in der "dritten Konfession" landen.
Nachtrag: Ein seltsames Dementi von Vatikansprecher Joaquín Navarro-Valls:
Frére Roger habe sich "ungewollt in der Schlange befunden, die sich vor Kardinal Joseph Ratzinger für den Empfang der Kommunion gebildet habe, und es sei unmöglich gewesen, ihn zurückzuweisen, "auch weil sein katholischer Glaube bestens bekannt ist". Navarro-Valls betonte, dass Roger Schutz streng gegen ein gemeinsames Abendmahl sei. "Dies ist ein völlig aussergewöhnlicher Fall, der nicht verallgemeinert werden darf."

Benedikt von Nursia

Wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden.
Dann muss er, der uns jetzt zu seinen Söhnen zählt, einst nicht über unser böses Tun traurig sein.
Weil er Gutes in uns wirkt, müssen wir ihm jederzeit gehorchen; dann wird er uns einst nicht enterben wie ein erzürnter Vater seine Söhne;
er wird auch nicht wie ein furchterregender Herr über unsere Bosheit ergrimmt sein und uns wie verkommene Knechte der ewigen Strafe preisgeben, da wir ihm in die Herrlichkeit nicht folgen wollten.
Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: "Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen." (Röm 13,11)
Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht, und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft.
"Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!"
Und wiederum: "Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist der Gemeinden sagt!"
Und was sagt er? "Kommt ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren.
Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen."
Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder:
"Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?"
Wenn du hörst und antwortest : "Ich", dann sagt Gott zu dir:
Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tue das Gute! Such Frieden und jage ihm nach!
Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, "Ich bin da".
Liebe Brüder, was kann beglückender für uns sein als dieses Wort des Herrn, der uns einlädt?
Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens.
Gürten wir uns also mit Glauben und Treue im Guten, und gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat.
Wollen wir in seinem Reich und in seinem Zelt wohnen, dann müssen wir durch gute Taten dorthin eilen; anders kommen wir nicht ans Ziel.
Aus dem Prolog der Regel des Hl. Benedikt

Donnerstag, Juli 07, 2005

Zwei Jahre

Jetzt hätte ich doch fast das Jubiläum dieses bescheidenen Notizbuches verpasst. Heute vor zwei Jahren habe ich die erste Notiz verfasst. Da war Scipio schon fast ein Jahr auf Sendung. Und Ralf hat zwölf Tage später begonnen...

Belonging there

"People don't just go to community churches; they see themselves as belonging there."
Christianity Today Magazine: The Twilight of Atheism

Yep. So sehe ich meine Pfarrei.

Kündigung

Ich habe gerade folgendes Schreiben verfasst:
Sehr geehrte Damen und Herren,

seit 16 Jahren bin ich Abonnent von Publik-Forum. Ihr Blatt hat mich über eine lange Zeit hinweg begleitet - auch eine Zeit der Glaubensferne. Auch wenn mir die Trennung von Publik-Forum deshalb nicht leicht fällt, ist nun der Punkt erreicht, an dem sich unsere Wege gabeln.

Um es kurz zu machen: Mein Bedarf an drittklassigen Häresien ist gedeckt. Ich las gerade heute eine, wie ich finde, nicht völlig abwegige Charakterisierung von Publik-Forum als "Zeitschrift der die gemeinschaftliche Religion ablehnenden Neo-Gnostiker und Pantheisten". Ich sehe nicht ein, warum ich jede uralte Irrlehre als Innovation begrüßen soll, nur weil sie heute im neuen Gewand auftritt.

Kritik am Bestehenden als alleinige Grundhaltung läuft sich irgendwann tot. So erscheint mir Publik-Forum als ein Generationenprojekt, und zwar ein Projekt der Generation Vaticanum II, die langsam alt wird. Damit soll nichts gegen das Konzil gesagt sein, im Gegenteil, aber alles gegen einen obskuren "Geist des Konzils", der sich jedenfalls in den Konzilsdokumenten nicht finden lässt. Wo mir jemand weismachen will, die Kirche habe sich beim jüngsten Konzil quasi neu erfunden, da werde ich skeptisch.

Vielen Dank also für viele lesenswerte Artikel, für 16 Jahre Wegbegleitung und für alle berechtigte Kritik an unhaltbaren Zuständen, wo immer sie auch zu diagnostizieren sein mögen!

Bitte stellen Sie die Lieferung von Publik-Forum ab sofort ein. Für die restliche Laufzeit meines Abonnements senden Sie das Heft bitte an ...

Und hier seid Ihr gefragt, liebe Leser: Wer möchte für die Restlaufzeit (bis Ende 2005) mein Heft bekommen? Mail an m.recke bei gmail.com genügt!

Katholische Confessio

Der Rheinische Merkur hat einen Text von Joseph Ratzinger (1977) ausgegraben, der sich mit der Katholizität des Augsburger Bekenntnisses befasst:
"Die Forschungen der letzten Jahre konvergieren dahin, dass die Confessio Augustana als grundlegende lutherische Bekenntnisschrift nicht nur aus diplomatischen Gründen so abgefasst wurde, dass sie reichsrechtlich als katholisches Bekenntnis auslegbar sein sollte; sie wurde auch mit innerer Überzeugung als Suche nach evangelischer Katholizität konzipiert – als ein Mühen darum, das brodelnde Gebilde der frühen reformatorischen Bewegung in einer Weise zu filtern, die es zu katholischer Reform gestalten konnte."

Ökumenische Pflichtlektüre!

Illusionistisch


Württembergs Landesbischof Gerhard Maier im Rheinischen Merkur:
"Wird es bis zum nächsten Ökumenischen Kirchentag 2010 eine Abendmahlsgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten geben?

Dafür scheinen mir die Voraussetzungen nicht gegeben. Ich fühle mich auch als evangelischer Christ ehrlicher, wenn wir uns vor einer Abendmahlsgemeinschaft erst einmal über Grundfragen verständigen. Deshalb halte ich es für illusionistisch und vordergründig, das gemeinsame Abendmahl mit einer bestimmten Jahreszahl zu versehen. Ich muss respektieren, dass katholische Mitchristen zuerst von ihrem eigenen Glaubensverständnis dazu kommen müssen, das gemeinsame Abendmahl zu bejahen. Wenn wir Protestanten als Kirche und nicht nur als Gemeinschaft anerkannt werden wollen, müssen wir dieses Recht auch der katholischen Kirche zugestehen und ihren eigenen Weg zu mehr Ökumene respektieren."

Freikirchen

Aus der Abteilung Untergang des protestantischen Staatskirchentums:
"Die Statistik des Gottesdienstbesuchs offenbart eine Überraschung, die die Mitgliederzahlen verschweigen: Die Freikirchen mobilisieren allsonntäglich etwa eine Million Menschen zum Gottesdienstbesuch – in etwa genauso viele wie die 23 evangelischen Landeskirchen." [Rheinischer Merkur]

Meine Kirche, Seine Kirche

Auf der Suche nach einem Nachfolger für Publik-Forum bin ich mal wieder beim Rheinischen Merkur gewesen. Dort finde ich (in einer Rezension zu den Grundsatzreden aus fünf Jahrzehnten von Joseph Ratzinger) diese scharfsichtigen Bemerkungen:
Präzise hat Joseph Ratzinger bereits Anfang der siebziger Jahre Ursachen und Ausmaß der Krise der Kirche erkannt und benannt. Eine Krise, die damals im Reformeifer von vielen offensichtlich nicht erkannt worden ist.

1970 hat der damalige Professor für Dogmatik an der Universität Regensburg in einem Vortrag in der Katholischen Akademie in München zum Thema „Warum ich noch in der Kirche bin“ referiert und analysiert:
„An die Stelle Seiner Kirche ist unsere Kirche und sind damit die vielen Kirchen getreten, jeder hat die seinige . . . Hinter ,unserer Kirche‘ oder auch ,eurer Kirche‘ ist uns ,Seine Kirche‘ entschwunden.“
Damit war für den Theologen Joseph Ratzinger auch schon die prinzipielle Antwort gegeben:
„Ich bin in der Kirche, weil ich trotz allem daran glaube, dass sie zutiefst nicht unsere, sondern eben ,Seine‘ Kirche ist.“
Und weiter heißt es da:
„Die Kirche ist es, die uns, trotz all der Menschlichkeit der Menschen in ihr, Jesus Christus gibt, und nur durch sie können wir ihn als eine lebendige, vollmächtige, mich jetzt und hier fordernde und beschenkende Wirklichkeit empfangen. Die Kirche ist es, durch die er über die Distanz der Geschichte hinweg lebendig bleibt, heute zu uns spricht, heute bei uns ist als unser Meister und Herr, als unser Bruder, der uns zu Geschwistern vereint.“

Wahlkampf

Impressionen aus der Frankfurter Provinz.
Thomas Seiterich-Kreuzkamp macht dem Namen der Zeitschrift, für die er arbeitet, alle Ehre an diesem Abend. „Publik Forum, Zeitschrift kritischer Christen” heißt sie. Daß seine Analyse zur Wahl Benedikts XVI. Widerspruch hervorrufen würde, wird ihm klar gewesen sein. Der Dompfarrsaal ist voll, die Zuhörer haben sich den Dienstag abend freigehalten. Irgendwann platzt einem Zuhörer der Kragen: Arrogant sei Seiterich-Kreuzkamp, ein Populist.

Der Redakteur hatte zuvor bei der Diskussion über Bendedikt XVI. seine Sicht der Dinge auf den Punkt gebracht: Er habe sich „nicht gefreut” über den neuen Papst. Es hätte etliche Leute gegeben, die bessere Päpste geworden wären, etwa Kardinal Martini; diese Gruppe habe sich aber vor dem Konklave und während der Wahlversammlung zersplittern lassen, sie sei auf die Wahlkampfstrategie Ratzingers hereingefallen, fügt er unter Hinweis auf „seriöse Vatikanbeobachter” hinzu. „Ratzinger hat zielstrebig auf sein neues Amt hingewirkt.” [FAZ]

Neuordnung

Georg Muschalek in der Tagespost über den Umbau der Pfarrpastoral:
"Wer könnte den Rückgang der verfügbaren Priester durch starke Schrumpfung der Kandidaten für das Amt und durch Ausscheiden der alten Priester leugnen? Ein genauerer Blick auf die Verhältnisse ergibt ein anderes Bild. Es ist in der letzten Zeit mehrfach nachgewiesen worden, dass im Verhältnis zur Zahl der katholischen Christen, die am sakramentalen Leben und an der Glaubensvermittlung teilnehmen, die Situation günstiger ist als vor etwa fünfzig Jahren. Freilich ist durch die Ausdünnung des geographischen pastoralen Raumes die Tatsache geschaffen worden, dass nicht mehr jede bisherige Pfarrei einen eigenen Priester als Pfarrer am Ort haben kann. Dies ist aber nicht dasselbe wie die Annahme, dass es für die aktiven katholischen Christen zuwenig Priester gäbe. Bei den hier wie anderswo geplanten Reformen geht es ja nicht um Missionsaufgaben in einer schon wieder heidnisch werdenden Umwelt, also um Aufgaben, die immer die Anzahl der Priester übersteigen - jedenfalls wird es nicht gesagt, dass dies so gesehen wird - , sondern um die Neuordnung der regulären Pfarrpastoral. Also würde nur die Aufgabe verbleiben, die Regionen der Pfarrseelsorge neu zu bestimmen und die Gläubigen mit dieser Veränderung vertraut zu machen." [via credo ut intelligam]
Lange Zeit war es selbstverständlich, dass nicht jeder Ort und jede Kirche einer eigenständigen Pfarrei mit eigenem Pfarrer zugeordnet war. Hier mal ein auf die Schnelle zusammengegugeltes Beispiel:
Schon im 13. Jahrhundert bildeten die Dörfer Zeltingen, Rachtig, Erden und Lösnich eine Großpfarrei als Verwaltungseinheit und blieben bis ins 19. Jahrhundert zusammen. Erst 1803 gliederten sich die Dörfer als eigenständige Pfarreien. Heute nach 200 Jahren haben sie zwar noch ihre Selbstständigkeit als Pfarrei, werden aber in einer Seelsorge-Einheit unter einem Pfarrer verwaltet.
Das relativiert doch so manche Aufregung erheblich.

In unserer norddeutschen Diaspora ist die Situation noch viel krasser: Viele Gemeinden und Kirchen entstanden erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Zahl der Katholiken erst durch die Vertriebenen und bis heute durch Aussiedler aus Polen und Russland auf etwa das Dreifache wuchs. Es war der Vorgänger unseres im vergangenen Jahr emeritierten Bischofs, der als größter Bauherr in die Bistumsgeschichte einging. So mancher von ihm geweihte Bau ist inzwischen schon wieder dem Erdboden gleich.

Mittwoch, Juli 06, 2005

Wissenschaft

Take the MIT Weblog Survey [via credo ut intelligam]

Sollten Katholiken heiraten?

Diese Frage stellt Shrine of the Holy Whapping und argumentiert in etwa so: Wenn Staaten wie Spanien, Kanada und die Niederlande die Ehe so umdefinieren, dass es keinen Unterschied zwischen einer Ehe und einer homosexuellen Verbindung gibt - dann riskieren katholische Ehepaare, dass sie mit ihrer (staatlichen) Eheschließung dieser Neudefinition implizit zustimmen.

Interessanter Punkt. Dieser Konflikt ist in Deutschland, darauf weist einer der Kommentare dort hin, nicht neu. Schließlich hat Bismarck die staatliche Ehe überhaupt erst eingeführt, um das sakramentale vom zivilen Eheverständnis zu trennen (um es zurückhaltend zu formulieren, vgl. Kulturkampf).

Kinder kriegen, Kinder sein

Da hat er ja etwas angestoßen, der gute Frank Schirrmacher, seines Zeichens Chefdemograph des FAZ-Feuilletons. Sind demographische Fragen erst einmal in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, so sprudelt eine schier unerschöpfliche Quelle neuer Einsichten. So heute in einer Glosse:
"Sorgen machen müssen sich nun die jungen Leute, die hinter der älteren Dame am Geldautomaten stehen und sich neidvoll fragen, warum sie immer in den Miesen sind. Sie sollen, so fordert es der geballte Talkshowbetrieb von ihnen, gleichzeitig hemmungslos konsumieren, auf daß das Bruttosozialprodukt nur so kracht, mehr Mehrwertsteuer zahlen, damit das Sozialsystem erhalten bleibt, 'Kinder kriegen', wie es die Bundesregierung nennt, in großer Zahl für den Lebenssinn und mit der Rentenformel im Hinterkopf und außerdem noch große Summen für die späten Tage beiseite legen. Das ist für die Betroffenen natürlich kein Grund, in Selbstmitleid zu verfallen. Im Gegenteil, das ist das pralle Leben, da hat man zu tun, es wird nicht langweilig. Und bisher hat es doch ganz gut funktioniert. Die in der Mitte des Lebens aber spüren Fliehkräfte in beide biographische Richtungen: Sie werden einerseits nicht älter, weil sie es sich auch Ende Dreißig, Mitte Vierzig nicht abgewöhnen können, sich 'superjung' zu fühlen und ungemein attraktiv für die wenigen nachwachsenden Zwanzigjährigen, weil es doch so schön ist in der Mischzone von Infantilität und Reife und das Kind, das in jedem steckt, als Hedonist viel bequemer in Erscheinung tritt als in gezeugtem Zustand." [via Perlentaucher]

Es lohnt sich, die ganze Glosse zu lesen.

Thomas Meinecke

Kennen Sie im heutigen Deutschland Konservative, die Sie überzeugen?

Ich bin ja ein Anhänger des jetzt zum Papst gewählten Kardinal Ratzinger. Was er konservieren möchte, sind Dogmen, aber Dogmen sind nicht per se konservativ. Auch die Linke kennt Dogmen! Mich hat dagegen das Undogmatische immer gereizt. Es kommt also darauf an, was konserviert werden soll. Mir scheint, der Begriff befindet sich gerade in Auflösung. Die einen meinen damit so ein schwarz-grünes Gemenge aus Erhalten von Natur und Werten, und andere meinen damit wirklich etwas Reaktionäres, also auch einen Schritt hin zu zynischen Politikstrategien. Ich kann den Begriff gar nicht genau fassen, ehrlich gesagt.

Passt die Kategorie des Konservativen denn zu Ratzinger, oder spielt sich Ihre Bewunderung jenseits dessen ab?

Ich nehme zur Kenntnis, dass er als konservativ bezeichnet wird. Ich weiß aber nicht, ob es konservativ ist, wenn die katholische Kirche im Beharren auf bestimmte Rituale sich weigert, eine 'sozialdemokratische' Öffnung einzuleiten. Die Religion ist ein ganz anderes Geschäft, da greift der Gegensatz von konservativ und progressiv nicht. Ich bin jedenfalls keiner, der sagt, die Kirche müsse sich politisch engagieren. Denn dann müsste sie natürlich progressiv sein. Das Faszinosum hat eher mit dem 'Popistischen' des Katholizismus zu tun, dem Opulenten, was man auch mit Namen wie Madonna oder Martin Scorcese in Verbindung bringen kann. Wenn man aber wirklich in die Theologie einsteigt - Transsubstantiationslehre, Unbefleckte Empfängnis, der Marienkult, das Weibliche in der Eucharistie -, dann kommt man sogar zu einer interessanten Verbindung von fortschrittlicher Theorie (was für mich immer 'feministische' Theorie bedeutet) und mittelalterlichen, zeichentheoretischen Überlegungen, die in den Klöstern geleistet wurden. Die Kirche bedeutet für mich eine intellektuelle Fasziniation.

Sie stehen demnach außen und bewundern das barocke Theater der Kirche?

Das Sakrament der Ehe habe ich jedenfalls noch nicht geschändet! (lacht) Sagen wir mal so: Ich gehe nicht am Sonntag in die Kirche, aber ich finde es ganz schön, dass ich hineingehen könnte. Nachdem mir gesagt wurde, ich müsse nicht mehr ständig beichten, lasse ich mir gelegentlich sogar wieder die Hostie verabreichen.

Aus der Reihe "Sind Sie konservativ?" der Frankfurter Rundschau

Dienstag, Juli 05, 2005

Demographische Bemerkungen

Pugnus zitiert Bernd Wagner (aus seinem Politischen Feuilleton bei Deutschlandradio Kultur):
"So oft das Thema der Überalterung unserer Gesellschaft angesprochen wurde, so schnell wurde es immer wieder verdrängt, denn es berührt das wohl wichtigste unserer zahlreichen Tabus, das Sterben. Oder wie anders soll man den Zustand eines Landes bezeichnen, in dem jede Kindergeneration um ein Drittel kleiner ist als die vorausgegangene und die Bevölkerungszahl demzufolge bis zur Mitte des Jahrhunderts von 80 auf voraussichtlich 50 Millionen sinken wird? Dass in diesem Zusammenhang vor allem die finanziellen Folgen, etwa die Sicherheit der Renten, diskutiert werden, sagt einiges über die Ursachen dieser Entwicklung aus - unsere Fixierung auf materielle Interessen."

Montag, Juli 04, 2005

Also doch

Wie die Netzeitung berichtet, sei
ein Treffen zwischen dem Papst und führenden Vertretern der Ökumene in Deutschland «von Anfang an geplant» gewesen,
so der Generalsekretär des Weltjugendtags, Heiner Koch.
Namentlich nannte er Präses Schneider sowie den Metropoliten Augoustinos als Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche. Dass eine solche Begegnung stattfinde, sei den Organisatoren des Weltjugendtags ein großes Anliegen. Wegen der Planungen des Vatikan könnten die offiziellen Einladungen jedoch erst kurzfristig verschickt werden.

Doch kein Zeichen. Much Ado about Nothing.

Kirchenkritiker gefunden

Hier ist er, der Kirchenkritiker, den ich neulich im Fernsehen gesehen habe: Carsten Frerk

Sein Thema: das Geld.

Wirtschaftsimperium

Friedhelm Schwarz schreibt ein Buch über Kirche als Wirtschaftsfaktor und bringt eine Reihe bekannter Topoi, wenn er zum Beispiel
kritisiert, dass das kirchliche Wirtschaften immer noch nicht transparent genug ist. Er zeigt, dass es in dem historisch gewachsenen Dickicht viele ineffiziente Doppelstrukturen gibt, welche die gegenwärtige Finanzkrise der Kirche mit verursacht haben. Schwarz wundert sich auch darüber, dass Kirchenangestellte auf einen Teil ihrer Arbeitnehmerrechte verzichten müssen und dass dies keiner zum Skandal macht. „Ich würde mir wünschen, dass die Kirche sich zu ihren wirtschaftlichen Aktivitäten bekennt und diese so handhabt, wie man wirtschaftliche Dinge zu handhaben hat“, schreibt Schwarz schließlich als Fazit.

Das bleibt als These aber dünn und blass, vor allem, weil man sich von einem Wirtschaftsfachmann gewünscht hätte, dass er sagt, wie seiner Meinung nach die Kirche „aus ihrem christlichen Auftrag“ heraus „ganz weltliche, ökonomische Pflichten erfüllen“ sollte. Doch hier liegt die große Schwäche des Buches: Es analysiert nicht, ordnet nicht ein, gewichtet nicht. Es bleibt über weite Strecken eine Stoffsammlung, die gegen Ende wirr wird und von der katholischen und evangelischen Arbeitnehmer-Bewegung über die Finanzlage im katholischen Bistum Aachen und kirchliche Stellungnahmen zur Agenda 2010 zur Initiative Kirche von unten hüpft. Frei nach dem Motto: Das hat alles irgendwie mit Geld, Kirche und Macht zu tun. [SZ-Rezension]
Dass Kirchenangestellte auf einen Teil ihrer Arbeitnehmerrechte verzichten müssen, ist so wenig ein Skandal wie die Tatsache, dass zum Beispiel für Journalisten ähnliche Einschränkungen gelten. Das Stichwort lautet Tendenzbetrieb. Ein Unternehmen, das als solcher gilt, darf von seinen Angestellten mehr Konformität fordern als andere. Und darf man nicht von Fachbuchautoren verlangen, dass sie gute Bücher schreiben?

Friedhelm Schwarz: Wirtschaftsimperium Kirche. Der mächtigste Konzern Deutschlands, Campus Verlag, Frankfurt 2005, 24,90 Euro.

Die SZ nennt weitere Bücher zum Thema:
  • Carsten Frerk: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2001, 435 Seiten, 24,50 Euro.
    Das Buch ist der faktenreiche, aber letztlich erfolglose Versuch des Kirchenkritikers Frerk zu ergründen, wie reich die Kirchen wirklich sind. Fleißarbeit für alle, die es noch genauer wissen wollen.
  • Norbert Feldhoff: Kirchensteuer in der Diskussion, Köln 1996, 22 Euro.
    Der ehemalige Generalvikar des Erzbistums Köln und kirchliche Finanzexperte erklärt aus Innen-Sicht, wie die Kirche mit ihrem Geld und ihrem Vermögen umgeht. Die Zahlen sind allerdings sehr in die Jahre gekommen.

Mehr Abtreibungen

1,2 Millionen Abtreibungen in zehn Jahren - dies ist die offizielle Zahl des Statistischen Bundesamts. Im ersten Quartal 2005 waren es 32.600. Laut Mechthild Löhr, Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), schätzen Experten die Zahl sogar auf 2,1 Millionen. [kath.net]

No salvation outside

Der neue Kurzkatechismus zur Frage, was der berühmte Satz Extra ecclesiam nulla salus bedeutet:
171. What is the meaning of the affirmation: "There is no salvation outside the Church"?

It means that all salvation comes from Christ-Head through the Church, which is his Body. Therefore, those cannot be saved who, knowing the Church as founded by Christ and necessary for salvation, do not enter it and do not persevere. At the same time, thanks to Christ and to his Church, those can attain eternal salvation who, without fault, do not know the Gospel of Christ and his Church, but seek God sincerely and, under the influence of grace, try to do his will known through the dictates of their conscience.
Das entspricht, sicherlich keine Überraschung, der Formulierung im Katechismus der Katholischen Kirche:
„Außerhalb der Kirche kein Heil"

846 Wie ist diese von den Kirchenvätern oft wiederholte Aussage zu verstehen? Positiv formuliert, besagt sie, daß alles Heil durch die Kirche, die sein Leib ist, von Christus dem Haupt herkommt:
„Gestützt auf die Heilige Schrift und die Überlieferung lehrt [das Konzil], daß diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Der eine Christus nämlich ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der die Kirche ist, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat, hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten, bekräftigt. Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die sehr wohl wissen, daß die katholische Kirche von Gott durch Jesus Christus als eine notwendige gegründet wurde, jedoch nicht in sie eintreten oder in ihr ausharren wollen" (LG 14).
847 Diese Feststellung bezieht sich nicht auf solche, die ohne ihre Schuld Christus und seine Kirche nicht kennen:
„Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott jedoch aufrichtigen Herzens sucht und seinen durch den Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in den Taten zu erfüllen versucht, kann das ewige Heil erlangen" (LG 16) [Vgl. DS 3866-3872].
848 „Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es ‚unmöglich‘ ist, ihm ‚zu gefallen‘ (Hebr 11,6), so liegt doch auf der Kirche die Notwendigkeit und zugleich das heilige Recht der Verkündigung der Frohbotschaft" (AG 7) an alle Menschen.

Ein Zeichen

Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, klagt laut Spiegel Online darüber, bislang nicht zum Weltjugendtag eingeladen zu sein.
"Der Vatikan habe bisher keinen Termin für Gespräche zwischen Papst Benedikt XVI. und Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingeplant, sagte Schneider. Bisher sei es bei Besuchen des Papstes in Deutschland auch immer zu Begegnungen mit Vertretern des Rates der EKD gekommen. 'Wenn das diesmal nicht der Fall sein sollte, hätten wir in der Tat ein Zeichen, das uns betrüben würde', sagte Schneider."

Ein paar kleine Unterschiede zu bisherigen Besuchen gibt es schon, kommt Benedikt XVI. doch zum Weltjugendtag nach Köln, nicht zu einer Deutschlandreise. Soweit bisher bekannt, wird das diplomatische Programm eher schmal ausfallen. Darin nun ein betrübliches Zeichen (für was eigentlich?) zu sehen, fällt mir jedenfalls schwer.

Samstag, Juli 02, 2005

Mariä Heimsuchung

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Lk 1, 39-56

Freitag, Juli 01, 2005

Communio Sanctorum

Ökumene produziert viel Papier. Zumindest mir ist das bislang jüngste Exemplar bislang mehr oder minder verborgen geblieben. Dabei behandelt es, auf der Grundlage der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999), nun den harten Kern - die Ekklesiologie. Communio Sanctorum, so der Titel, ist das Werk einer Arbeitsgruppe im Auftrag der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (Stellungnahme) und der Vereinigten Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Es erschien im Jahr 2000 praktisch parallel zu Dominus Iesus.

Das Papier scheint vor allem auf protestantischer Seite höchst umstritten zu sein. 2002 publizierte die Kammer für Theologie der EKD eine Stellungnahme, auf die wiederum Heinz Schütte in der Tagespost eine Antwort gab. Die Evangelisch-theologische Fakultät der Uni Tübingen hatte zuvor das Papier in der Luft zerrissen.
Die Professoren [...] sehen in ihrer in dieser epd-Dokumentation veröffentlichten Stellungnahme in »Communio Sanctorum« zahlreiche Schwächen und Unschärfen: Der »Ausfall aller entscheidenden reformatorischen Einsichten« führe zu »Fehlbestimmungen des Ursprung der Kirche«, lautet ein Kritikpunkt. Bemängelt wird darüber hinaus ein »programmatisch einseitiges Verfahren« der Verfasser der Studie, spezifisch katholische Bereiche zu präsentieren, mit dem »Ziel evangelische Zugänge zu ihnen zu verschaffen«.
Schütte weist indes auf einen Punkt hin, der uns in den letzten Wochen auch hier stark beschäftigt hat:
Im ökumenischen Dialog wurde katholischerseits ein berechtigtes reformatorisches Anliegen bejaht: Die Heilige Schrift hat unbedingte Autorität; sie ist Maßstab (Kanon!) von Lehre und Verkündigung. Der in apostolischer Sukzession befindliche Episkopat ist an den Kanon der Schrift als der Norm der Kirche gebunden.

Einen „Hilferuf für das protestantische Schriftprinzip“ ließ der evangelische Exeget Ulrich Luz 1997 in der Zeitschrift „Evangelische Theologie“ ergehen: „Auf der Autorität der Schrift allein (ist) nach reformatorischer Auffassung die Kirche gegründet.“ Aber der „auf die Schrift gegründete Protestantismus ist in zahllose Konfessionskirchen, Freikirchen, Bewegungen, Richtungen zerfallen. ... Das protestantische Schriftprinzip trug mit seiner Loslösung von der ... Autorität des Lehramts den Keim der Auflösung bereits in sich.“ Angesichts der innerevangelisch differierenden Auffassungen drängt sich die Frage auf: Wer beruft sich mit Recht auf die Selbstdurchsetzbarkeit des Wortes Gottes?
Zum Jahr der Bibel (2003) griff Schütte das Thema in der Tagespost noch einmal auf:
Die Kirche hat sich im Kanon (= Maßstab) eine bleibende Norm gesetzt. Sie meinte – geleitet vom Heiligen Geist, wie in Montreal formuliert wurde – sich und ihren Glauben im Spiegel des als Einheit verstandenen Bibelkanons zu erkennen. Daran aber hat man Zweifel geäußert: „Die Einheit der Schrift besteht nicht in der Einheitlichkeit ihrer Lehre“ (J. Baldermann, Einführung in die Bibel, 277). Der neutestamentliche Kanon begründet nach dem evangelischen Exegeten Ernst Käsemann „nicht die Einheit der Kirche“, sondern „die Vielzahl der Konfessionen“ (E. Käsemann, Exegetische Versuche und Besinnungen I, 221). Als diese Auffassung geäußert wurde, machte sich in der Ökumene tiefe Resignation breit, schreibt der evangelische Exeget Ulrich Luz (Evangelische Theologie 57, 29f): Wenn das Neue Testament „unvereinbare theologische Gegensätze“ enthielte (E. Käsemann I, 218) und sich jede Konfession auf Teile der Bibel berufen könnte, wäre alles Mühen um Einheit in der Wahrheit zum Scheitern verurteilt. Bei einer nicht existierenden Lehreinheit der Bibel würden sich Lehrgespräche erübrigen, gäbe es beispielsweise „keine theologische Lehre vom Sakrament des Altars, sondern nur historisch-philologische Hypothesen über das Abendmahl Jesu und der Urkirche“, wie evangelischerseits Hermann Sasse bemerkt (in: G. Niemeier, Lehrgespräch über das Heilige Abendmahl, 295f).