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Freitag, April 29, 2005

Werte

Meine Ratzinger-Bibliothek wächst und wächst: Heute ist der neue Ratzinger eingetroffen. Erster Eindruck: Das legendäre Gespräch mit Habermas nutzt Herder zwar geschickt für das Marketing, kommt aber im Buch nicht vor ist aber nur ein Beitrag unter vielen. Es handelt sich vielmehr um Aufsätze und Reden aus etwa 15 Jahren, die der Verlag in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht hat.

Mein aktueller Bestand: Außerdem bestellt:

Katharina


„Mein Wesen ist Feuer.“

Seid versichert: wenn ich sterbe, ist die einzige Ursache meines Todes die Liebe zur Kirche.“

Katharina von Siena

Ranke-Heinemann über Ratzinger

Sehr schräg und deshalb unterhaltsam: E-Mail-Interview in derStandard.at.

Rückkehr

Heute in der Süddeutschen, sagt der Perlentaucher:
Zur Frage, ob es eine Rückkehr der Religionen gibt, weist der Bochumer Religionswissenschaftler Volkhard Krech darauf hin, dass es einen Unterschied gibt zwischen Religiösität, diffusem religiösen Interesse und die Sehnsucht nach sakraler Aura.

Falls jemand Zugriff hat...

Sonntagsruhe


Jetzt muss sich schon die Wirtschaftspresse um die Rettung des vielfach bedrohten Sonntags kümmern. Nach der Wirtschaftswoche befasst sich nun auch die Financial Times Deutschland ausführlich mit dem Sinn und Zweck des ersten Tags der Woche (oder auch letzten Tags des Wochenendes).
In diesem Jahr ist der 1. Mai ein Sonntag der Arbeit. Nun muss uns schon der Kalender darauf hinweisen, dass nicht wirklich die Arbeit in Gefahr ist, sondern die freie Zeit, die Muße, die Ruhe. "Dies solis", der Sonntag, bröckelt ohne großen Protest. Die Kirchen können froh sein, wenn der Vormittag still bleibt. Die Gewerkschaften sorgen sich eher um die steuerfreien Zuschläge.

Ordination

Petra schreibt über Frauenordination. Höchst interessant und vielsagend finde ich in der ganzen Debatte übrigens die Doppeldeutigkeit des Wortes Ordination: Im evangelisch-lutherischen Verständnis bedeutet es etwas anderes als im katholischen, weshalb gerade im deutschen Sprachraum eher von Priesterweihe die Rede ist, obwohl natürlich die Ordination gemeint ist.

Federazione dei Comunisti Anarchici

Die Föderation der anarchistischen Kommunisten hat auch etwas zur Papstwahl zu sagen. Schon sehr lustig, wie sich weitreichende Ahnungslosigkeit in der Sache mit der Pose der eigenen Allwissenheit verbindet. (Die schärfsten Kritiker der Elche sind meistens selber welche.) Diese im Gefolge von 1968 weitverbreitete Haltung hat sich ja heute nur noch in ganz wenigen abseitigen Biotopen gehalten. Aber an einem Punkt trifft der Bund ins Schwarze:
"Die frömmlerischen Meinungsmacher haben jetzt mit ein bißchen Verwirrung gesehen, wie ihre Glorienträume zusammengebrochen sind. Sie kommen uns griesgrämig vor wie Kinder, denen ein neues Spielzeug verweigert worden ist."

Der Vollständigkeit halber sei noch nachgetragen, dass die Pressemitteilung schon vom 19. April datiert. Auch anarchistische Kommunisten betreiben offenbar heutzutage eine reaktionsschnelle Öffentlichkeitsarbeit.

Donnerstag, April 28, 2005

Papst-Zeit

Auch die zweite Ausgabe der Zeit nach der Wahl Benedikts XVI. bringt relativ viel Papst ins Haus: Elisabeth von Thadden eiert, eine weibliche Perspektive einnehmend, ziemlich herum. Jan Ross verhilft den Büchern Joseph Ratzingers zu weiterem Abverkauf:
Das Europäische, wie Benedikt XVI. es liebt und gefährdet sieht, ist das Miteinander von Vernunft und Glaube – die kunstvollen Ideenkathedralen der Theologie, die strengen und gerade nicht orgiastisch ausufernden Formen des Gottesdienstes (dem Geist der Liturgie hat Ratzinger ein eindringliches Buch gewidmet), ein christliches Ethos, das sich die apokalyptische Revolutionsschwärmerei verbietet (daher der Widerstand gegen die marxistisch inspirierte Befreiungstheologie). Dass Religion und Vernunft zusammengehören, dass sie sich wechselseitig »reinigen« und »heilen« müssen, weil der Glaube sonst fundamentalistisch eng und die Vernunft materialistisch leer wird – das ist ein, vielleicht das Leitmotiv im Denken des neuen Papstes.
[via Perlentaucher]

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Neoliberalismus

Nun habe ich hier ja kein allgemeinpolitisches Mandat. Dennoch möchte ich dieses Zitat aus einem Kommentar der taz von gestern meinen Lesern nicht vorenthalten:
Sollte das Wachstum nicht bald anziehen, steht ein ideologischer Verlierer schon fest: der Neoliberalismus. Wer die realen Verlierer im Verteilungskampf sein werden, ist hingegen unklar. Denn Kapitalismus ohne Wachstum - das ist historisch so neu, dass alle Parteien überfordert sind. Sehr beunruhigend.
[via Deutschlandfunk/Presseschau]

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Benedikt und Teilhard

Es ist noch nicht lange her, dass sich der Todestag von Pierre Teilhard de Chardin zum fünfzigsten Male jährte. Ich hatte damals, als kaum einer (mich eingeschlossen) an Benedikt XVI. dachte, ein Chardin-Zitat seitens Joseph Ratzingers ausgegraben. Gestern ist nun mein Exemplar der Einführung in das Christentum eingetroffen. Und just berichtet Theodor Frey in seinem neuen Blog Benedikt XVI. ausführlich über erste Resultate seiner Lektüre eben dieses Buches: Der Theologe Ratzinger bezieht sich auf Teilhard de Chardin. Hätt' ich doch mehr Zeit zum Lesen!

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Mittwoch, April 27, 2005

Theosophie

Diese Variante zeitgenössischen Denkens muss bislang erfolgreich einen Bogen um mich gemacht haben. Man tut der Theosophie wohl nicht Unrecht, wenn man sie ins Spektrum der Esoterik einordnet. (Interessant übrigens, wie nahe der einschlägige Artikel in der Wikipedia an der Website der Theosophischen Gesellschaft liegt.)

Heute vor 90 Jahren starb der Komponist Alexander Skrjabin, dessen musikalisches Werk unter dem Einfluss der Theosophie entstand. Der Deutschlandfunk erinnert an ihn:
Drei Symphonien, die zwischen 1900 und 1905 entstehen, bereiten das Poéme de l'extase für Orchester vor, in dem sich eine völlig neue Klangwelt manifestiert - so wie die Theosophie auch Skrjabins Gedankenwelt verändert hat. Er versteht sich als neuer Prometheus, der alle schöpferischen Kräfte des Lebens in sich trägt. In Gedichten und Tagebuch-Notizen hält er seine Ideen fest.
Ich bin tätig - ich bin in Zeit und Raum. Ich will leben. Ich will schaffen. Ich will siegen. Die Welt sucht Gott. Ich suche mich. Ich bin Gott, der dein Bewusstsein durch die Kraft meines freien schöpferischen Aktes hervorgebracht hat. Die Welt lebt in meinem Bewusstsein, als mein Schöpfungsakt.

Montag, April 25, 2005

Rüge

Harry Nutt rügt Jürgen Rüttgers (in der FR):
"Rüttgers Gerede von der Überlegenheit des christlichen Glaubens ist so gesehen Ausdruck einer Irritation angesichts der gegenwärtigen Hypertrophie des Religiösen. Eine Überlegenheit feststellen kann nur der, der vergleicht. Der Gläubige aber, der vergleicht, ist sich seines Glaubens bereits nicht mehr sicher. Er lebt mit der ständigen Ungewissheit, dass der Glaube der anderen der bessere sein könnte."
Moment mal! Selbstverständlich tut er das. Wer kann sich seines Glaubens schon sicher sein? Der Zweifel ist die Kehrseite der Medaille. Ohne Zweifel kein Fortschritt im Glauben. Aber, und da sind wir jetzt ganz nah bei Benedikt XVI., muss sich der Glauben gegenüber der Vernunft ausweisen, ja als vernünftig erweisen. Und das kann er auch. Christian Schlüter schrieb dazu, ebenfalls in der Rundschau:
"Ratzinger stellt die Vernunft vor den Glauben. Erfahrungswissen und Skepsis sind ihm die einzig angemessenen Mittel, um sich des Aberglaubens, des mythischen Wissens zu erwehren (an diesem Punkt offenbart sich auch die Verpflichtung auf Augustinus, über den Ratzinger seine Dissertation schrieb). Die Grenzen der Aufklärung sieht der Theologe allein in der 'Verabsolutierung' der Vernunft: 'Wir müssen den Traum der absoluten Autonomie der Vernunft und ihrer Selbstgenügsamkeit verabschieden.' Die mit absoluten Ansprüchen einhergehende Maßlosigkeit sieht er in Teilen der Aufklärung, vor allem bei Rousseau angelegt, in dessen Ideal völliger Herrschaftsfreiheit."
Skepsis, lieber Harry Nutt, muss also nicht zermürbend sein. Weiter in seinem Text:
"Nicht zuletzt, um dieser zermürbenden Skepsis beizukommen, hat die Moderne über Jahrhunderte hinweg den Gedanken der Toleranz entwickelt. Wenn sie gelingt, gewährt sie nicht nur Frieden, sondern kann auch zur Entlastung von eigenen Zweifeln beitragen. Es ist letztlich die hohe Kunst des anything goes, gleich gültige Passionen anzuerkennen und auszuhalten."
Stop! Wie verwaschen ist denn dieser Toleranzbegriff? Toleranz dient der Bewältigung von Skepsis? Weil ich zweifle, toleriere ich - ja, was denn? Alles ist gleich gültig - also gleichgültig?

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Benedikts Schriften

Der Deutschlandfunk hat in der Sendung Politische Literatur heute einen kurzen Überblick [jetzt mit funktionierendem Link!] über die Bücher Joseph Ratzingers gegeben. Interessant, weil neu, war vor allem die kurze Rezension des jüngsten Buches.

Etwas schräg wird es dann beim Rückblick auf ein Mitte der 90er Jahre erschienenes Buch:
Bereits über zehn Jahre zuvor, in seiner Analyse "Zur Lage des Glaubens", hatte er die Einstellung der Katholiken zur säkularen Welt beschrieben und gefordert:
Auch hier müssen wir zu einem neuen Mut zum Nonkonformismus gegenüber den Tendenzen der Wohlstandsgesellschaft zurückfinden. Anstatt dem Zeitgeist zu folgen, müssten gerade wir ihm von neuem mit evangelischem Ernst entgegentreten. Wir haben den Sinn dafür verloren, dass die Christen nicht wie >jedermann< leben können.
Das ist eine andere Grundhaltung als jene, die das Zweite Vaticanum zum Ausdruck brachte. Das Konzil hatte in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Kirche nicht im Gegenüber, sondern in der Welt gesehen und den Christen zugemutet, auf sie zuzugehen, nicht um sich anzupassen, sondern um sie mit christlichem Geist zu durchformen. Ratzinger macht vor allem das Konzil dafür verantwortlich, dass die katholische Kirche seiner Ansicht nach angekränkelt ist. Erstaunlich, denn der damals junge, progressiv eingeschätzte Professor hat als theologischer Berater nachweisbar dazu beigetragen, dass die Kirche sich der modernen Welt öffnete und dazu sich selbst reformierte.
Ja, erstaunlich. Aber das veranlasst den Autor nicht, noch einmal etwas genauer hinzusehen. Dann hätte er vielleicht merken können, dass weder der neue Papst noch sein Vorgänger das Konzil für irgendwelche Fehlentwicklungen verantwortlich machen. Beide standen und stehen, soweit ich das beurteilen kann, vollständig auf dem Boden des Konzils - allerdings definitiv nicht eines diffusen Geists des zweiten Vaticanums, wie er häufig beschworen wird und sich in den Konzilstexten nicht finden lässt...

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Open Pope

If I was pope I'd be Linus II because I'm a fan of open source software. And also because he's the next one after Peter.

Ein Kommentar bei The Curt Jester

Markus


1 Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging.
2 Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe
3 und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.
4 Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist;
5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe,
6 ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.
7 Aber jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat.
8 Deshalb heißt es: Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, er gab den Menschen Geschenke.
9 Wenn er aber hinaufstieg, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?
10 Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen bis zum höchsten Himmel, um das All zu beherrschen.
11 Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,
12 um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi.
13 So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.
14 Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt.
15 Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt.
16 Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut.
Eph 4,1-16

Samstag, April 23, 2005

Via Veritas et Vita


Wäre das Christentum nur eine Summe von Geboten und Lebensregeln, es wäre leichter zu begreifen, aber auch leichter zu ersetzen und zu erledigen. Aber Christus sagt: Ich bin. Er ist der Fels, das Fundament. Er ist auch der Weg, und er ist das Leben. Wer ihm folgt, geht sicher; er ist in der Wahrheit und Treue Gottes geborgen.
Schott-Messbuch zum 5. Sonntag der Osterzeit A

Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.
Joh 14,6

Abrechnung

Auch wenn es jetzt ein wenig zirkulär wird: Scipio seziert gnadenlos (schon wieder dieses Wort) die Rüttgers-Kritiker und kommt zu folgendem furiosen Schluss:
"Was die Rüttgers-Kritiker fordern, ist ein Verzicht, irgendetwas öffentlich für wahr zu halten und Wahrheitsüberzeugungen auf einen privaten Raum zu begrenzen - den es in Wahrheit (halt, das darf ich ja jetzt nicht mehr sagen...) nicht gibt. Es ist die Forderung, Religion nicht mehr als Weg der Wahrheitserkenntnis zu sehen und zu praktizieren, sondern alle indikativen Sätze einer Religion zu relativieren, menschheits-, gesellschafts- oder individualgeschichtlich zu historisieren. Es ist die Forderung nach dem Tod von Religion, wie wir sie kennen, und nach ihrer Auferstehung als Therapeutikum, als Meinung mit dem Radius Null, als neuronale Abläufe ohne Bezug zur Außenwelt: Denn der liesse sich ja schon wieder als richtig oder falsch, als adäquat oder "daneben", als wahr oder unwahr qualifizieren..."


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Einführung


Bei Weltbild gibt es, wie ich heute einer Anzeige in der FAZ entnehmen konnte, jetzt eine Sonderausgabe der Einführung in das Christentum für 9,95 EUR. Dazu kommen allerdings noch 3,95 EUR Versandkosten, was den Preisvorteil reduziert.

Freitag, April 22, 2005

Relativismus

Bevor der Artikel im Nirvana des NZZ-Archives verschwindet - Helmut Hoping und Jan-Heiner Tück, tätig am Institut für systematische (katholische) Theologie der Universität Freiburg i. Br., skizzieren die Theologie Benedikts XVI.:
An der Gestalt des Gekreuzigten und seinem rückhaltlosen Selbsteinsatz wird ablesbar, dass Gott sich selbst als Liebe definiert hat. Diese Selbstdefinition Gottes im Fleisch eines Menschen ist für die religionsfreudige Gottlosigkeit heute eine Provokation. Wer die Wahrheit bejaht, die mit dieser Selbstdefinition gegeben ist, kann die achselzuckende Indifferenz gegenüber der Wahrheitsfrage nicht teilen, welche der gegenwärtige Relativismus empfiehlt. Das Festhalten am universalen Wahrheitsanspruch des Glaubens mag unbequem sein, ist aber zugleich die Voraussetzung dafür, mit einer klar konturierten Position den Dialog zu suchen. Gegenüber diversen Spielarten heutiger Rationalitätsskepsis hat Ratzinger nicht nur die Wahrheitsfähigkeit der menschlichen Vernunft immer betont, sondern auch mit Sorge eine gewisse Verabsolutierung der säkularen Vernunft diagnostiziert:
«Wissenschaft wird pathologisch und lebensgefährlich, wo sie sich aus dem Zusammenhang der sittlichen Ordnung des Menschseins verabschiedet und nur noch autonom ihre eigenen Möglichkeiten als ihren einzig zulässigen Massstab anerkennt.»


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Freiheit bei Rahner

Leider nur teilweise gehört, und der Hinweis kommt jetzt auch zu spät. Eine hörenswerte Sendung heute im Deutschlandfunk:
19:15 Uhr

Hintergrund Kultur

Im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Manipulation
Karl Rahner und seine Sicht der institutionellen Schuld von Kirche und Gesellschaft
Von Hartmut Kriege

Kirchenaustritt bei Google

Ich bin mit meiner bescheidenen Notiz zum Thema Kirchenaustritt inzwischen schon auf Platz 9 bei Google. Jetzt noch ein paar Links, und dann laufe ich den ganzen Freidenkern und dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat München bald den Rang ab...

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Überlegenheit

Respekt, Jürgen Rüttgers! Der nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat hat der gnadenlosen Fragenmaschine seines Parteifreundes Michel Friedman sauber standgehalten. Spiegel Online dokumentiert den Dialog und die Statements der üblichen Verdächtigen (die ich mir erspare):
Friedman: Zum gleichberechtigten Respekt aller Kirchen sagt Benedikt XVI: "Die katholische Kirche ist allen anderen Kirchen überlegen." Hat er Recht?

Rüttgers:
Er sagt, dass das, was er glaubt, und das, was seine Kirche glaubt, das Richtige ist. Und ich finde, das darf er auch.

Friedman: Ich sage noch einmal: Die katholische Kirche sei allen anderen Kirchen überlegen.

Rüttgers:
Ich hab das schon verstanden. Er sagt, das ist das Richtige, und wenn's das Richtige ist, dann muss er zwangsläufig sagen, dass das andere nicht richtig ist.

Friedman: Und was sagen Sie?

Rüttgers: Ich glaube, dass wir wieder lernen müssen, dazu zu stehen, dass wir wieder etwas für wahr und etwas für unwahr halten. Ich bin Katholik und ich glaube, dass unser christliches Menschenbild das Richtige ist und nicht vergleichbar ist mit den anderen Menschenbildern, die es anderswo auf der Welt gibt.

Friedman: Aber wir sprechen von dem Begriff "überlegen". Ist die katholische Kirche und ihr Menschenbild anderen Religionen überlegen?

Rüttgers: Ich glaube, dass es das Richtige ist, wenn Sie wollen auch "überlegen".

Friedman: Was bedeutet das denn eigentlich für einen Protestanten, einen Juden oder einen Moslem, wenn Sie sagen, die katholische Religion ist den anderen überlegen?

Rüttgers: Das bedeutet, dass er von seiner genauso überzeugt sein kann und dass man auf der Basis dann anfängt miteinander zu reden.
Ist das die Diktatur des Relativismus?

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Immer noch Habermas und Ratzinger

Isolde Charim erläutert in der heutigen taz (unter der an Botho Strauß gemahnenden Überschrift Anschwellender Papstgesang), was diese beiden Päpste miteinander verbindet:
"Habermas geht es um Konzepte wie die Gottesebenbildlichkeit des Menschen und um die absolute Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpfen. Denn das sind jene Vorstellungen, die Gründe für den Einspruch liefern, jene Vorstellungen eines 'Wissens' um die eigenen Grenzen, die die Religion plötzlich vernünftiger erscheinen lassen als eine ungezügelte Vernunft. Um Letztere zu hegen, wendet sich Habermas an die Religion, die ihr gegenüber die 'unbedingte Geltung moralischer Pflichten' auch in postsäkularen Gesellschaften garantieren soll. Kein Wunder, dass Ratzinger sich mit ihm absolut einig wusste. Der nunmehrige Papst war der ideale Ansprechpartner dafür."

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Weckruf

Ging mir gestern schon durch den Sinn, aber dann geriet es wieder in Vergessenheit. Eines meiner liebsten klassischen Kirchenlieder, aus gegebenem Anlass:
  1. Sonne der Gerechtigkeit,
    gehe auf zu unsrer Zeit;
    brich in deiner Kirche an,
    daß die Welt es sehen kann.
    Erbarm dich, Herr.

  2. Weck die tote Christenheit
    aus dem Schlaf der Sicherheit;
    daß sie deine Stimme hört,
    sich zu deinem Wort bekehrt.
    Erbarm dich, Herr.

  3. Schaue die Zertrennung an,
    der sonst niemand wehren kann.
    Sammle, großer Menschenhirt,
    alles, was sich hat verirrt.
    Erbarm dich, Herr.

  4. Tu der Völker Türen auf;
    deines Himmelreiches Lauf
    hemme keine List noch Macht.
    Schaffe Licht in dunkler Nacht.
    Erbarm dich, Herr.

  5. Gib den Boten Kraft und Mut,
    Glauben, Hoffnung, Liebesglut,
    und laß reiche Frucht aufgehn,
    wo sie unter Tränen sä’n.
    Erbarm dich, Herr.

  6. Laß uns deine Herrlichkeit
    sehen auch in dieser Zeit
    und mit unsrer kleinen Kraft
    suchen, was den Frieden schafft.
    Erbarm dich, Herr.

  7. Laß uns eins sein, Jesu Christ,
    wie du mit dem Vater bist,
    in dir bleiben allezeit
    heute wie in Ewigkeit.
    Erbarm dich, Herr.

Verzeihung

Wahre Worte, gelassen ausgesprochen:
Immer noch das Thema: Papst Benedikt XVI. - ein Papst
aus Deutschland. Viele fortschrittliche Katholiken sind
begeistert: "Toll, ein Papst aus Deutschland. Endlich
mal ein Papst aus einem Entwicklungsland!"

Es gibt aber auch kritische Stimmen zum neuen Papst.
Alice Schwarzer hat gesagt: "Das ist alles ein bisschen
konservativ." Indirekt meinte sie: "Liebe katholische
Frauen, wenn ihr das nicht mittragen wollt, dann tretet
aus der katholischen Kirche aus." Der Vatikan hat
sofort reagiert und heute um 16 Uhr sein Abo von "Emma"
gekündigt.

Was bedeutet es, dass wir nach 482 Jahren wieder
einen Papst aus Deutschland haben? Es bedeutet: der
Herr hat uns Martin Luther verziehen.

Harald Schmidt, 21. April 2005

Donnerstag, April 21, 2005

Klärungsprozess

Heute kommt eine ganze Reihe von Besuchern mit dem Suchwort Kirchenaustritt hier vorbei. Das liegt wohl daran, dass ich neulich eine kleine Notiz dazu verfasst hatte. Kann es sein, dass der erwartete Klärungsprozess schon begonnen hat?

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Zeitgeist

Telepolis analysiert messerscharf:
"Man hätte es ahnen müssen: Als Maria Jepsen, protestantische Bischöfin von Hamburg, am Dienstagmorgen im Deutschlandradio mit weinerlich-drängender Stimme mahnte, es dürfe 'auf keinen Fall Ratzinger' werden, hätte man es ahnen müssen. Niemand steht dem Zeitgeist näher, als die protestantische Kirche in Deutschland und so war Jepsen genau das richtige Fähnlein, um früh zu signalisieren, woher der Wind wehte."
Jepsen im Originalton

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Habemus Habermas

Ich habe da doch meine Zweifel, ob Mariam Lau ihr Diplom an der Frankfurter Schule wirklich bestanden hat. Sie schreibt heute bei Spiegel Online:
"Den Anfang hatte Jürgen Habermas gemacht - derselbe Habermas, der noch vor ein paar Jahren das 'nachmetaphysische Denken' verteufelte. In den achtziger Jahren hat er jedermann des 'Neokonservatismus' verdächtigt, der auch nur den leisesten Zweifel daran äußerte, dass 'die Moderne den sinnstiftenden und tröstenden Gegenhalt nicht aus sich selber produzieren kann', so Habermas 1985 in einem programmatischen Aufsatz. Er goss Häme aus über jene Denker, die der haltlosen Moderne einen Bedarf an 'gegenwirkenden Traditionen' attestierten. Sie waren Reaktionäre, Philosophen der Kohlschen Tendenzwende und gehörten als solche entlarvt und an den Pranger gestellt.

Derselbe Habermas räumte vor einem Jahr im Gespräch mit Ratzinger ein, der säkulare Verfassungsstaat sei auf die 'säkularisierende Entbindung religiös verkapselter Bedeutungspotentiale' dringend angewiesen - was für ein Gang nach Canossa! Da wurde die Religion zur Revitalisierung des politischen Systems schamlos eingespannt. Wer da Erfahrungen sucht, sollte mal nach Iran fahren: Von dieser Wechselbeziehung hat weder Religion noch Staat profitiert. In den religiösen Gemeinden, so Habermas, könne 'etwas intakt bleiben, was andernorts verloren gegangen ist', nämlich 'Sensibilitäten für verfehltes Leben, für gesellschaftliche Pathologien, für das Misslingen individueller Lebensentwürfe und Deformation entstellter Lebenszusammenhänge'."
Schusterin, bleib bei deinem Leisten?

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Anselm


Hast Du gefunden, meine Seele, was du gesucht hast? Du hast Gott gesucht und gefunden, daß er das Höchste von allem ist, so hoch, daß wir nichts Höheres denken können als ihn. Du hast gefunden, daß er Leben und Licht, Weisheit und Güte, ewige Seligkeit und selige Ewigkeit in Person ist, überall und immerdar.
Herr, mein Gott, der mich geschaffen und neu geschaffen hat, sag meiner verlangenden Seele, was du über das hinaus bist, was sie gesehen hat, damit sie dich rein erkennt. Meine Seele streckt sich aus, um noch mehr zu sehen. Aber jenseits von dem, was sie gesehen hat, erblickt sie nur Finsternis. Ja, sie sieht auch keine Finsternis, da es die nicht in dir gibt. Aber sie merkt, daß sie wegen ihrer eigenen Finsternis mehr nicht sehen kann.
Wirklich, Herr, das ist das unzugängliche Licht, in dem du wohnst; es gibt wirklich nichts anderes, was in dieses Licht eindringen und dich dort sehen könnte. Wahrhaftig, deswegen kann ich nicht sehen, weil es zu hell für mich ist.
Anselm von Canterbury: Aus dem Proslogion
[mit besten Grüßen an Scipio]

Reformbedarf

Schon seltsam. Da hat eine globale Institution gerade ihren - nach weltlichen Maßstäben - größten Erfolg ihrer Geschichte erlebt: weltweite Anteilnahme, himmelhohe Einschaltquoten, grenzenlose Begeisterung. Und ohne mit der Wimper zu zucken, halten die meisten Menschen in dem Land, aus dem der neue Chef kommt, nichts für dringender als Reformen? Das ist doch ungefähr so, als ob der Fußball dringend neu erfunden werden müsste, nachdem die Nationalmannschaft gerade die WM gewonnen hat.

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Mittwoch, April 20, 2005

Unlust

Die FAZ bringt Auszüge aus dem neuen Ratzinger:
Es gibt in Europa eine seltsame Unlust an der Zukunft. Am deutlichsten ist dies daran zu erkennen, daß Kinder als Bedrohung der Gegenwart angesehen werden; sie werden weithin nicht als Hoffnung, sondern als Grenze der Gegenwart empfunden.

Europa scheint ausgerechnet in der Stunde seines äußersten Erfolgs von innen her leer geworden, gleichsam von einer lebensbedrohenden Kreislaufkrise gelähmt, auf Transplantate angewiesen. Diesem inneren Absterben der tragenden seelischen Kräfte entspricht es, daß auch ethnisch Europa auf dem Weg der Verabschiedung begriffen erscheint.


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Erinnerung und Identität

Oswald Sobrino fasst das letzte Buch von Johannes Paul II. zusammen.

Opening the Mind

Nachdem der Adressat in persona nun feststeht, schreibt alle Welt ihm ins Stammbuch, was zu tun ist. Reformen in der Kirche fordern selbst Leute, die ansonsten Kirchen und Religionen sofort abschaffen möchten.

Benedikt XVI. wird vermutlich seinem großen Vorgänger darin folgen, dass er viel eher ein Reformprogramm für die Welt verfolgt denn für die Kirche. Einige Stichworte sind bereits gefallen. Catholic Analysis beschreibt die Herausforderung so:
Benedict has work to do. He knows it. He is fully capable of doing the hard work of engaging a Western world whose secularist mentality combines breathtaking ignorance with breathtaking technological advancement. And he will do that work marvelously. He will challenge the Western world to think again, open its mind, to learn to philosophize again. The secular, morally relativist mentality refuses to think and to even be open to differing and challenging points of view. It is not so much a matter of opening up the Church--the Church is always open to all and has a reasoned and wise answer for all. It is more an urgent matter of opening the mind of a secular world [...].


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Gott und die Welt

Bücher von Joseph Ratzinger erleben eine Sonderkonjunktur. Gestern noch war Gott und die Welt bei Amazon für 3,15 EUR (plus 3,00 EUR Versand) zu haben. Heute liegt das günstigste Angebot bei 11,95 EUR. Der neue Ratzinger ist in ein bis zwei Wochen lieferbar.

Ähnliches Bild bei Ebay: Dort sind jetzt schon fast 500 Angebote unter dem Suchwort Ratzinger zu finden. Zum Teil werden abstruse Preise geboten.

Abebooks.de hat Ratzinger auf die Startseite gehoben. Preislich hat sich dort eher wenig getan. So mancher Antiquar wird heute wohl über seine Preisgestaltung nachdenken.

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Geistliche Pointe

Matussek bringt es wieder auf den Punkt:
"Der Heilige Geist hat sich da tatsächlich eine mächtige Pointe geleistet, den Papst ausgerechnet bei denen zu rekrutieren, die ihn am nötigsten haben: bei den Deutschen. Das Drama der Modernität begann schließlich in Deutschland, und es sind die Deutschen, die es am weitesten getrieben haben.

Bei uns wird der Glaube in der Öffentlichkeit am lautesten von denen diskutiert, die ihm längst den Rücken gekehrt haben. All diese Talkshow-Moderatoren möchten die unzeitgemäße Trutzburg aus Gebetstiefe, Kultur und Traditionen, die sie da verlassen haben, möglichst weit trivialisiert und modernisiert sehen. So weit, dass ihnen die untergründig verspürte Melancholie darüber vergeht, dass sie ihr nicht mehr angehören.

Sie wollen sie so trivial wie den Supermarkt an der Ecke, in den jeder latschen kann. So trivial wie sie selber sind. Deshalb reden sie, wenn sie vom Glauben reden, am liebsten von Priesterinnen, Kondomen, Kommunion für alle. Sie möchten nicht über die zehn Gebote reden, den sonntäglichen Kirchgang, die Sünde und die Beichte, den Rosenkranz, und wenn, dann nur mit anzüglichem Spott. Sie möchten das Angebot, das sie ausschlagen, gerne ohne jeden Wert."


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Dienstag, April 19, 2005

Jetzt ist mir doch etwas mulmig.


Benedict XVI.

Annuntio vobis gaudium magnum

Habemus papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum Josephum Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger qui sibi nomen imposuit Benedictum XVI.

Te Deum laudamus

Te Deum laudamus,
te Dominum confitemur.
Te aeternum Patrem omnis terra veneratur.
Tibi omnes angeli, tibi caeli et universae
potestates, tibi cherubim et seraphim
incessabili voce proclamant:
Sanctus, sanctus,
sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Pleni sunt caeli et terra
maiestatis gloriae tuae.

Te gloriosus Apostolorum chorus,
te prophetarum laudabilis numerus,
te martyrum candidatus laudat exercitus.
Te per orbem terrarum
sancta confitetur ecclesia.
Patrem immensae maiestatis;
venerandum tuum verum et unicum filium;
Sanctum quoque Paraclitum Spiritum.

Tu rex gloriae, Christe.
Tu Patris sempiternus es filius.

Tu, ad liberandum suscepturus hominem,
non horruisti virginis uterum.

Tu, devicto mortis aculeo,
aperuisti credentibus regna caelorum.

Tu ad dexteram Dei sedes
in gloria Patris.
Iudex crederis esse venturus.

Te ergo quaesumus, tuis famulis subveni,
quos pretioso sanguine redemisti.

Aeterna fac
cum sanctis tuis in gloria numerari.

Annuntio vobis gaudium magnum

Habemus papam.

Well done, liebe Kardinäle. Offensichtlich im vierten Wahlgang.

Weißer Rauch?

Sieht im Augenblick ganz danach aus.

Update: Die Glocken läuten noch nicht. Und bei Spiegel Online wird von Unklarheiten berichtet, was die Interpretation der Farbe angeht.

Update 2: Jetzt ist von weißem Rauch die Rede.


Update 3: Um 18:04 beginnt die große Glocke zu schwingen. Auf dem Petersplatz bricht Jubel aus.

Zeitreise

Hätte mir im Oktober 1978 jemand erzählt, ich würde das nächste Konklave an einem Schreibtisch sitzend verfolgen, mit einem persönlichen Arbeitsplatzrechner ausgestattet, dessen Leistungsfähigkeit die Großrechner jener Jahre übertrifft, live im Blick den Petersplatz und den Kamin auf der Sixtinischen Kapelle mit Bewegtbildern, die über ein weltweites Computernetzwerk vermittelt werden - es hätte mich doch reichlich verwundert.

Anprobe


Der Nächste bitte. [via Jakoba]

Zeit des Wartens

Die römische Zeitung La Stampa schreibt:
"Dies ist die Zeit des Wartens - eine Erfahrung, die das wahre Herz der Kirche zeigt, ihre Verschiedenheit von den politischen Institutionen offenbart. (...) Auf der anderen Seite spricht man von Allianzen und Unterstützung, davon, Kandidaten nicht zu verbrennen, um sie im zweiten Wahlgang unverbraucht und unschuldig zu präsentieren. Der Heilige Geist bedient sich, so heißt es, menschlicher Mittel. Manchmal auch allzu menschlicher. ( ...) Man wird warten müssen. Die Kirche hat auf ihrem Weg keine Eile."
[via FTD]

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Apostolic Boldness

Eine katholische Analyse erklärt, warum Ratzinger ein großartiger Papst wäre:
"Ratzinger is not a fearful conservative. In fact, what Ratzinger proposes for the Church is an apostolic boldness in the face of secularism, indifference, and moral chaos that builds on the foundations laid by John Paul the Great. A Ratzinger papacy would boldly engage the modern world on any intellectual or philosophical battlefield proposed. And on that battlefield, a Pope Ratzinger, combining his tremendous charisms of intellect and faith, would stun an indifferent world with the Truth. Ratzinger would not be afraid. Ratzinger would put out into the deep and let down his nets for a catch. He will not conform. Like John Paul the Great, Ratzinger would be a voice of reason and sanity prophetically calling the world to conversion."
Hätte ich auch nicht von mir gedacht, dass ich einmal so viel Gutes über Joseph Ratzinger schreiben und zitieren würde.

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Drewermann

So klingt es, wenn der Kranke dem Arzt die Therapie vorschlägt:
"Ich stelle mir die Religion von morgen so vor, dass sie psychologisch integrativ ist, also die psychoanalytische Aufklärung nacharbeitet, die Integration des Unbewussten, dass sie integrativ kulturell ist, den Dialog mit den Religionen, vor allem Buddhismus, Hinduismus, Islam, enorm verstärkt und dass sie integrativ ökologisch ist, dass sie das Thema der Umwelt, der Schutz der Tiere mit einer ganz neuen, in der katholischen Kirche nie gewesenen Ethik nacharbeitet. Dann kann der Papst im Grunde sein, wie er will, wenn er diesen Zielsetzungen einer Religiosität von morgen entsprechend wäre."
Eugen Drewermann heute morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ganz großes Kino.

Confiteor: Ich habe Kleriker (bei Amazon jetzt ab 2 EUR) gelesen, und nicht ohne Gewinn. Was aber reitet einen Menschen, der Kirche ihre Selbstabschaffung vorzuschlagen? Es fällt mir schwer, jemanden mit solchen Thesen noch ernst zu nehmen.

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Montag, April 18, 2005

Bürde

Aus der ganzen Welt nimmt man seine Zuflucht zum Stuhl des heiligen Petrus, und alle erwarten von unserer Verwaltung des Hohenpriesteramtes dieselbe Liebe zur gesamten Kirche, wie sie dem Petrus vom Herrn ins Herz gelegt wurde. Da fühlen wir die Bürde um so schwerer auf uns lasten, je Größeres wir allen schulden.
Wie können wir also bei solch begründeter Besorgnis mit solchem Vertrauen an die Ausführung unserer Aufgabe gehen, wenn nicht er ohne Schlummer und Schlaf wäre, der über Israel wacht und zu seinen Jüngern spricht: "Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt", wenn sich nicht er, den man zwar nicht sieht, wohl aber in seinem Innern fühlt, sich dazu herabließe, der Hüter seiner Schafe und der Hirt der Hirten selbst zu sein.
Leo der Große: Aus einer Predigt über die Bürde des Petrusamtes

Gelernter Katholik

Der Papst wirkt. Oder doch der Heilige Geist? So scheint es jedenfalls, schaut man auf die vorsichtigen Reflexionen von Thomas E. Schmidt in der Zeit der vergangenen Woche:
»Man hat gern Gewissheit, man möchte gern, dass der Papst in Glaubenssachen unfehlbar sei und dass die ehrwürdigen Doktoren es in Sittlichkeitsfragen seien, damit man seine Sicherheit hat«, schrieb Blaise Pascal. Auch das 17. Jahrhundert nahm den Papst als Figur der weltlichen Beruhigung in Beschlag, als Wahrheitsonkel und Moralopa. Den kann man auch gut finden, wenn einem das Christliche ansonsten zu anstrengend ist.

Jemand wie ich, der zwar gelernter Katholik ist, sich heute aber eher als einen liberalen Ironiker bezeichnen würde, schreckt daher auch nicht so sehr bei der öffentlichen Wallung der Gefühle auf, sondern durch die Bewegung, die der Papst in meinem Inneren auslöste. Wäre es möglich, dass da noch etwas auf mich wartet, jenseits der überschaubaren Ordnung der Dinge, in der ich mich eingerichtet habe? Und was könnte das sein, etwas Gutes oder doch etwas Ungutes? Meine Illusion der Beruhigung im Sinne Pascals besteht in der Überzeugung, dass wir bei der Lösung unserer Probleme nicht notwendigerweise auf die Empfehlungen einer Religion Rücksicht nehmen müssen – es aus historischen Erfahrungen vielleicht auch gar nicht tun sollten. Davon unberührt bleibt der Satz, dass jeder nach seiner Façon selig werden kann.
Und weiter:
Wenn sich die richtige oder die falsche Haltung zum Religiösen kaum mehr ausmachen lässt, bröselt dann auch die Trennung zwischen liberalem Ironiker und potenziellem Katholiken in einem selbst? Das Gleichgewicht, das man zwischen Weltzugewandtheit und religiöser Vorprägung für sich hergestellt hat, muss ja nicht für alle Ewigkeit bestehen. »Wenn unsere Lage wirklich glücklich wäre«, schreibt Pascal, »müssten wir unsere Gedanken nicht durch Zerstreuungen davon ablenken, um uns glücklich zu machen.«

Interessant, sich vorzustellen, was passieren würde, falls man die Priorität wirklich änderte. Es begänne ein schmerzlicher Prozess. In Pascals Augen ist unser Glück nur Schein, aber wir klammern uns verzweifelt an das eingebildete Glück. Keiner weiß, wofür wir es eintauschten, wenn wir es aufgäben. Für den eingefleischten Ironiker ist das keine sinnvolle Spekulation. Immerhin das muss er zugestehen: Alle Versuche, das Religiöse ohne Leidenschaft und Drama ins Leben einzufädeln, haben mit echtem Glauben nichts zu tun. Sie dämpfen nur vorauseilend dessen Energien.

Kaum erwähnenswert unter diesen Möglichkeiten ist die kuschelweiche Spiritualität, die sich heute am Papst aufrichtet und morgen wieder am Dalai Lama. Feige ist im Grunde auch die Begeisterung für die Grandeur der katholischen Inszenierung. Mag die Kirche als Felsen in der Brandung einer als quälend empfundenen Moderne Trost spenden – der Kulturkonservatismus hat mit Christus letztlich nichts zu tun. Und ebenso verdruckst sind die Versuche, einen kleinsten gemeinsamen Nenner unter den monotheistischen Religionen auszumachen, ähnlich wie in Lessings Ringparabel. Am Ende soll damit nur eine universalistische Moralphilosophie historisch beglaubigt werden: unironische Restmetaphysik.

Das sind die Antworten der anderen, an denen ich mich abarbeite. Der strenge Pascal würde diese zaghafte Einkreisung des Zentrums schnell als Ausweichmanöver entzaubern. Er sagt: »Das Herz und nicht die Vernunft nimmt Gott wahr. Das heißt glauben. Gott ist dem Herzen und nicht der Vernunft wahrnehmbar.« Aber was genau ist das Herz? Der Lohn, den ich erhalte, wenn ich den Sprung wage, oder der Antrieb meiner Gedankenbewegung? Ich denke in kleiner werdenden Kreisen.
Bemerkenswert. Ich war noch vor zwei Jahren in einer ähnlichen Situation. Damals nannte ich mich "praktizierender Gelegenheitskatholik und Kirchensteuerzahler". Seitdem ist eine Menge passiert.

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Rauchzeichen

Livestream: Der Schornstein auf der Sixtinischen Kapelle

[via The Pope Blog: Conclave Edition]

Verantwortung

Welche Rolle spielt der Heilige Geist im Konklave? Dazu schreibt der National Catholic Reporter:
"Joseph Ratzinger [...] was asked on Bavarian television in 1997 if the Holy Spirit is responsible for who gets elected pope, and this was his response:
“I would not say so, in the sense that the Holy Spirit picks out the pope. ... I would say that the Spirit does not exactly take control of the affair, but rather like a good educator, as it were, leaves us much space, much freedom, without entirely abandoning us. Thus the Spirit’s role should be understood in a much more elastic sense, not that he dictates the candidate for whom one must vote. Probably the only assurance he offers is that the thing cannot be totally ruined.”
Then the clincher: “There are too many contrary instances of popes the Holy Spirit would obviously not have picked.”"
[via Against the Grain/Ratzingerfanclub.com]

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Live auf Phoenix

Livestream: Einzug der Kardinäle ins Konklave zur Allerheiligenlitanei

Update: Jetzt wird der Hymnus Veni creator spiritus gesungen.

Old Europe

Die Kleine Zeitung aus Graz schafft es, das Konklave unter einem etwas anderen Blickwinkel zu sehen:
"Die eigentliche Herausforderung liegt nicht in Afrika, Amerika, Asien, sie liegt hier, im alten und im buchstäblich demographischen Sinn alt gewordenen und immer älter werdenden Europa. Es ist eine intellektuelle und politische Herausforderung, vor allem aber eine an den Glaubensgeist der Christen. Nicht nur in Ost- und Mitteleuropa, auch in manchem ehemals 'gut katholischen Land' des Westens ist die kirchliche und Glaubenssubstanz bedenklich ausgedünnt. Jetzt nach einem Papst zu rufen, der vordringlich den kirchlichen 'Reformstau' aufzulösen habe, ist ein Rezept der Siebzigerjahre und verkennt die Lage und die Aufgabe."[via Deutschlandfunk/Presseschau]
Das ist doch der Punkt: Viele Wortmeldungen der letzten Wochen schienen vom Gedanken getragen, jetzt doch bitte dort weiterzumachen, wo Papst Johannes Paul seit 1978 Einhalt geboten hat. Als sei in 27 Jahren nichts geschehen.

Dabei sind gerade die Geißlers und Küngs Vertreter einer Generation, die nun wirklich mehr Probleme hinterlassen als gelöst hat. Das scheint auch ZdK-Präsident Hans-Joachim Meyer inzwischen so zu sehen:
"Das Wort liberal ist etwas, mit dem ich in kirchlichen Fragen schwer umgehen kann. Jeder Papst, jeder Bischof ist in dem Sinne konservativ, als es um die Bewahrung der Glaubensbotschaft geht. Die steht ja nicht zur Verfügung. Liberal, - ich will Menschen, die sich als liberal bezeichnen, jetzt nicht kränken -, aber im innerkirchlichen Bereich hört sich das gelegentlich an so wie Glauben light." [DLF-Interview]


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Veni, creator Spiritus
mentes tuorum visita,
imple superna gratia,
quae tu creasti pectora.

Qui diceris Paraclitus,
donum Dei altissimi,
fons vivus, ignis, caritas
et spiritalis unctio.

Tu septiformis munere,
dextrae Dei tu digitus,
tu rite promissum Patris
sermone ditans guttura.

Accende lumen sensibus,
infunde amorem cordibus,
infirma nostri corporis,
virtute firmans perpeti.

Hostem repellas longius
pacemque dones protinus;
ductore sic te praevio
vitemus omne noxium.

Per te sciamus da Patrem
noscamus atque Filium,
te utriusque Spiritum
credamus omni tempore.

Amen.

Samstag, April 16, 2005

Kampfhymne

Catholicism Wow - Deutscher Hardcore Katholizismus:
"Auf, auf zum Kampf! (Zum Kampf!)
Zum Kampf sind wir geboren!
Auf, auf zum Kampf! (Zum Kampf!)
Zum Kampf für Gottes Wort!
Den Karol Wojtila, den haben wir verloren,
dem Joseph Ratzinger, dem reichen wir die Hand!"

Der Herr ist mein Hirte


Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.
Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe.
Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.
Joh 10,1-3

Richelieu

"Den Mann umgibt der Nimbus richelieuscher Klugheit."
Karl Otto Hondrich in der heutigen FAZ (nicht frei zugänglich) über Joseph Kardinal Ratzinger

Richelieu? Aha.

Freitag, April 15, 2005

Über 26 Jahre

Ich bin mit Papst Johannes Paul einen weiten Weg gegangen. Als einer, der zur Generation Post-Vaticanum II zählt, kann ich mich an das Dreipäpstejahr 1978 noch gut erinnern. An die Überraschung seiner Wahl, an die zunächst verhaltene, dann wachsende Begeisterung der ersten Jahre, als dieser Papst begann, einiges anders zu machen als seine Vorgänger.

Ich war Kommunionkind, Messdiener, Gruppenleiter, in der Jugendarbeit engagiert - immer hing irgendwo sein Portrait an der Wand. Doch mit den Jahren wuchs der Abstand, nahm ich die Kritik an ihm wahr und machte sie Stück für Stück zu meiner eigenen. Die 80er Jahre waren eine bleierne Zeit: Kohl regierte das Land, der Kalte Krieg bedrohte uns - zwei Kilometer vor der innerdeutschen Grenze - in unmittelbarer Nähe.

Dass der Papst mit seinen Besuchen in Polen schon dem morschen Baum des Ostblocks einen entscheidenden Stoß versetzt hatte, begriffen wir damals nicht. Mitte des Jahrzehnts hatte ich (damals noch junge) Lehrer, die nicht damit rechneten, dass sie den Fall der Mauer noch selbst erleben würden. Johannes Paul II. blieb fern und wurde mir immer fremder.

Auch in der Kirche gab es vor zwanzig Jahren schon apokalyptische Untergangsszenarien: Ein Religionslehrer, Pfarrer und eher konservativ zumal, trug seinen Schülern mitten in einer katholischen Hochburg ungerührt seine Vision einer Kirche der kleinen Herde vor. Und ihn schienen all jene, die auf dem Wege dahin noch verloren gehen sollten, nicht besonders zu kümmern.

Als Jugendliche in der Kirche fragten wir uns, wie das alles weitergehen sollte. Der Papst interessierte damals kaum, höchstens als Schreckgespenst aus einer anderen Welt, die mit der unsrigen wenig zu tun hatte. Als jemand, der uns wenig zu sagen hatte. Oder vielmehr: Der nicht das sagte, was wir hören wollten.

Als 1989 - ich hatte gerade Abitur gemacht - der eiserne Vorhang fiel, war vom Dazutun Johannes Pauls praktisch keine Rede. Es begann eine Zeit rasanter Veränderungen, des Verlusts alter Gewissheiten. Immer noch regierte Kohl und schien so ziemlich alles falsch zu machen, was falsch zu machen war.

In den Jahren des Studiums dann wurde mir die Kirche immer fremder. Andere Themen drängten sich in den Vordergrund. Der Papst war Gegenstand anhaltender Kritik in Publik-Forum, dessen Abonnent ich seit 1989 war, bis heute bin und auch durch jene Jahre eines alltagspraktischen Atheismus blieb.

Erst gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts - ich hatte inzwischen den ersten Sohn und wieder lose Kontakte zum Glauben geknüpft - wuchs mit der fortschreitenden Krankheit des Pontifex mein Respekt vor seiner Leistung. Erst in den letzten beiden Jahren (dieses Notizbuch gibt einige Anhaltspunkte) bin ich wieder zum Glauben zurückgekehrt.

Und erst in dieser Zeit fange ich an, das eine oder andere zu begreifen. (Vielleicht sollte ich Publik-Forum abbestellen?)

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Glaube, Wahrheit, Toleranz

Ralf empfiehlt dieses Buch.

Wächter

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) in der Phoenix-Sendung "Im Dialog" über die bevorstehende Wahl eines neuen Papstes und den papabile Ratzinger:
"Wenn er nicht über den Glauben wacht, wer wacht dann über ihn? Er hat ja sogar darüber gewacht, dass der Papst katholisch blieb - um es einmal etwas salopp zu sagen. Aber im Kern hat Ratzinger Recht!"

"Wir haben ja in Deutschland nicht nur einen Selbsthass im Theologischen, sondern wir mögen uns ja insgesamt nicht. Wir jammern ja über uns noch mehr als über die Kirche."

"Das Papsttum darf sich mit der Wahl des neuen Papstes nicht von Europa verabschieden, das wäre des Guten zuviel."

"Er muss anders sein und um Gottes Willen nicht zur Kopie des Vorgängers werden. Und er darf vom ersten Tag an nicht am Vorgänger gemessen werden. (...) Ich hoffe, es ist nicht ein Wojtyla im Taschenformat." (Quelle)

Sendetermin: am heutigen Freitag um 21 Uhr

Konservativ

Seit 1989ff. sind die bewährten Dichotomien wie konservativ/progressiv oder rechts/links, nun ja, etwas komplizierter in der Anwendung geworden. Der eine oder andere vertritt die Meinung, diese Unterscheidungen gäben nicht mehr so recht Sinn. Und beide meinungsbildenden Blätter aus Frankfurt schauten nach, was eigentlich übrig ist, etwas anekdotisch die FR (What's left), tiefschürfend wie immer die FAZ:
Die legendäre Serie, die Joachim Fest noch in Auftrag gab, unter dem doppeldeutigen Titel What's left?, kann man heute als letzte Entschlüsselung des Innersten der FAZ lesen. Dass die Linke nicht mehr wusste, was sie ist, beruhigte dennoch ganz ungemein. Auch das ist vorbei. (Die Zeit 34/2000)
Die Serie ist übrigens als Rotbuch-Taschenbuch erschienen. Aber ich schweife ab. Möglicherweise markiert der Tod Johannes Pauls des II. einen ähnlichen Einschnitt wie das Jahr 1989. Und wieder stellen erstaunte Beobachter fest, dass ihre Leitdifferenz konservativ/progressiv mehr verdunkelt als sie erhellt. Diesmal geht es um die Generation JP2, also die Katholiken der Jahrgänge ab 1982, die keinen anderen Papst kennen als eben den Papst. Sie sind in vieler Hinsicht anders als ihre Eltern, stellt die New York Times fest (kostenlose Registrierung erforderlich):
The "millennial generation" of young Catholics [...] has returned to the traditional religious attitudes and behavior of generations born before World War II, said Mark M. Gray, a research associate at the Center for Applied Research in the Apostolate at Georgetown University. The values survey, coordinated by the University of Michigan, has been conducted periodically since 1981 by researchers who pool their data and make it available to scholars.

Catholics in the "millennial generation" are more likely to attend Mass weekly, pray every day, feel that religion is important and have a lot of confidence in the church than Catholics in either the Vatican II generation (born 1943 to 1960) or those in the Post-Vatican II generation (1961 to 1981), he said. [...] Sister Mary Bendyna, executive director of the Georgetown center, said young Catholics seemed to be "more receptive to the church, they participate more than their Generation X brothers and sisters, and are a little less cynical about institutions in general, the church included."

They are theologically conservative, but not conservative across the board when it comes to political issues, she said.

"They are more involved in traditional conservative religious practices, but they're very receptive to social justice messages about serving the poor," she said.

Msgr. John J. Strynkowski, a former official at the United States Conference of Catholic Bishops and now rector of St. James Cathedral in Brooklyn, says he sees the phenomenon as "a return to traditionalism."

In the 1970's, in the wake of the Vatican II Council, he said, priests let many traditions fall by the wayside. Now, he said, the younger generation is reviving devotional practices more familiar to their grandparents than their parents.
So ganz, scheint es, wird diese Generation noch nicht begriffen. (Und endlich weiß ich, welcher Generation ich mich zurechnen muss: Post-Vaticanum II)

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Conclave ante portas

Für die nächste Woche steht das Top-Thema der Medien bereits fest: die Wahl des neuen Papstes. Phoenix kündigt bereits umfangreiche Live-Berichterstattung an, weitere Sender werden dem nicht nachstehen. Heute befassen sich vor allem die italienischen Zeitungen mit den Aussichten für das Konklave. Il Messaggero analysiert die Chancen von Joseph Ratzinger:
"Er ist ein Kandidat, den man als eine der hervorragendsten Persönlichkeiten unter den Papabile betrachtet. Der Einzige, der in der Lage wäre, das Steuer in die Wende der Nach-Wojtyla-Zeit zu führen, die Kirche zusammenzuhalten."
Ein Bild der Stimmungslage zeichnet La Repubblica:
"Unter den Teilnehmern des Konklave herrscht noch große Unsicherheit. Die italienischen Kardinäle sind gespalten wie nie. Die Wahrheit ist, dass die Mehrheit der Purpurträger, von der Gruppe der Ratzinger-Anhänger einmal abgesehen, noch keine klaren Ideen hat. Noch ist dieser magische Augenblick nicht gekommen, der so typisch ist für viele Konklave, in denen ein zunächst unbekannter Name plötzlich für viele Kardinäle anziehend wird oder eine bereits bekannte Person sich zum Magnet der Abstimmung verwandelt."
[via Deutschlandfunk/Presseschau]

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Donnerstag, April 14, 2005

Seed of immorality

Regret The Error: The Pope gets immorally T'd off

Calvinismus

Der Perlentaucher referiert heute aus der FAZ:

Obwohl selbst inzwischen mehrheitlich katholisch bevölkert, bleibt die Republik Genf, die des Papstes in trockenen zwölf Zeilen gedachte, calvinistisch geprägt, berichtet Jürg Altwegg:

"Keine andere Religion ist so sehr von der Aufklärung geprägt worden wie der Calvinismus, in dem auch die sehr laizistischen Vorstellungen von Freiheit und Toleranz, wie sie Rousseau und Voltaire entwickelten, ihren Niederschlag gefunden haben. 'Post Tenebras Lux' lautet die Inschrift auf der 'Mauer der Reformatoren' in Genf."
Nun wird in Genf ein Museum der Reformation eröffnet, dessen Leiterin Isabelle Graessle zugleich die erste weibliche Vorsitzende der noch von Calvin begündeten Compagnie des pasteurs ist. Altwegg zitiert sie mit den Worten:
"Der westeuropäische Protestantismus wird dem Untergang geweiht sein, wenn sich nicht bald eine Bewegung bemerkbar macht, die mit der Reformation des 16. Jahrhunderts vergleichbar ist."

The Nigerian Pontiff

Ohne Worte

Norbert Bolz


Die zweite Woche ohne Papst. In der medialen Verarbeitung des Themas werden die Kreise nun weiter gezogen. So spricht die Wirtschaftswoche heute mit Norbert Bolz (51), pro forma Medienwissenschaftler, eigentlich aber eine Art Universalgelehrter, der sich dank seines Querschnittsfaches zu praktisch jedem Thema äußern darf und von dieser Erlaubnis auch regen Gebrauch macht ("Blindflug mit Zuschauer"). So sagt er also lauter richtige Dinge und auch ein paar falsche, aber wenigstens tut er das auf die richtige Weise. Auszüge:

Ist der Zulauf, den die katholische Kirche in den vergangenen Wochen hatte, also nur ein Pyrrhussieg - um den Preis ihrer dogmatischen Aushöhlung?

Kommt drauf an. Das Projekt der katholischen Kirche ist es, möglichst viele Menschen unter ihr Dach zu bringen. Dazu sind ihr alle Mittel recht. Denken Sie nur an den Papst - was hat ihn berühmt gemacht? Er flog in der Welt rum, warf sich auf den Boden, küsste die Erde. Worum es ihm also ging, war die Sichtbarkeit der Kirche. So gesehen, hat der Papst gezeigt, wie immun die katholische Kirche gegen die Erosion der Dogmen ist.

Gleichzeitig verlieren die Kirchen, zumindest in Deutschland, immer mehr Gläubige.

Das bedeutet noch nichts. Es gibt ja auch immer weniger Leute, die in Vereinen Sport treiben. Aber das heißt nicht, dass Sport an Attraktivität einbüßt. Man betreibt ihn nur anders: auf eigene Faust, spontan - oder im Rahmen eines Events. Deshalb wird Religiösität dort gewinnen, wo sie als Massenveranstaltung fasziniert - beim Begräbnis des Papstes zum Beispiel.

Zeigt die weltweite Trauerdemo aber nicht, dass Religion keineswegs verschwunden ist, wie uns viele glauben machen wollten?

Kant hatte sicher Recht, dass alle Menschen ein metaphysisches Bedürfnis haben. Offensichtlich haben die Enttäuschungserfahrungen mit den großen säkularen Heilsversprechen dieses Bedürfnis nicht ausgetrieben, sondern es im Gegenteil anwachsen lassen: Je weniger es erfüllt wird, umso stärker wächst es. Einige dieser Heilsversprechen haben wir ja ausprobiert: die völkischen Ideologien, den Sozialismus, die Naturidolatrie der Grünen. Modernität bedeutet nichts anderes als enttäuscht zu werden bei diesen Projektionsversuchen. Und das Heilsversprechen der Religion liegt darin, uns den Preis der Modernität zu ersparen.

Sie glauben, das metaphysische Bedürfnis kehrt auf diese Weise zurück zu seinem Ausgangspunkt?

Das metaphysische Bedürfnis kehrt zurück zur Religion als dem klassischen Thesaurus des Sinns. Allerdings sind wir zu modern, zu klug, zu aufgeklärt, um uns nur eine einzige Antwort bieten zu lassen. Eben deshalb bleibt Religion ja dem Numinosen verhaftet: als Geheimnis, das Angst macht und fasziniert.

Heißt das, dass die mit der Aufklärung und Säkularisierung verbundene Hoffnung, angstfrei in eine bessere Zukunft zu gehen, gescheitert ist?

Allerdings. So werden vorwissenschaftliche Angebote der Entängstigung wieder attraktiv. Für Philosophie und Wissenschaft bedeutet das, auf alle Wahrheitsansprüche verzichten zu müssen. Es ist eine der wichtigsten Einsichten der letzten Jahrzehnte, dass wir es nicht mit einem Werteverlust zu tun haben, sondern mit einem Werteverzicht, nicht mit einem Sinnverlust, sondern einem Sinnverzicht. Nur: Wem kann man so was zumuten? Max Weber hat vor 100 Jahren gesagt, was es dazu bräuchte - bitte lachen Sie nicht: 'gereifte Männlichkeit'. Das ist es. 'Wer es nicht erträgt', so Weber, 'der kehre in die weit geöffneten Arme der katholischen Kirche zurück.'

Also brauchen wir die Religion als Ordnungs- und Solidaritätsfaktor?

Im Wortsinn von religio - Bindung und Rückbindung - ja.
Jürgen Habermas, unser Chefaufklärer, hat ja schon die postsäkulare Gesellschaft ausgerufen. Und Ralf Dahrendorf hat den Begriff der Ligaturen geprägt. Das ist ja nur ein anderes Wort für religio: Verknüpfungen, Verbindungen, Sicherheitsleinen. Dahinter steht die Einsicht, dass die Menschen ihrem eigenen Denken nicht gewachsen sind.

Zur Ironie der Aufklärung gehört es, dass sie die Metaphysik unter Spannung hält?

Ganz bestimmt. Wir wissen, dass die Sonne nicht aufgeht. Aber was soll's? Für mich geht die Sonne eben doch auf. Das führt im Übrigen dazu, dass prominente Physiker wieder religiös werden. Das müsste eigentlich überraschen, tut es aber nicht. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es gibt keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Alltag, sondern, viel schlimmer: eine Beziehungslosigkeit. [...] Die Kirche muss sich darüber klar werden, dass viele Lebensfragen von der Politik so wenig beantwortet werden können wie von der Wissenschaft - darin liegt ihre Chance. Die Leute kommen ihr ja bereits entgegen. Sie spüren, dass sie die Wahrheit nicht in Politik und Wissenschaft finden - und auch nicht in sich selbst. Dorthin hat man ja die Wahrheit zuletzt geschickt: in die Selbstverwirklichung. Doch im Selbst, das hat sich herausgestellt, ist eben auch nichts los.

Bleibt also nur die fröhliche Flucht in den Kult der Religion?

Es war jedenfalls die Illusion des Kulturprotestantismus, dass man keine Religion mehr braucht. Länder, die darauf verzichten, wie die Niederlande oder Schweden, betreiben eine Art Kulturpuritanismus, den ich für viel unangenehmer halte als den religiösen Puritanismus. Da werden Vorstellungen von einer guten Gesellschaft gepflegt, die so gut ist, dass mir sofort klar wird: Da möchte ich auf keinen Fall leben.


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Der neue Ratzinger


Das ist Timing, wenn auch in diesem Fall wohl eher zufällig. Rechtzeitig zum Konklave erscheint ein neues Buch von Joseph Ratzinger: Der bei Herder erschienene Band Werte in Zeiten des Umbruchs geht offenbar zurück auf ein Gespräch mit Jürgen Habermas im vergangenen Jahr. Damals diskutierten die beiden Intellektuellen darüber, wie eine sich als pluralistisch verstehende Gesellschaft ihre moralischen Grundsätze findet (Dokumentation der Presseberichterstattung, Januar 2004).

Auszüge aus dem Buch veröffentlicht heute laut einer internationalen Agenturmeldung die Süddeutsche Zeitung. Die Vorabberichterstattung konzentriert sich auf das Thema Europa und den Aufruf des Autors, zu den christlichen Wurzeln zurückzukehren.
Cardinal Joseph Ratzinger's book, published in German by the Herder publishing house under the title ``Values in a Time of Upheaval,'' says Europe's Christian heritage is the key to respect for human dignity and to the continent's survival as a civilization.

``Europe needs a new - certainly skeptical and humble - acceptance of itself, if it wants to survive,'' the German-born Ratzinger wrote, according to excepts published in the Sueddeutsche Zeitung newspaper. ``The ever more passionately demanded multiculturalism is often above all a renunciation of what is one's own, a fleeing from what is one's own.''

He said people can respect the faith and culture of others only when they remain true to their own, ``only when what is holy, God, is not alien to us ourselves.''

European integration as represented by the European Union has become a mostly economic project, he wrote, ``with far-reaching exclusion of the spiritual foundations of such a society.''
Eine kurze Meldung ist das Buch heute auch dem österreichischen Standard wert.

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Mittwoch, April 13, 2005

Papabile


Joseph Ratzinger als Papst wäre für die Kirche in Deutschland sehr gut - aber Deutschland ist nach Maßstäben der Weltkirche kaum noch von Bedeutung.

Er ist das rote Tuch schlechthin für viele Katholiken in Deutschland, und glaubt man der italienischen Zeitung La Repubblica, dann trifft er auch unter den deutschen Kardinälen auf heftigen Widerstand. Der Intellektuelle im Kardinalspurpur würde als Papst der hiesigen Kirche jedoch eher nutzen. Von der Last seiner Aufgabe als Präfekt der Glaubenskongregation befreit, würde er in der päpstlichen Rolle einen längst überfälligen Klärungsprozess in Gang bringen.

Seine Kritiker wären gezwungen, sich neu zu positionieren - und Ratzinger könnte sein schlechtes Image abschütteln, das ihm sein schwieriges Amt eingetragen hat. Wäre Ratzinger Papst, dann zeigte sich schnell, welcher Teil der innerkirchlichen Kritik seiner Person zuzuschreiben ist - und welcher sich gegen den rechten Glauben, das katholische Dogma an sich richtet, das er zu hüten hat.

Als Papst könnte Ratzinger, dem selbst Uta Ranke-Heinemann Intelligenz bescheinigt, sich wieder stärker als Theologe zeigen. Vermutlich wäre er auch eine Herausforderung für die Theologenzunft: als einer der ihren, der keinem noch so subtilen Argument ausweichen müsste, weil er sich auskennt.

Mit Ratzinger käme im August die Weltkirche nach Köln, so seltsam das klingt. Als langjähriger Kurienkardinal ist er exzellent verdrahtet (und gilt außerhalb Deutschlands auch kaum als Hardliner), als Papst würde er sich daran orientieren, wo im weltkirchlichen Maßstab die Musik spielt - und das ist gerade nicht Deutschland. Sicher spielt im Konklave eine Rolle, dass von hier erhebliche Gelder in die jungen Kirchen fließen.

Durchaus plausibel, dass bereits bis zu 50 der 115 Kardinäle im Konklave für Ratzinger stimmen wollen, wie La Repubblica heute berichtet (und der Spiegel zitiert).

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Dienstag, April 12, 2005

Politische Ökonomie

Auch ein Konklave, in dem per definitionem der Heilige Geist weht, ist nicht frei von den Zwängen der (kirchen-)politischen Ökonomie. Die elf afrikanischen und zehn asiatischen Kardinäle bringen zusammen knapp 20 Prozent der 115 Papstwähler aus. Die italienische Zeitung La Repubblica merkt dazu an:
"Die Afrikaner und die Asiaten machen keine Lobbyarbeit. Sie achten eher auf die Hinweise der Kurie und der europäischen Würdenträger. Denn es zählen natürlich auch die Bindungen und Beziehungen, die zu den Kirchen der Ersten Welt hergestellt wurden, die ihrerseits Entwicklungsprojekte in den Ländern Afrikas und Asiens unterstützen. Deutschland und Italien sind Geldgeber ersten Ranges. An den Urnen zur Papstwahl wird auch dies von Bedeutung sein." [via Deutschlandfunk/Presseschau]
Skeptiker könnten meinen, solche trivialen Erwägungen widersprächen dem Wirken des Heiligen Geistes. Aber weit gefehlt: Er bedient sich bei seinem Wirken selbstverständlich der Menschen und deren Weltklugheit. Vom Geist geleitet zu sein, ist ja gerade nicht esoterisch und weltabgewandt, sondern das genaue Gegenteil davon. Außerdem könnte ich jetzt, wenn ich wollte, einen passenden Vers aus dem Evangelium zitieren.

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